eGK: Aktionsbündnis warnt vor Risiken und Nebenwirkungen

Das Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card" warnt vor der Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte. Die Kritik daran ist technisch und philosophisch begründet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 74 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Eine Woche vor dem Start der ConHIT, auf der die Fortschritte der elektronischen Gesundheitskarte eGK gefeiert werden, hat das Aktionsbündnis Stoppt die e-Card vor der Nutzung der eGK gewarnt. Noch sei es nicht zu spät, das Kartenprojekt zu stoppen, erklärte die Hausärztin Silke Lüder. Sie appellierte an alle Ärzte, sich diesmal nicht kaufen zu lassen, wie dies mit der ausgezahlten Kostenpauschale für Lesegeräte der Fall gewesen sei.

Die Kritik des Aktionsbündnisses an der eGK hat eine technische und philosophische Dimension. Technisch wird die neue Karte abgelehnt, weil sie den Arzt mit dem künftigen Online-Datenabgleich der Stammdaten zum verlängerten Arm der Krankenkassen macht. Auch die Frage der Datenhaltung wird kritisch gesehen. Wie der Informatiker Hartmut Pohl, Sprecher des AK Datenschutz und IT-Sicherheit der Gesellschaft für Informatik betonte, ist die Speicherung der Daten im Internet auf für alle verfügbaren Server der entscheidende Kritikpunkt am gesamten System. Er kritisierte besonders die Auskunft der Projektgesellschaft Gematik: "Das Internet wird lediglich als mögliches Transportmedium zwischen Arztpraxis und Telematikinfrastruktur verwendet." Dieser Satz sei irreführend. Gerade das Internet vergesse nichts, biete keine 100%ige Anonymität und lasse eine beliebige Verknüpfung von Daten zu. Davon sei auch die Gesundheitskarte betroffen. Als Lösungsvorschlag präsentierte Pohl einen alternativen Datenträger mit eigenem Kryptoprozessor und einer Kapazität von 128 GB, der es als stand-alone System gestatte, dass der Versicherte die Wahl hat, seine Daten entweder im Internet oder selbst zu speichern. Pohl stellte zum Schluß die Med-O-Card als eGK-Alternative vor.

Der Arzt Paul Unschuld, Autor des Buches "Ware Gesundheit", beschäftigte sich mit der Philosophie hinter der Einführung einer Gesundheitskarte. Unschuld verwies darauf, dass die moderne Medizin eng an die Ausprägung des Nationalstaates gebunden ist und sich von rund 250 Jahren als eine Staatsmedizin zu entwickeln begann, die eine gesunde Arbeiterschaft produzieren musste. Dieser Bezug zur Volkswirtschaft und zur militärischen Leistungsfähigkeit eines Staates sei heute ausgekoppelt: "Krankheit ist volkswirtschaftlich wertvoller als die Gesundheit der Gesamtbevölkerung." Dementsprechend konkurrierten Krankenkassen in dieser Krankheitswirtschaft mit den Ärzten um das Vertrauen der Patienten. Die eGK sei Ausdruck dieses Wandels. "Die Gesundheitskarte ist nichts mehr als die Ausweitung des Nacktscanners auf das Gesundheitssystem."

Aus Österreich berichtete Christian Euler, Präsident des Hausärzteverbandes Österreich von der "eHealth-Täuschung" der e-Card genannten Versichertenkarte, die seit 2005 im Einsatz ist und derzeit um die elektronische Gesundheitsakte erweitert werden soll. Neben den zusätzlichen Kosten von rund 4000 Euro pro Praxis und Jahr habe die e-Card zu einer zunehmenden Überwachung des Patienten über seine auszufüllenden Gesundheitsziele und des Arztes über die "Chefarztzustimmung" bei bestimmten Medikamenten geführt. Besonders kritisch bewertete Euler die detaillierte österreichische e-Bescheinigung zur Arbeitsunfähigkeit, die den Arzt zum Komplizen der Wirtschaft mache. Diese ausgelebte Misstrauenskultur zerstöre die Intimität zwischen Arzt und Patient. "Wir fürchten nicht den Datenmissbrauch. Wir fürchten den Datengebrauch!"

Das Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card" will die Ärzte an die geltende Beschlusslage (PDF-Datei) erinnern, die auf dem Deutschen Ärztetag in Kiel 2011 getroffen wurde. Das "Ärzteparlament" lehnte im letzten Jahr die Online-Aktualisierung der Stammdaten durch Ärzte ab und forderte die Anerkennung dezentraler Speichermedien. (mho)