Fokus: Innovationsförderung

Traditionell ist die deutsche F&E-Förderung an konkrete Projekte geknüpft. Die große Industrie favorisiert jedoch pauschale Steuervergünstigungen.

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  • Ulf J. Froitzheim

Traditionell ist die deutsche F&E-Förderung an konkrete Projekte geknüpft. Die große Industrie favorisiert jedoch pauschale Steuervergünstigungen.

Niemand kann sagen, der deutsche Staat tue nichts für seine Gründer, Forscher und Entwickler. Ganz im Gegenteil: Allein auf Bundesebene sind fünf Ministerien mit der Förderung von Innovationen befasst, und es gibt Hunderte Programme zur finanziellen Unterstützung konkreter Projekte. Dazu kommen noch einmal so viele von den Bundesländern und der EU. Jahr für Jahr fließen so etwa zwei Milliarden Euro an Unternehmen, die Hilfe für Innovationen und Forschung beantragt haben. Doch die historisch gewachsene große Programmauswahl hat ihre Schattenseiten: Der Weg zu all den Fördertöpfen führt durch einen schwierigen Parcours aus Kriterien, Regularien und Formularen.

Immerhin gibt es neben unzähligen Websites zu spezifischen Einzelmaßnahmen inzwischen auch eine zentrale Anlaufstelle für potenzielle Förderkandidaten: das Internet-Portal www.foerderinfo.bund.de. Wer sich von dessen Unübersichtlichkeit nicht abschrecken lässt, findet mit etwas Glück sogar eine Datenbank mit allen aktuellen Programmen von Bundeswirtschafts- und Bundesforschungsministerium. Allerdings muss der Suchende darin mit Begriffen wie „Arbeitseinheit“ oder „Leistungsplansystematik“ hantieren. Wem das schwerfällt, der findet auf der Zentralseite Telefonnummern von Ansprechpartnern, die Informations- und Mittelsuchenden tatsächlich nach Kräften kompetent Auskunft geben.

Der gute Wille auf Seiten des Staates ist offensichtlich ebenso vorhanden wie Geld, doch scheint beides nicht wirklich viel zu bewirken. So macht die überwältigende Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland keinerlei Gebrauch von Fördermöglichkeiten, obwohl es seit 2008 sogar ein eigenes Programm für sie gibt (siehe TR 5/2012, Seite 74). Stattdessen fließen weiterhin Fördermillionen an Konzerne mit Milliardengewinnen wie Daimler, Siemens oder VW, wofür weniger ihre Bedürftigkeit als ihr Geschick beim Ausfüllen der nötigen Anträge verantwortlich sein dürfte. Von den fast 58 Milliarden Euro, die sie jährlich in Forschung und Entwicklung (F&E) stecken, ersetzt ihnen der Staat allerdings nur zwischen drei und vier Prozent. Ein Drittel des Fördervolumens des Bundes fällt zudem noch in den Hoheitsbereich des Verteidigungsministeriums, ist also Innovationen von eher begrenzter Marktrelevanz gewidmet. An Zuschüssen zu zivilen F&E-Projekten kassieren die Unternehmen weniger als zwei Milliarden Euro.

Das ist eine geringe Summe im Vergleich zu den Förderungen der Agrarbranche, die in Deutschland mit fünf Milliarden Euro pro Jahr gepäppelt wird. Wenn es nach den großen Industrieverbänden und den Wirtschaftspolitikern von CDU, CSU und FDP geht, soll der Fiskus künftig mehr für die Forscher und Entwickler tun als für Bauern, Förster und Fischer – und zwar auf eine neue, radikal vereinfachte Weise. Lobbyorganisationen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bis zum Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) favorisieren pauschale Steuervergünstigungen für forschende Unternehmen. Varianten dieser Förderart gibt es bereits in mehreren europäischen Staaten.

Auch für Deutschland ist die Sache im Prinzip klar – bis auf das Wie, Wann und Wieviel. Je nach Modell würden dabei bis zu 4,75 Milliarden Euro herausspringen – und zwar zunächst wohl zusätzlich zur direkten Projektförderung. Denn wegen laufender Programme wäre eine Abschaffung des etablierten Systems, bei dem halbstaatliche Projektträger jeden Antrag gründlich unter die Lupe nehmen, kaum vor 2020 realisierbar. Ginge die Maximalforderung der Wirtschaft durch, würde der Staat mehr Geld in die industrielle Forschung pumpen als je zuvor – fast sieben Milliarden Euro pro Jahr.

Die Idee hat allerdings nicht nur Freunde, denn ein Komplettumstieg vom traditionellen Förderregime auf einen quasi per Gießkanne ausgeschütteten Steuerbonus käme einer mittleren Revolution gleich. Schon bevor die sozialliberalen Koalitionäre Willy Brandt und Walter Scheel vor 40 Jahren die Forschungsförderung institutionalisierten und ein eigenes Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) gründeten, war die bundesrepublikanische F&E-Förderung stets an konkrete Projekte geknüpft. Und zwar an solche, die politischen Zielvorgaben folgten – beispielsweise dem Aufbau einer weltmarktfähigen Luft- und Raumfahrt- oder Mikroelektronik-Industrie. Wer auf Gebieten tätig war, an denen die Politik kein Interesse hatte, ging leer aus.

Bei dieser Philosophie blieb es 1994 nach der Fusion des BMFT mit dem Wissenschaftsministerium zum Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, ebenso 1998 nach der Ausgliederung der Technologieabteilung ins Wirtschaftsministerium. Seit 2006 verfolgt die Bundesregierung sogar explizit eine auf 10 bis 15 Jahre angelegte „Hightech-Strategie“ (HTS). Sie konzentriert sich auf eine Reihe von „Schlüsseltechnologien“ wie Nano- und Biotechnik, die auf fünf ausgewählten „Bedarfsfeldern“ für Innovationen sorgen sollen: Klima und Energie, Gesundheit und Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation.

Ergänzend fördert das Wirtschaftsministerium seit 2008 kleine und mittlere Unternehmen mit seinem „technologieoffenen“ Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Die Reichweite des ZIM ist freilich begrenzt: Obwohl es in Deutschland nach offizieller Statistik 110000 „innovative“ und 30000 „forschende“ Mittelständler gibt, wurden bisher erst 16000 Projekte gefördert (siehe TR 5/12, Seite 74). Fast 90 Prozent der Zielgruppe beteiligen sich also nicht oder sind mit ihrer Bewerbung gescheitert.

Auch international war es lange Zeit Usus, über das Förderangebot indirekt ins Marktgeschehen einzugreifen. Amerikanische und asiatische Politiker bemühten sich wie ihre europäischen Kollegen, ihren Volkswirtschaften mit gezielter Förderung den richtigen Drall in Richtung zukünftiger Wachstumsmärkte zu geben. Inzwischen aber testen bereits etliche Regierungen, ob sie mit einer Breitenförderung – also der projektunabhängigen F&E-Förderung über Steuern – mehr erreichen können. Im einst so dirigistischen Frankreich zum Beispiel darf die Industrie heute einen bestimmten Prozentsatz ihrer nachgewiesenen F&E-Aufwendungen direkt von der Steuerschuld abziehen. Bei Kosten bis zu 100 Millionen Euro schreibt der Fiskus ihnen 30 Prozent gut; bei allem, was darüber hinausgeht, sind es noch fünf Prozent. Wer zum ersten Mal teilnimmt, erhält sogar einen Extrabonus: 50 statt 30 Prozent. In welcher Branche das Unternehmen tätig ist und woran es forscht, spielt keine Rolle. Es muss lediglich dem Finanzamt belegen, wie viel Geld es für F&E-Tätigkeiten ausgibt. Diese müssen allerdings den Kriterien des sogenannten Frascati-Handbuchs der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) entsprechen.

Verglichen mit den Dokumentationspflichten …

Mehr Infos

Die Fokus-Artikel aus TR 5/12 im Einzelnen:

  • Konzepte Was ist besser: projektbezogene Finanzierung oder Steuernachlass?
  • Interview mit Wirtschaftsforscher Klaus Nathusius
  • EU-Projekte Hochschulforscher haben gegenüber der Industrie das Nachsehen
  • Mittelstand Berater finden die richtigen Fördertöpfe für kleine Unternehmen
  • Fallbeispiel Tipps und Tricks bei der Antragstellung

(kd)