EU-Wettbewerbsverfahren gegen ICANN?

Die Coalition for ICANN Transparency (CFIT) ist bei den EU-Wettbewerbsbehörden in Brüssel vorstellig geworden.

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Von
  • Monika Ermert

Die Coalition for ICANN Transparency (CFIT) hat nach eigenen Angaben nicht nur vor einem US-Gericht Klage gegen die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erhoben, sondern ist auch bei den EU-Wettbewerbsbehörden in Brüssel vorstellig geworden. Laut einer Pressemitteilung von CFIT hat man in der vergangenen Woche eine "vorläufige Beschwerde bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission eingereicht, um eine Diskussion mit der EU Kommission über den wettbewerbswidrigen Charakter der .net und .com-Verträge ziwschen VeriSign und ICANN in Gang zu setzen."

Der britische Register berichtet inzwischen unter Verweis auf CFIT, dass das EU-Verfahren bereits eröffnet wurde. Eine Bestätigung seitens der EU-Vertreter im Regierungsbeirat der ICANN steht bislang aus. Der Vorsitzende des ICANN-Vorstands, Vint Cerf, teilte auf Anfrage von heise online mit, ihm sei nichts von einer Eröffnung eines Verfahrens bekannt.

Unabhängig von den verschiedenen offiziellen Verfahren ist die Kritik an dem von ICANN vorgelegten neuen Vertrag zwischen ICANN und VeriSign über den Betrieb der .com-Zone unüberhörbar. Die verschiedenen ICANN-Gremien, die die verschiedenen Interessengruppen wie Registrare, Länderdomain-Manager, Businessnutzer und Endnutzer vertreten, haben sich in seltener Einigkeit gegen den Vertrag in der vorgelegten Form ausgesprochen. Unisono forderten sie weitere Zeit für die Beratung grundsätzlicher Änderungen.

In ICANNs Public Forum bildeten sich lange Schlangen hinter den Mikrophonen, nachdem CEO Paul Twomey die Gründe für den Vertragsentwurf noch einmal dargelegt hatte, wie auch schon bei Einzeltreffen mit den verschiedenen ICANN-Gremien. "Es war kein Treffen zwischen Freunden", hatte Twomey im Rückblick auf die Verhandlungen mit VeriSign betont. Gleichzeitig unterstrich er noch einmal als eines der Hauptmotive, dass man das Geld der Internetnutzer und -Registrare ungern für den Rechtsstreit mit VeriSign ausgeben wolle. Die Einigung umfasst die Zusage VeriSigns, die gegen ICANN wegen des Sitefinder-Verbots erhobene Klage zurückzuziehen.

Twomey betonte noch einmal, dass die Wiedervergabe von .com an VeriSign Bestandteil des ursprünglichen Vertrags zwischen ICANN, dem US-Handelsministerium und VeriSign/NSI gewesen sei. Eine offene Neuausschreibung sei daher zu keiner Zeit möglich gewesen. Auch bei den neuen Verhandlungen sei das US-Handelsministerium in die Verhandlungen involviert gewesen. Twomey betonte gleichzeitig, dass der Vertrag noch keine beschlossene Sache sei und man sich alle Kritik genau anhöre.

Ein Vertreter von Network Solutions forderte als konkreten Schritt, vom Modell einer unbefristeten Vergabe an VeriSign abzugehen. Das widerspreche der wichtigsten Aufgabe von ICANN, nämlich für Wettbewerb zu sorgen. Eine Aufgabe, durch die ironischerweise auch Network Solutions in seiner heutigen Form entstanden sei. Network Solutions war einst com-Monpolist; nach Aufkauf durch VeriSign musste sich das Unternehmen von Registrar oder Registry trennen und stieß Network Solutions als eigenständigen Registrar ab. (Monika Ermert) / (uma)