Zehntausende Flugpassagiere fälschlicherweise als Terrorverdächtigte gelistet

Mindestens 30.000 Personen sind im Rahmen des Programms Secure Flight in den USA im vergangenen Jahr auf Listen mit potenziellen Terrorverdächtigten geführt worden und sahen sich deshalb mit Einschränkungen bei ihren Reisen konfrontiert.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Mindestens 30.000 Flugpassagiere sind im Rahmen des Programms Secure Flight in den USA im vergangenen Jahr fälschlicherweise auf Listen mit potenziellen Terrorverdächtigten (Federal Terrorist Watch Lists) geführt worden und sahen sich deshalb mit Einschränkungen bei ihren Reisen konfrontiert. Dies räumte die für die Durchführung des Secure-Flight-Programms verantwortliche Flugaufsichtsbehörde Transportation Security Administration (TSA) jetzt bei einer Anhörung vor dem Datenschutz-Ausschuss (Data Privacy and Integrity Advisory Committee) im US-Department of Homeland Security (DHS) ein.

Secure Flight war Ende 2004 von der US-Regierung als Ersatz für das gescheiterte Flugpassagierdatenbank-Projekt CAPPS II eingeführt worden und soll potenzielle Flugzeugentführer über Passagierdaten-Analysen mit Data-Mining-Techniken schon vor dem Einchecken am Flughafen herausfiltern. Die Fluggesellschaften in den Vereinigten Staaten müssen der TSA zu diesem Zweck umfangreiche Buchungsinformationen zur Verfügung stellen. Zudem greift die TSA auf Einträge in privaten Datenbanken zu, wie sie etwa von Banken und Kreditkartenunternehmen genutzt werden.

Personen, die nach dem Screening-Prozess als Risiko für den Flugbetrieb gelten ("risk of air piracy or terrorism or a threat to airline or passenger safety"), landen entweder auf einer täglich erneuerten "Selectee-Liste", was zur Konsequenz hat, dass sie ihre Bordkarte nicht an elektronischen Check-in-Automaten abholen können, sondern sich an klassische Check-in-Schalter im Flughafen wenden müssen, wo ebenso wie an den Schleusen zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt werden. Wollen Reisende einchecken, die auf so genannten "No-Fly-Listen" geführt werden, muss das Flughafenpersonal umgehend die Polizei verständigen.

Die tatsächliche Zahl der Falscheinträge auf den Risiko-Listen dürfte allerdings deutlich höher sein, da nach Angaben von TSA-Direktor Jim Kennedy lediglich die Fälle gezählt wurden, bei denen Fluggäste schriftlich die Entfernung ihrer Namen von einer "Selectee-Liste" beantragt hatten. Dazu müssen Betroffene ein "Passagier-Identitätsverifizierungs-Formular" ausfüllen und dieses zusammen mit drei notariell beglaubigten Personaldokumenten bei der Flugaufsichtsbehörde einreichen. Die Bearbeitung des Antrags dauert bis zu zwei Monaten und hat bei einer positiven Prüfung zur Folge, dass die betroffenen Personen anschließend auf einer "Clearing-Liste" geführt werden.

Clearing bedeutet in diesem Fall aber nicht, dass die Namen der Betroffenen jetzt von den eigentlichen Risiko-Listen gestrichen sind, und die Reisenden wieder die Vorzüge von Quick-Check-in-Angeboten (künftig etwa auch per Handy) nutzen können – vielmehr müssen die Betroffenen auch weiterhin zum normalen Check-in-Schalter gehen und dort erklären, dass sie inzwischen auf einer Clearing-Liste stehen, die vom Schalterpersonal eingesehen werden kann. Fälle, bei denen Personen die Entfernung ihres Namens von einer "No-Fly-Liste" beantragt haben, sind der TSA eigenen Angaben zufolge nicht bekannt. Nicht gezählt wurde dabei offenbar der peinliche Vorfall im Zusammenhang mit US-Senator Edward Kennedy, dessen Name im vergangenen Jahr auf einer "No-Fly-Liste" auftauchte. Obwohl Kennedy sich sogar direkt mit dem damaligen Leiter des Department of Homeland Security, Tom Ridge, in Verbindung setzen konnte, benötigte er immerhin drei Wochen, um den Eintrag löschen zu lassen.

Laut TSA-Direktor Jim Kennedy kann schon die Buchung eines One-Way-Tickets, die Übereinstimmung mit einem bestimmten Personenprofil oder auch die Auswahl über einen computergesteuerten Zufallsgenerator dazu führen, dass bei bestimmten Reisenden zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen angeordnet werden. Dies müsse aber nicht bedeuten, dass damit gleichzeitig ein Risiko-Listen-Eintrag verbunden ist. Einen Antrag auf Überprüfung sollten Reisende erst stellen, wenn es an den Flughäfen wiederholt zu Verzögerungen komme. Kennedy wies zudem darauf hin, dass bislang keiner Person, deren Name fälschlicherweise auf einer "Selectee-Liste" aufgetaucht war, der Zutritt zu einem Flugzeug verwehrt worden sei. Wie viele Einträge es in den Risiko-Listen insgesamt gibt, ist öffentlich derzeit nicht bekannt.

"Die Zahlen zeigen, dass mit Secure Flight deutlich mehr Menschen Schwierigkeiten an den Flughäfen bekommen, als wir bislang gedacht haben", kommentierte das Electronic Privacy Information Center (EPIC) die von der Flugaufsichtsbehörde eingeräumten Fehler. "Die Risiko-Listen des Programms haben offenbar noch einen weiten Weg vor sich, bevor sie tatsächlich das machen, was sie eigentlich leisten sollen", erklärte EPIC-Direktorin Marcia Hofmann gegenüber US-Medien. Aber auch im DHS könnte ein Umdenken einsetzen, nachdem der Datenschutz-Ausschuss gerade einstimmig eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen für das Secure-Flight-Programm verabschiedet hat.

Die Änderungsvorschläge sehen unter anderem vor, dass den Fluggesellschaften sowie der Öffentlichkeit künftig mehr Einblick in die Arbeitsweise des Secure-Flight-Programms gewährt wird, dass die eigentlichen Ziele des Programms klarer definiert werden, dass der Umfang der Datenerhebung auf ein Minimum reduziert wird, dass Personen, die fälschlicherweise auf Risiko-Listen geführt werden, leichter eine Löschung dieser Einträge erreichen können, und dass das Department of Homeland Security regelmäßig Rechenschaftsberichte zu Secure Flight anfertigen soll. Für den Leiter des DHS, Michael Chertoff, sind Empfehlungen des Ausschusses allerdings nicht bindend. (pmz)