EU-Parlament will Richtlinie zu Verwertungsgesellschaften

Wenn europäische Oligopole die bestehenden nationalen Monopole beim Management von Urheberrechtsansprüchen ersetzten, sei Künstlern nicht wirklich gedient, warnten Parlamentarier fast aller Fraktionen heute in ihrer Sitzung in Straßburg.

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Von
  • Monika Ermert

Das Europäische Parlament will gefragt werden, wenn es um Regelungen für europaweite Lizenzen im Online-Musikmarkt geht. Wenn europäische Oligopole die bestehenden nationalen Monopole beim Management von Urheberrechtsansprüchen ersetzten, sei Künstlern nicht wirklich gedient, warnten Parlamentarier fast aller Fraktionen heute in ihrer Sitzung in Straßburg. Solche Oligopole begünstige aber die im Jahr 2005 von der Kommission verabschiedeten Empfehlung, heißt es in einem Bericht zu Online-Musikdiensten. In einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Entschließung fordern die Parlamentarier die Kommission auf, die Empfehlung durch eine Richtlinie von Parlament, Rat und Kommission zu ersetzen.

Katalin Lévai von der sozialistischen Fraktion, Berichterstatterin im federführenden Rechtsausschuss, sagte in der Parlamentsdebatte gestern Abend, es solle am bisherigen System der Gegenseitigkeitsverträge festgehalten werden. Die Empfehlung der Kommission ziele auf harten Wettbewerb zwischen den Verwertern. Künstler sollen frei wählen können, welche Verwertungsgesellschaft sie europaweit vertreten dürfen. Einzelne große Verwertungsgesellschaften kooperieren bereits, etwa die deutsche GEMA, die britische MCRS-PRS Alliance und die spanische SGAE. Das Parlament warnte nun davor, dass kleine Verwertungsgesellschaften einem möglichen Konzentrationsprozess zum Opfer fallen könnten.

Der Kulturausschuss des Parlaments hatte in seinem Bericht auf negative Konsequenzen für die Vielfalt des Musikangebotes hingewiesen. Die Leidtragenden wären die kleineren europäischen Verwertungsgesellschaften, da sie der Konkurrenz mit den großen nicht standhalten könnten, hieß es. Die großen Verwertungsgesellschaften würden die europaweiten Musikrepertoirs einkaufen und auf Quantität statt auf Qualität setzen, schrieb die die grüne Abgeordnete Helga Trüpel, stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses in einer Zusammenfassung des Berichts.

Während bislang die Autoren über die Gesellschaft in ihrem eigenen Land an ihre internationalen Bezüge gekommen seien, da die jeweiligen Gesellschaften wechselseitige Verträge mit den anderen geschlossen haben, könnte das neue Modell die Autoren dazu zwingen, Mitglied bei einer der wenigen zuständigen Gesellschaften zu werden. Die großen Konzerne würden zudem versuchen, die Vergütungssätze zu drücken. Vor allem weniger bekannte Künstler wären die Verlierer. Von einer "Illusion der Cyberwilligkeit" sprach der konservative französische Abgeordnete Jacques Toubon. Man dürfe nicht einfach die Argumentation von Verwertern und Verbrauchern übernehmen, dass Online-Musik umsonst sein solle, so Toubon.

Das Parlament wolle einen guten Ausgleich finden zwischen Wettbewerb und Kultur, großen und kleinen Verwertungsgesellschaften und auch zwischen großen Rechteinhabern und einzelnen Urhebern, sagte Lévai, und vor allem fordere es dabei auch ein Mitspracherecht. Gerade in einer so wichtigen Frage für den EU-Binnenmarkt müsse das "legislative Dreieck gewahrt bleiben". Der unverbindliche "Softlaw"-Ansatz einer Empfehlung bringe eher Rechtsunsicherheit. Unklar sei etwa, ob nur Musik oder auch andere Inhalte erfasst seien.

Die britische Abgeordnete Diana Wallis nannte es eine "Schande", dass sich das Parlament des Vorgangs regelrecht habe bemächtigen müssen, da er sonst an ihm vorbei gegangen wäre. Die Kommission hatte ursprünglich für den Dezember vergangenen Jahres weitere Schritte zum System der Verwertungsgesellschaften in Europa angekündigt, diese aber auf Druck einzelner Mitgliedsstaaten im Dezember zurückgestellt. Ob die Kommission nun der Aufforderung der Parlamentarier folgt und einen Richtlinienvorschlag vorlegt, ist allerdings ungewiss, hieß es aus dem Büro von Eva Lichtenberger (Grüne).

Lichtenberger hatte in der Sitzung ihre Kollegen auf Manipulationsversuche aufmerksam gemacht. "Wenn Sie die Petition 'Writers und composers for choice' lesen, dann können Sie nicht davon ausgehen, dass alle dort aufgeführten Künstler wissen, was sie da unterschrieben haben", sagte Lichtenberger. Ihr seien Künstler namentlich bekannt, die sich von dem Brief distanziert hätten. Das werfe ein schlechtes Licht auf die Anstrengungen einzelner Verwertungsgesellschaften, so Lichtenberger. Der European Council of Artists hatte sich gegen die Petition, die von der ICMP/CIEM an die Parlamentarier gesandt wurde, verwahrt. (Monika Ermert) /

(anw)