ACTA: Forderungen nach Nachverhandlungen im EU-Parlament

Berichterstatter der Sozialdemokraten und der Konservativen suchen nach Wegen, wie das Anti-Piraterie-Abkommen noch verbessert werden könnte. Abstimmungen in entscheidenden Ausschüssen verzögern sich.

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Im EU-Parlament mehren sich Stimmen, die für weitere Verhandlungen über das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA plädieren. Der Berichterstatter im federführenden Handelsausschuss, David Martin, hat am Mittwoch den Abgeordneten seine Empfehlung offiziell vorgestellt. Er sprach sich dabei weiterhin dafür aus, das umstrittene Abkommen abzulehnen. Er betonte aber stärker als bislang, dass ein alternativer Weg zum Schutz immaterieller Güter Europas gefunden werden müsse und dabei alle Vertragspartner an den Verhandlungstisch zurückkehren könnten.

In seiner jetzigen Form drohe der Vertrag, die Grund- und Freiheitsrechte der EU-Bürger zu unterlaufen, führte der Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion aus. Provider könnten in die Rolle von Hilfssheriffs gedrängt, Filesharer aufgrund der unklaren Definition des "gewerblichen" Handels bei Rechtsverstößen kriminalisiert werden. ACTA sehe in Artikel 42 aber eine Bestimmung zu Nachverhandlungen vor. Die EU-Kommission könne von ihr Gebrauch machen und ein Änderungsverfahren einleiten, schlug der Schotte vor. Ein vergleichbarer Ansatz habe auch beim transatlantischen Abkommen zum Fluggastdatentransfer zu einer "akzeptableren Lösung" geführt.

Der Schattenberichterstatter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Christofer Fjellner, griff diesen Ball auf. Der Schwede bedauerte, dass die ACTA-Debatte den Eindruck hinterlassen habe, der Vertrag sei selbst das Problem, während der echte "Feind" doch die Piraterie sei. Damit verknüpft seien schließlich Verluste von Arbeitsplätzen und Gefährdungen etwa durch Imitate von Arzneimitteln. Die EVP werde sich daher darauf konzentrieren, ACTA "nicht zu beerdigen, sondern zu korrigieren". Das Parlament solle die Übereinkunft zurücksenden an die führenden Industriestaaten und ihre Partner, die das Konstrukt verabschiedet haben. Es sei deren Aufgabe, die bestehenden Schwächen und Unbestimmtheiten auszubügeln.

Im Namen der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) warnte David Campbell, dass Kreative aus Europa abwandern könnten, wenn andere Länder und Regionen ACTA ratifizierten und die EU nicht. Vertreter der Liberalen und der Grünen appellierten an ihre Kollegen, das Abkommen auf jeden Fall abzulehnen. Neu verhandelt werden könne allenfalls über sektorspezifische und verhältnismäßige Instrumente zum Schutz von Urheber-, Marken- oder Patentrechten. Der Ausschussvorsitzende, der spanische Sozialist Vital Moreira, erinnerte daran, dass die Kommission ACTA dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorgelegt habe. Es sei daher fraglich, ob das Parlament seinen straffen Zeitplan einhalten könne und vor einer Antwort der Luxemburger Richter über den Vertrag abstimmen dürfe.

Die Handelsexperten der EU-Parlaments beschlossen, die Abstimmung in ihrem Gremium um einen Monat auf Juni zu verschieben. Das Votum im Plenum könnte damit frühestens in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause Anfang Juli erfolgen, wenn alles glatt läuft.

Parallel hat auch der mitberatende Rechtsausschuss entschieden, seine Empfehlung später als geplant abzugeben. Marielle Gallo, die dortige Berichterstatterin, hat sich in ihrem ersten Entwurf für eine ACTA-Ratifizierung stark gemacht. Die französische Konservative möchte nach eigenen Angaben nun aber noch die Kritikpunkte überdenken, die der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx gerade noch einmal vorgebracht hat. Bürgerrechtler wittern dahinter einen Schachzug, um die finale Abstimmung auf den September zu verzögern. Bis dahin könne sich der Widerstand gegen ACTA möglicherweise abgeschwächt haben. (anw)