Piratenpartei: Umfragehoch und härtere Gangart vor den Wahlen

Die politische Konkurrenz schießt sich auf die Piraten ein. Die Piratenpartei wählt derweil nicht nur eine neue Führung, die eine Regierungsbeteiligung nicht ausschließen will. Die Partei distanziert sich auch von rechtsradikalen Ideologien.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Gangart wird schärfer: Kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen reagieren die bislang in den beiden Landesparlamenten und im Bundestag vertretenen Parteien mit Angriffen auf die Piratenpartei auf deren anhaltende Popularität. In der bislang letzten Umfrage von Forsa über das Verhalten bei Bundestagswahlen kommen die Piraten erneut auf 13 Prozent und liegen immer noch vor den Grünen mit 12 Prozent. Die FDP wäre mit 5 Prozent ebenfalls wieder im Bundestag vertreten, die Linke käme auf 7 Prozent. CDU/CSU könnten danach 35 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen, die SPD 24 Prozent. [Update: Mittlerweile liegt eine neue Ausgabe der Forsa-Umfrage vor, nach der die Piraten auf 11 Prozent in der Wählergunst gesunken sind und damit hinter den Grünen mit 12 Prozent liegen. Allerdings wurde die Umfrage, deren Ergebnisse am 2.5. veröffentlicht wurden, vor dem Piratenparteitag in Neumünster durchgeführt.]

Die Piraten haben auf ihrem Parteitag am Wochenende ihre Führung neu gewählt, mussten aber ob der Personalfragen die inhaltlichen Entscheidungen verschieben. Immerhin gab es einen Parteitagsbeschluss, mit dem die Piraten sich wenigstens bei einem Thema aus der Schusslinie nehmen wollen. In den vergangenen Tagen und Wochen war immer wieder Kritik an rechtsextremen Tendenzen einzelner Mitglieder der Partei laut geworden. Nachdem der scheidende Bundesvorsitzende Sebastian Nerz bereits früher betont hatte, die Piratenpartei sei kein Auffangbecken für rechtsextreme Tendenzen, heißt es nun in dem Parteitagsbeschluss: "Die Piratenpartei Deutschland erklärt, dass der Holocaust unbestreitbar Teil der Geschichte ist. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren widerspricht den Grundsätzen unserer Partei."

Zu Beginn des Piratenparteitags hatte die scheidende politische Geschäftsführerin Marina Weisband dazu aufgerufen, den Menschen mehr Freiheit und Verantwortung zu geben. Doch auch die Piratenpartei habe Verantwortung: "Wir tragen im Moment eine riesige Verantwortung, weil wir wissen oder zumindest ahnen, dass die Gesellschaft sich grundlegend verändern wird." Die Piratenpartei stelle sich den grundlegenden Fragen des gesellschaftlichen Wandels und probiere neue Konzepte aus.

Derweil wagt sich der nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen aus der Deckung: Er setzt darauf, dass der Einzug der Piratenpartei in den Düsseldorfer Landtag eine rot-grüne Mehrheit vereiteln wird. "SPD und Grüne werden keine Mehrheit bekommen, davon bin ich fest überzeugt", sagte der Bundesumweltminister dem Boulevardblatt "Bild". Grund dafür sei auch, dass die beiden Parteien mit ihrem "inhaltslosem Wahlkampf" den Piraten so viel Raum gäben.

Die Piraten seien eine Internet-Partei, vor allem aber eine Protest-Partei. "Indem SPD und die Grünen die Menschen nicht ernst nehmen, stärken sie die Piraten", sagte Röttgen. Sogenannte Leihstimmen der CDU für die FDP schloss er erneut aus: "Die FDP hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie, falls sie denn überhaupt in den Landtag kommt, bereit ist, Rot-Grün mit einer Ampelkoalition an der Macht zu halten. Das ist ein wichtiges Signal an die Wähler – auch an potenzielle FDP-Wähler: Wer die rot-grüne Schuldenpolitik beenden will, muss CDU wählen."

Angesichts der Erfolge der Piratenpartei entdeckt auch Oskar Lafontaine von der Linken das Internet als soziales Thema. Eine der Antworten, mit der die Linke auf die Piraten reagieren will, ist die Forderung nach "Internet-Zugang für Alle". Auch Ärmere sollten vollen Zugang zum Internet haben, Lafontaine forderte einen Zugang zum Internet für alle Hartz-IV-Empfänger. Ärmere Menschen müssten sich am Internet beteiligen können – "notfalls auch mit staatlicher Alimentation", sagte Lafontaine auf dem Landesparteitag der Linken Baden-Württemberg. Der Piratenpartei warf der Linken-Fraktionschef im saarländischen Landtag vor, sich bislang nicht zur sozialen Frage positioniert zu haben. Lafontaine bezeichnete es als "Schlüssel zum Aufkommen der Piraten, dass die Menschen merken, dass etwas nicht stimmt in der Gesellschaft und deshalb auf neue Bewegungen setzen". Sarah Wagenknecht von den Linken kann sich aber bereits eine Zusammenarbeit mit den Piraten vorstellen. Das setze aber voraus, dass die Partei sich stärker positioniere und zu linken Überzeugungen bekenne, sagte Wagenknecht laut der Welt.

Der neue Bundesvorsitzende der Piraten, Bernd Schlömer, betonte nach seiner Wahl die Bereitschaft der Partei, in den Ländern ebenso wie im Bund in eine Regierung einzutreten. "Wenn man an Wahlen teilnimmt, dann verfolgt man grundsätzlich auch das Ziel, Verantwortung zu übernehmen", sagte Schlömer laut einem dpa-Bericht. Es werde jeweils neu darüber zu befinden sein, inwieweit das möglich und sinnvoll sei. Die Inhalte der Partei sollten künftig besser sichtbar gemacht werden: "Wir müssen die Positionen der Piratenpartei in leichter und verständlicher Form den Bürgern nahebringen."

Sebastian Nerz wandte sich gegen die Einschätzung, dass mit den Erfolgen der Piratenpartei die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition steige. "Große Koalitionen sind nie ein gutes Zeichen", sagte Nerz. "Sie neigen erfahrungsgemäß dazu, Bürgerrechte einzuschränken." (jk)