5000 Bürger wollen Verfassungsgericht wegen der Vorratsdatenspeicherung anrufen

"Waschkörbeweise" gehen laut Bürgerrechtlern vorsorgliche Vollmachten zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Protokollierung der Telefon-, E-Mail- und Internetnutzung der Bevölkerung ein.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung spricht von einem großen Erfolg seines im November gestarteten Aufrufs zur vorsorglichen Massenklage gegen die von der Bundesregierung geplante Protokollierung der Telefon-, E-Mail- und Internetnutzung über sechs Monate hinweg. "Waschkörbeweise" gehen demzufolge Vollmachten zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen die pauschale und verdachtsunabhängige Überwachungsmaßnahme beim Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik ein, der die Vertretung der Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht übernehmen wird. Insgesamt seien inzwischen 5000 entsprechende Schreiben bei ihm eingegangen. Im Vergleich zum Februar hat sich die Zahl der besorgten Bürger, die sich an der Aktion beteiligen wollen, somit noch einmal verdoppelt.

Kosten fallen den Teilnehmern an der bislang einmaligen Erhebung einer "Massenverfassungsbeschwerde" gemäß der Zusicherung der zivilgesellschaftlichen Widerstandskämpfer nicht an. Die Eingabe an das Bundesverfassungsgericht soll gestartet werden, sobald der momentan im Bundestag debattierte Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden vom Parlament verabschiedet und in Kraft getreten ist. Damit sollen Brüsseler Vorgaben zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten in nationales Recht umgesetzt werden. Kritiker monieren dabei neben einem allgemeinen Paradigmenwechsel beim Datenschutz, dass die Bundesregierung noch über die entsprechende, heftig umstrittene EU-Richtlinie hinausgehen und etwa eine anonyme Nutzung des Internet deutlich erschweren will.

Das Beschwerdeschreiben selbst ist bereits fertig und im Internet einsehbar (PDF-Datei). Es beruft sich unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003, in der es heißt: "Insofern genügt es verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, dass die Erfassung der Verbindungsdaten allgemein der Strafverfolgung dient. Vorausgesetzt sind vielmehr eine Straftat von erheblicher Bedeutung, ein konkreter Tatverdacht und eine hinreichend sichere Tatsachenbasis." Gegen diese verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit verstoße eine Vorratsprotokollierung des Telekommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung eklatant, heißt es in der Beschwerdeschrift.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und 40 weitere Bürgerrechts-, Berufs- und Wirtschaftsverbände fordern seit langem eine Aussetzung der geplanten Datensammlung, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die seit 2006 anhängige Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entschieden hat. Neue Hoffnung auf eine Zurückweisung der Direktive gibt ihnen, dass die EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott öffentlich die Vereinbarkeit der geplanten Datensammlung mit den Grundrechten in Zweifel gezogen hat. Für den 22. September hat der Arbeitskreis zudem mit zahlreichen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen zu einer Demonstration gegen den "Überwachungswahn" nach Berlin gerufen.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und bei der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)