Zentralbank für Emissionen

Die Preise für Kohlendioxid-Zertifikate sind auf einem Rekordtief angekommen. Es wird Zeit für unkonventionelle Ideen.

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Die Preise für Kohlendioxid-Zertifikate sind auf einem Rekordtief angekommen. Es wird Zeit für unkonventionelle Ideen.

Nicht einmal sieben Euro kostet an der Leipziger Börse derzeit ein Zertifikat für die Emission einer Tonne Kohlendioxid. Das ist 60 Prozent weniger als noch vor einem Jahr und viel zu wenig, um Investitionen in den Klimaschutz anzuschieben. Dabei galt der Handel mit CO2-Zertifikaten einmal als marktwirtschaftliche Wunderwaffe zur Senkung des Treibhauseffekts. Dass der CO2-Börsenpreis nun aber seit Monaten auf einem lächerlich niedrigem Niveau herumdümpelt, hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen waren die Staaten mit der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten zu großzügig – so kann sich natürlich kein funktionierender Markt entwickeln. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise die Nachfrage nach Zertifikaten gedämpft.

Der Politik ist offenbar klar, dass es so nicht weitergehen kann. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters diskutieren EU und Mitgliedsländer derzeit darüber, ob und wie sie die Menge der CO2-Zertifikate weiter reduzieren wollen, um den Preis zu stabilisieren. Doch solche Maßnahmen stecken voller Tücken. Wenn die Politik einmal mehr oder minder willkürlich in den Markt eingegriffen hat – wer wollte darauf vertrauen, dass sie es bei der nächsten Gelegenheit nicht wieder tut, um, je nach Machtverhältnissen, mal die Wirtschaft, mal das Klima zu schützen? Wer wollte auf so einer Grundlage noch Investitionsentscheidungen treffen? Und wenn die Politik beispielsweise einen Mindestpreis für die Tonne CO2 festlegt – was hat das dann noch mit einem Handelssystem zu tun? Dann könnte sie auch gleich eine feste CO2-Steuer einführen.

Eine gewisse Regulierung ist offenbar aber dennoch nötig, denn kein Mensch kann vorher abschätzen, wie viele Zertifikate über eine mehrjährige Handelsperiode hinweg angemessen sind. Deshalb schlagen Experten vor, eine Art Zentralbank für Kohlendioxid-Emissionen einzurichten, die Zertifikate auf den Markt bringt oder vom Markt nimmt, um die Kurse in einem bestimmten Korridor zu halten. „Ein solcher Regulator würde ein Mandat erhalten, das ihm Unabhängigkeit von allen kurzfristigen politischen Erwägungen garantiert – und ihn vor dem Druck privater Lobbygruppen schützt“, schreibt Christian de Perthuis, Professor an der Universität Paris-Dauphine. „Die Hauptaufgabe eines solchen Regulators wäre es, sicherzustellen, dass der Kohlendioxid-Markt die Emissionsreduktionen korrekt bepreist. Seine Glaubwürdigkeit würde die öffentlichen und privaten Mitspieler ermutigen, sich effizient in Richtung einer carbonarmen Gesellschaft zu bewegen.“

Schöne Worte. Wäre eine CO2-Zentralbank wirklich ein Ausweg aus dem Dilemma? Oder nur ein bürokratisches Pflaster, um Symptome eines grundlegend falsch angelegten Systems zu kurieren? Für mich hat der Vorschlag einen gewissen Charme. Die Europäische Zentralbank hat es bisher ja auch geschafft, die Währung stabil zu halten, ohne die Konjunktur abzuwürgen. Warum sollte so etwas nicht auch bei der CO2-Börse funktionieren? Ich jedenfalls halte das Prinzip des Emissionshandels nach wie vor für richtig. Es ist nur noch nicht konsequent genug angewendet worden.

Der größte Schönheitsfehler der CO2-EZB: Es gibt laut Reuters innerhalb der EU keinerlei Pläne, sie einzurichten. Zu viel Unabhängigkeit ist der EU und den Ländern offenbar unheimlich. (rot)