Diablo III enttäuscht manch hochgesteckte Erwartung

Seit heute ist das von einer riesigen Fangemeinde herbeigesehnte Action-Rollenspiel Diablo III im Handel. Die Entwickler bei Blizzard haben ein solides Spiel mit akzeptabler Grafik, aber ohne die von manchem erhofften Superlative geschaffen.

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Von
  • Nico Nowarra

Ankündigungsgemäß hat am heutigen Dienstag weltweit der Verkauf des Action-Rollenspiels Diablo III von Activision Blizzard begonnen. An über 8000 Stellen in aller Welt waren "Mitternachtsverkäufe" organisiert worden. In Deutschland stieg um Mitternacht im Alexa-Shopping-Center am Berliner Alexanderplatz eine von Blizzard veranstaltete Premierenfeier mit Kevin Martens und Jason Regier vom Entwickler-Team. Dem Publisher zufolge waren dabei über 4500 Fans anwesend.

Die reguläre Version des Hack-and-Slay-Abenteuers, das sich stark am Vorgänger Diablo II aus dem Jahr 2000 orientiert, kostet als DVD-ROM für Windows und Mac OS X knapp 50 Euro. Eine limitierte "Collector's Edition" für knapp 90 Euro mit zahlreichen Goodies wird bereits jetzt im Internet streckenweise für über 200 Euro gehandelt. Sie bringt das Vorgängerspiel und dessen Add-on "Lord of Destruction" auf einem 4-GByte-USB-"Seelenstein" mit, zudem einiges Audio- und Video-Zusatzmaterial sowie Ingame-Bonus-Items.

Grafisch versucht Diablo III einen Spagat zwischen Diablo II und World of Warcraft.

Anders als Diablo II läuft selbst der Singleplayer-Part des neuen Spiels nur mit ständiger Online-Anbindung an Blizzards Spielplattform Battle.net, was für viel Kritik von Spielern sorgt. Zu Beginn des Verkaufs am heutigen Morgen waren die Server dann auch vom Ansturm der sofort spielwilligen Frühkäufer überlastet. Das ist allerdings bei netzgebundenen Spielen inzwischen nicht mehr ungewöhnlich. Bereits nach kurzer Zeit hatte die Server-Situation sich normalisiert. Nur sporadisch klagen jetzt noch Spieler über Verbindungsabbrüche.

Erste Spielstunden mit der Verkaufsversion haben das mit hohen Erwartungen überhäufte Spiel bei manchen Rollenspielern entzaubert. Es wird deutlich, dass Blizzard nicht das ultimative Rollenspiel liefern wollte, sondern eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers mit neuer Rücksicht auf Gelegenheitsspieler.

So wird vielfach Kritik an der Grafik laut, die einen Comic-ähnlichen Stil mit Anklängen an den Blizzard-Online-Erfolg World of Warcraft pflegt. Verglichen mit den Grafik-Leckerbissen unter den epischen Rollenspielen wie etwa Skyrim wirkt die Diablo-III-Grafik trotz zahlreicher Effekte eher grobschlächtig. Allerdings kann man sie in hoher Auflösung genießen – selbst bei 2560 × 1440 läuft das Ganze auf PC-Systemen der aktuellen Mittelklasse flüssig. Business-Notebooks sind den Anforderungen nicht gewachsen.

Bei Diablo II markierte nach dem Erscheinen des Add-ons die Auflösungsstufe 800 × 600 das Maximum. Zuvor war das Spiel gar auf 640 × 480 beschränkt – beides galt bereits damals als nicht mehr zeitgemäß. Auch im neuen Spiel prägt die Schrägdraufsicht-Perspektive den visuellen Eindruck. Sie bietet guten Überblick, begrenzt aber zugleich das, was man an Details von Gestaltung und Animation der Akteure sehen kann.

Verglichen mit seinem Vorgänger zeigt Diablo III insgesamt weniger Spieltiefe. So gibt es beispielsweise nicht die gewohnte Fülle an Möglichkeiten, den Spielcharakter zu individualisieren. Konnte man früher beim Erreichen eines neuen Levels jedesmal die Attribute der Spielfigur nach eigenem Ermessen verbessern (pro Stufe waren 5 Punkte auf die gewünschten Attribute zu verteilen), steigert das Spiel die Werte nun automatisch nach einem festem Schema. Abgeschafft hat Blizzard auch die Talentbäume, die es erlaubten, eine zu erlernende Fähigkeit zu bestimmen. Stattdessen werden Fähigkeiten nun automatisch freigeschaltet, wenn man aufsteigt.

Darüber hinaus gibt es Runen, die ebenfalls automatisch freigeschaltet werden. Jede Fähigkeit einer Spielfigur lässt sich mit mehreren Runen aufbessern. Es kann aber immer nur eine solche Rune aktiv sein; man muss also wählen, welche man aktiviert.

Eine Vereinfachung, die für manchen ebenfalls eine Verflachung bedeutet: Gegenstände müssen nicht mehr länger durch Zauberei identifiziert werden, sondern der Spielcharakter erkennt von allein, was er gefunden hat.

Wie bei Diablo II gibt es auch jetzt wieder Edelsteine, die man in die Sockel von Rüstungen und Waffen einbauen kann, um die betreffenden Ausrüstungsgegenstände zu verbessern.

Gegenstand von viel Kritik ist das ins Spiel eingebettete Auktionshaus. Es erlaubt den Spielern, Waffen und Rüstungen, die sie selbst nicht nutzen können, zu versteigern. Zur Zeit funktionieren diese Auktionen noch mit virtuellem Geld. Allerdings soll später eine Echtgeld-Variante folgen, bei der man mit realer Währung Items erwerben kann und bei der Blizzard an jeder Transaktion mitverdient.

Rollenspiele – auch die Action-orientierten Vertreter des Hack'n'Slay-Genres – werden traditionell stark durch die Struktur der zu spielenden Charakterklassen geprägt. Bei Diablo III gibt es derer fünf: Während der Barbar mit schwerer Rüstung im Nahkampf glänzt, zeigt der Dämonenjäger seine Stärken im Fernkampf und beim Umgang mit Fallen. Der Mönch, der nur leichte Rüstung trägt, ist ein geschickter Nah-Akteur. Der Hexendoktor kann sich Untote als Unterstützung beim Kampf zunutze machen, während die Zauberin eine Spezialistin für magische Attacken und Fernkampftricks ist.

Zwei Typen von Handwerkern im Spiel können für den Spieler nützliche Gegenstände herstellen, wenn er ihnen die passenden Materialien bringt: der Schmied und der Juwelier.

Besonderes Augenmerk haben die Entwickler auf das netzgestützte Multiplayer-Spiel gelegt. Gemeinsam mit anderen Spielern geht man auf Monsterjagd. Dafür braucht man ihre E-Mail-Adresse oder ihren "Battletag" – das ist der Name eines Spielers im Battle.net.

Bei Multiplayer-Sessions hat jeder Teilnehmer eine Standarte. Diese Kennzeichen lassen sich einfärben und zusätzlich mit Symbolen verzieren. Je weiter man im Spiel vorankommt und je mehr Achievements man freischaltet, umso mehr Symbole stehen zur Verfügung.

Insgesamt folgt Diablo III mit seinem Konzept der Blizzard-Tradition, zugunsten langfristig angelegter Spielzyklen auf Stauneffekte und vordergründige Sensationen zu verzichten. Selbst wer viele Tage lang spielen wird, hat das Potenzial des Spiels für Entdeckungen und die Möglichkeiten des taktischen gemeinsamen Einsatzes damit nur angekratzt. (psz)