Was tun?

Was passiert, wenn stocknüchterne Ingenieure versuchen, eine Aussage über die technologische Zukunft in 20 Jahren zu machen? Nun, das Ergebnis könnte aufregender sein.

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Was für ein Unterschied. Was passiert, wenn das IEEE über die Technologien diskutiert, die unsere Welt in 20 Jahren formen werden? Dann sitzen da - großzügig geschätzt - ein paar hundert Leute zusammen. Der Altersschnitt dürfte sich um die 40 bewegen. Kontrovers ist das Meeting selten - es wird eher entspannt geplaudert, obwohl die Frage, wie unsere technische Zukunft aussieht, doch eigentlich höchst spannend ist.

Ganz anders dagegen vor kurzem in Berlin. Die Netzkonferenz re:publica, ursprünglich als Austausch innerhalb der aufkommenden deutschen Blogger-Szene gedacht, platzte aus allen Nähten. Auch wenn mein Kollege Robert Thielicke von der inhaltlichen Substanz der Veranstaltung nicht sonderlich überzeugt war, haben dort doch tausende von - meist recht jungen Leuten - engagiert über alles diskutiert, was mit dem vernetzten Leben im Internet zusammenhängt.

Dabei ist die oder besser das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) durchaus keine weltferne, esoterische Vereinigung: Mit mehr als 400.000 Ingenieuren aus den Bereichen Elektrotechnik und Informatik in über 150 Ländern ist das IEEE der größte technische Berufsverband der Welt. Das ist durch und durch geerdet - eng verknüpft mit der Hightech-Industrie dieser Welt. Wenn diese Leute nicht wissen, wovon sie reden, wer dann? Warum wird eine Tagung, auf der Ingenieure, die direkt aus den Konstruktionsbüros der Zukunft kommen, um über die technischen Trends der nächsten 20 Jahre zu diskutieren, nicht überrannt von neugierigen Studierenden, Netizens, Hackern Tüftlern, Visionären und Bastlern?

Ist da zuviel Vernunft im Spiel? Zuviel nüchterne Kalkulation? Kann sein. Der Fortschritt ist eine Schnecke, und der tägliche Umgang damit prägt auch Menschen wie Mauricio Dècina. Der Professor von der Polytechnischen Hochschule Mailand leitet die Tagung. Stolz zeigt er auf die Anstecknadel an seinem Revers, die ihn als „IEEE Fellow“ ausweist - als Mitglied mit besonderen technischen Verdiensten. „Ich habe den Fellow-Pin seit 1986. Ich habe ihn bekommen für meine Arbeiten zur Sprachübertragung in paketbasierten Netzen“, erzählt Dècina. „!986. Das war rund 20 Jahre bevor ein Unternehmen wie Skype auf den Markt erschienen ist. Es braucht viel Zeit, aus einer Idee ein Produkt zu machen. Das sagen wir den Leuten immer wieder.“

Dabei gibt es nicht nur die Mühen der Ebene. Es gibt auch für Ingenieure große Herausforderungen: Den Traum, eine bessere Welt zu bauen, mit genügend billiger Energie für alle, sauberem Wasser, Kommunikation und Zugang zu Kultur und Bildung. „Wir lernen Mathematik, Physik, Chemie und Biologie im Studium“, sagt ein Teilnehmer nach einem Vortrag. „Da geht es immer darum, zu lernen, wie die Welt ist. Aber was wir den jungen Leuten sagen müssen, ist, dass Entwicklung neuer Technologien eine kreative Sache ist. Wie Musik oder Kunst.“ Keiner hat gelacht. Vielleicht müssen sich die Ingenieure nur trauen, das öfter zu sagen. Oder noch besser: aktiv zu leben. “Die beste Art, die Zukunft richtig vorherzusagen“, hat der Informatiker Alan Kay- Erfinder der objektorientierten Programmierung - gesagt“, "ist, sie selbst zu erfinden“.

(wst)