Zypries verschärft Kritik an Online-Razzien

Wegen einer Handvoll rechtlich möglicher Online-Durchsuchungen dürfe man nicht die IT-Sicherheit "kaputt machen", meint die Bundesjustizministerin. Auch der CCC erneuert seine Kritik, während Unionspolitiker weiter auf die Online-Duchsuchung setzen.

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Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat ihre Kritik an heimlichen Online-Durchsuchungen durch das Bundeskriminalamt (BKA) verstärkt. Die SPD-Politikerin geht davon aus, dass wegen der engen grundrechtlichen Vorgaben und der Notwendigkeit zur Beachtung des absolut geschützten Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung pro Jahr nur drei bis vier der heftig umstrittenen Maßnahmen durchgeführt werden dürften. Dass dafür aber die in Deutschland aufgebaute IT-Sicherheit "kaputt gemacht" wird, hält sie laut einem Bericht des Darmstädter Echo für unverhältnismäßig. Die Ministerin sprach sich demnach bei einem Besuch des Darmstädter Zentrums für IT-Sicherheit (DZI) am Dienstag erneut dagegen aus, dass der Staat Sicherheitssysteme knackt und private Computer oder Speicherplattformen im Netz ausspäht.

Im DZI, das die Initiative "Land der Ideen" als einen von 365 Orten des Jahres 2007 wegen seiner fachübergreifenden Sicht auf die IT-Sicherheit ausgezeichnet hat, äußerte sich auch Manfred Dietrich, Leiter des Bereichs Information und Kommunikation im Bundesforschungsministerium. Eine mit heimlichen Online-Durchsuchungen gleichsam "perforierte Firewall" widerspreche dem Ziel der Bundesregierung, die IT-Sicherheit immer weiter zu verbessern. Dietrich stellte sich damit gegen den eigentlich für Sicherheitsfragen zuständigen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der mit Rückhalt von Kanzlerin Angela Merkel auf eine rasche Einführung einer Lizenz zum erweiterten Online-Schnüffeln im Rahmen der umstrittenen Novelle des BKA-Gesetzes pocht.

Seine Kritik an den geplanten Netzbespitzelungen ebenfalls erneuert hat der Chaos Computer Club (CCC). "Einen ultimativen Bundestrojaner gibt es nicht", betonte Constanze Kurz als Vertreterin der Hackervereinigung gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Das Entdeckungsrisiko der Spionagesoftware sei auf jeden Fall groß. Und sei der Verdächtige einmal vorgewarnt, könne er das BKA gezielt mit Falschinformationen versorgen. Noch unangenehmer werde es für die Sicherheitsbehörden, wenn die für die Spyware aufgemachte Sicherheitslücke von anderen Hackern entdeckt, mitgenutzt oder sogar veröffentlicht werde: "Ein Bekanntwerden der ausgenutzten Sicherheitslücke wäre der Super-GAU für das BKA", warnt Kurz, die auch von "Abwerbeversuchen" zur Hilfe bei der Programmierung der Schnüffelsoftware in den CCC-Reihen berichtete.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat dagegen die Forderung der Union nach verdeckten Online-Durchsuchungen auf Abgeordnetenwatch verteidigt. Diese müssten "natürlich an harte Vorgaben gebunden werden". Eine richterliche Verfügung sei hier unumgänglich, was der SPD aber bei weitem nicht ausreicht. Zugleich wies Pofalla Kritik an Schäubles Überlegungen zum Umgang mit potenziellen Terroristen und "Gefährdern" nachdrücklich zurück. "Bei der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus helfen Denkverbote nicht weiter", schloss sich der Generalsekretär der CDU-Vorsitzenden Merkel an.

Auch Christian Schmidt, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, hat eine Lanze für die Ausweitung der Netzüberwachung gebrochen. "Das Internet hat sich zu einer modernen Tatvorbereitungswaffe für Terroristen und andere schwere Straftäter entwickelt", erklärt der CSU-Abgeordnete. "Dort findet man Bombenbauanleitungen, Propaganda für den heiligen Krieg bis hin zu gezielten Aufforderungen oder Verabredungen zu terroristischen Anschlägen." Dem Bundeskriminalamt müsse es deshalb möglich sein, auf diese neuen Herausforderungen "angemessen und wirkungsvoll reagieren zu können". Ein unverzichtbares Instrument sei dabei der verdeckte Zugriff auf Computer von Terroristen. Nur so könnten die Daten vor einer Verschlüsselung ausgelesen werden.

"Die Privatsphäre des Einzelnen bleibt selbstverständlich gewahrt", versicherte Schmidt zudem pauschal. "Es geht bei Online-Durchsuchungen um gezielte Maßnahmen gegen einzelne hochprofessionelle schwerkriminelle Terroristen." 99 Prozent aller Menschen in Deutschland würden davon nie betroffen sein. Niemand denke bei der Maßnahme an eine "Schleppnetzfahndung" im Internet. Der Richtervorbehalt würde gewahrt und für eine "verfassungskonforme Online-Durchsuchung" sorgen.

Die heimliche Online-Durchsuchung von Computern stößt bei vielen Datenschützern und Juristen auf Skepsis. Sie melden grundsätzliche Bedenken an und warnen vor eventuell angestrebten Grundgesetzänderungen. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)