Experten: Facebook höhlt Jugendschutz aus

Pornografie, Mobbing, rechtsradikale Parolen: Experten finden Tausende von Jugendschutzverstößen im Internet. Besonders soziale Netzwerke wie Facebook sind ins Visier der Online-Fahnder geraten.

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Facebook höhlt nach Einschätzung von Experten den Jugendschutz aus. Zwar seien die Voreinstellungen bei den Profilen minderjähriger Nutzer inzwischen sicherer geworden, geht aus dem Jahresbericht (PDF-Datei) der Organisation jugendschutz.net hervor. Diese Konfigurationen reichten jedoch nicht aus, um für ausreichend Sicherheit zu sorgen.

Die länderübergreifende Stelle jugendschutz.net kontrollierte 2011 unter anderem 50.000 Angebote im Internet, darunter 20.000 Websites und 20.000 Profile in sozialen Netzwerken. Insgesamt gingen die Jugendschützer gegen mehr als 3400 Verstöße auf klassischen Seiten vor, im Web 2.0 (Soziale Netzwerke/Plattformen) wurden rund 6650 registriert. Beispielsweise sei die Zahl der dokumentierten Pro-Ana-Angebote, in denen sich Jugendliche in ihren Essstörungen gegenseitig bestärken, mit 616 anhaltend hoch. Davon seien aber mit 341 nur noch die Hälfte klassische Websites gewesen; im Vorjahr waren es 423.

In den vergangenen beiden Jahren entwickelte sich Facebook unter deutschen Kindern und Jugendlichen zum Marktführer. Gleichzeitig verlören deutsche Plattformen stark an Boden, erklärten die Experten. "Mit dieser Entwicklung werden in Deutschland erreichte Standards zunehmend obsolet." Die Recherchen von jugendschutz.net belegten, dass problematische oder sogar gefährdende Inhalte und Kontakte in Sozialen Netzwerken durchaus üblich sind. "Das Beschwerdemanagement müsste verbessert werden", fordern die Jugendschützer. Facebook sollte nicht nur auf Meldungen rascher reagieren, sondern auch eigene Initiativen gegen jugendgefährdende Inhalte ergreifen.

Auch habe sich die Nutzung des Internet stark verändert. Jugendliche seien mit Smartphones und Tablet-Computern überall online, selbst kleine Kinder hätten Zugang zum Internet. Apps würden nicht richtig kontrolliert, gefährdende Inhalte seien in ausländischen Stores frei zugänglich. Derzeit gebe es aber keine wirksamen Schutzlösungen für mobile Internetgeräte.

Kinderpornografie im Internet nimmt laut jugendschutz.net generell zu. Mehr als die Hälfte der knapp 3000 kinderpornografischen Fälle sei 2011 nach Hinweisen von Partnerorganisationen und Internetnutzern entdeckt worden. "Jeder gesichtete Hinweis führte im Schnitt zu einem weiteren kinderpornografischen Angebot", heißt es im Jahresbericht.

Auch das Problem des Rechtsextremismus habe sich verschärft. So kletterte etwa die Zahl rechtsextremer Twitter-Accounts in die Höhe. Die NPD habe die Nutzung der Mitmachnetze zur Strategie erklärt. 2011 seien alle Landesverbände dort aktiv gewesen. Auch Neonazikameradschaften werben beispielsweise für Events über Dienste wie Facebook und YouTube. 94 Prozent der Web-2.0-Mobilisierung finde dort statt.

Die Mobbingplattform IShareGossip ist zwar inzwischen nicht mehr erreichbar, das Problem des Cyberbullyings bleibt jedoch virulent, hat jugendschutz.net festgestellt. Neben einer stärkeren Vorsorge durch Betreiber von Communitys müssten Jugendliche besser über Mobbing aufgeklärt und für die Folgen der Betroffenen sensibilisiert werden.

Seit Dezember 2011 sichtet und analysiert jugendschutz.net erstmals systematisch islamistische Angebote im Netz. Damit wollen die Experten herausfinden, welche Gefahren von deutschsprachigen Angeboten für Jugendliche ausgehen und was dagegen unternommen werden kann. Eine vom Bundesfamilienministerium finanzierte Auswertung soll folgen. (mit Material von dpa) / (anw)