Softwarepatente: Zahlreiche Änderungsanträge an der Ratslinie aus dem EU-Parlament

Eine Reihe von Abgeordneten hat zum Teil weit reichende Verbesserungsvorschläge für die umstrittene Patentrichtlinie eingebracht, während Industrieverbände an der Version des EU-Rates festhalten.

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Eine Reihe von EU-Abgeordneten hat im Rechtsausschuss zum Teil weit reichende Verbesserungsvorschläge für die umstrittene Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" eingebracht. Die Einreichungsfrist für Änderungsanträge für die 2. Lesung lief am gestrigen Mittwoch ab. Viele Fachpolitiker im EU-Parlament sind demnach unzufrieden mit dem Papier des EU-Rates (PDF), das die Minister nur nach langen Verzögerungen im März formal verabschieden konnten. Sie fordern insbesondere eine genauere Definition des "technischen Beitrags", den eine computergestützte Erfindung erfüllen soll. Dabei bestehen sie auch auf der umkämpften Formel von den erforderlichen "Auswirkungen auf die Naturkräfte". Zudem machen sie sich für Ausnahmen vom Patentschutz zur Sicherung der Interoperabilität im Computerbereich stark.

Die meisten Eingaben bemühen sich auf unterschiedlichen Wegen, Software an sich wasserdicht von der Patentierbarkeit auszuschließen. Der französische Parlamentsberichterstatter Michael Rocard von den Sozialisten etwa hält in seinem Antrag mit 39 Änderungen gemäß seines bereits veröffentlichten Arbeitspapiers vornehmlich an der softwarepatent-kritischen Linie aus der 1. Lesung fest. Auch die Grünen haben dem damaligen Kompromiss wenig hinzuzufügen, aber einige Artikel sprachlich neu gefasst. Beide Seiten sprechen allgemein von der Patentierbarkeit "computergestützter" statt "computerimplementierter" Erfindungen. Nur Software könne nämlich in einem Computer implementiert werden, diese dürfe aber ja nicht patentierbar sein, so ihre Argumentation. Ebenso sollen ihrer Ansicht nach Monopolansprüche auf Computerprogramme, mit der schon die reine Veröffentlichung von Software eine Patentverletzung darstellen könnte, dezidiert ausgeschlossen werden.

Streng mit dem Ratstext zu Gericht geht auch die zweite Parlamentskoordinatorin, die als Schattenberichtserstatterin fungierende Christdemokratin Piia-Noora Kauppi. Die Finnin möchte sicherstellen, dass das Europäische Patentamt nicht mehr größtenteils unkontrolliert von den EU-Mitgliedsstaaten Patentierungsgrundsätze durch eigenwillige Interpretation ausdehnt. Schon in den Erwägungsgründen will Kauppi ferner das Patentsystem in Zaum und Konflikte mit kreativen Freiheiten und Nutzerrechten sowie eine rechtliche Unsicherheit und wettbewerbsfeindliche Auswirkungen in "vernünftigen" Grenzen halten.

Von den zweideutigen Formulierungen im Ratstext, wonach Computerprogramme unter gewissen Umständen doch patentrechtlich geschützt werden könnten, bleibt bei der Vertreterin der Volkspartei nichts mehr übrig. Vielmehr hält sich Kauppi an das Europäische Patentübereinkommen, demnach Software "als solche" nicht mit einem erweiterten Monopolschutz belegt werden kann, und setzt sich für bindende Ausführungen dieser Grundbedingung ein. Patentverletzungen für nicht-kommerzielle Zwecke sollen nach Ansicht der Konservativen erlaubt sein.

Die Änderungsanträge der Christdemokratin überraschen, weil sich andere Rechtspolitiker ihrer Fraktion bei einer ersten Aussprache zu Rocards Rahmenpapier auf die Seite des Rates schlugen. Anfang der Woche bekundete auch der CSU-Experte für die Richtlinie im EU-Parlament, der Bayreuther Joachim Würmeling, dass ihm die Vorschläge Rocards "noch zu weit" gehen. Er befürchtet "gravierende Nachteile" für die Wettbewerbsfähigkeit Europas, wenn der Patentschutz zu stark eingeschränkt würde. Computergestützte "Premium-Innovationen" seien nicht mehr vor "Ideenklau" sicher, fürchtet er. Würmeling hat aber auch eine "Grauzone in diesem diffizilen technischen und juristischen Feld" ausgemacht, die ihm Kopfschmerzen bereite.

Jenseits aller Zweifel kämpft der Industrieverband EICTA weiter für die "Bewahrung der langjährigen Patenterteilungspraxis für computerimplementierte Erfindungen, so wie vom EU Ministerrat vorgesehen." Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) könnten oft nur über den Nachweis vorhandener Patente notwendiges Wagnis- und Beteiligungskapital gewinnen, behauptet die Branchenvereinigung in einer aktuellen Mitteilung. Sie hält damit an ihrem umstrittenen Kurs fest, als "Stimme des Mittelstands" aufzutreten. Für eine Sitzung der KMU-Arbeitsgruppe im EU-Parlament am 11. Mai ist zudem mit Francisco Mingorance von der Business Software Alliance (BSA) ein Vertreter einer Organisation geladen, die von Größen wie Microsoft, Intel oder SAP dominiert wird, nicht für eine mittelständische Verwurzelung bekannt ist und ebenfalls dem EU-Rat den Rücken gestärkt hat. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hält am 1. Juni mit einem Symposium dagegen. Dort wollen die Softwarepatentgegner eine Zusammenstellung von Änderungsanträgen zur Debatte stellen, die ihnen nach Gesprächen mit wissenschaftlichen Beratern wie dem französischen Rechtsprofessor Michel Vivant als aussichtsreich erscheinen. Allerdings hat das Bundesjustizministerium inzwischen für diesen Termin einen neuen Runden Tisch zum Thema Softwarepatente anberaumt, was dem FFII nicht zupass kommt. Die entscheidende Plenarabstimmung im Parlament soll Anfang Juli stattfinden.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (axv)