Bundesregierung will Datenschutz im Internet einschränken

Nach dem Entwurf für ein Telemediengesetz sollen Marktplätze wie eBay ihre Kunden bespitzeln dürfen. Auch Auskunftsansprüche zur Herausgabe von Nutzerdaten sind geplant.

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Nach dem Referentenentwurf für ein Telemediengesetz (TMG) (PDF) aus dem Bundeswirtschaftsministerium dürfen Online-Verkaufshäuser und andere Telemedienfirmen ihre Kunden künftig besser überwachen. Den Anbietern von Tele- und Mediendiensten soll es laut § 15 gestattet sein, personenbezogene Daten der Nutzer für "Zwecke der Rechtsverfolgung" zu erheben, zu speichern, zu verändern oder an andere Parteien zu übermitteln. Voraussetzung ist, dass "tatsächliche Anhaltspunkte" für eine nicht erlaubte Nutzung von Diensten vorliegen. Gilt diese Genehmigung für das digitale Pendant zur Rundum-Videoüberwachung in Kaufhäusern bis jetzt nur beim Verdacht auf Gebührenprellerei, soll sie nun ausgeweitet werden auf jegliche Absicht von Kunden, "die Dienste rechtswidrig zu Lasten des Diensteinhabers oder Dritter zu nutzen".

Größter Nutznießer der Gesetzesänderung wären Auktionshäuser mit vielen Betrugsversuchen, weswegen das TMG in der Branche als "Lex eBay" firmiert. Die Verfasser des Entwurfs schreiben, dass die Neufassung "insbesondere angesichts des Erfordernisses der Betrugsbekämpfung bei Internet-Marktplätzen wie eBay von erheblicher Bedeutung" sei. Datenschützer befürchten dagegen, dass der Gesetzgeber mit der unbestimmten Passage einer "Blockwartmentalität" von Anbietern Tür und Tor öffnet. Sie verweisen darauf, dass sich eBay zunächst selbst um die Absicherung seiner Plattform mit verlässlichen Authentifizierungsmethoden kümmern sollte.

Der TMG-Entwurf liebäugelt auch mit einem erweiterten Auskunftsanspruch zur Herausgabe von Nutzerdaten durch Internet-Provider. "Die Überlegungen innerhalb der Bundesregierung zu Fragen der Rechte und Pflichten im Hinblick auf die Auskunfterteilung sind noch nicht abgeschlossen", besagt zwar eine Fußnote. Eine vorbereitende Klausel findet sich aber schon in § 12: "Der Dienstanbieter darf nach Maßgabe der hierfür geltenden Bestimmungen Auskunft über personenbezogene Daten an berechtigte Stellen und Personen erteilen", heißt es dort.

Die Neufassung könnte etwa Urheberrechts-, Patentrechts- oder Markenrechtsinhabern die Schlüssel zur Abfrage persönlicher Informationen in die Hand drücken. Die konkreten materiellen Voraussetzungen dafür müssen aber noch in anderen Gesetzen geschaffen werden. Dies bereitet das Bundesjustizministerium für den Bereich des geistigen Eigentums im Rahmen der Umsetzung der umstrittenen "Durchsetzungsrichtlinie" der EU gerade schon vor.

Weiter prüft die Bundesregierung, ob Bestandsdaten wie Name und Anschrift von Nutzern analog zum Telekommunikationsgesetz (TKG) in einem Auskunftsverfahren vereinfacht Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt werden müssen. Geplant ist ferner die Absenkung des Datenschutzniveaus bei E-Mail, VoIP und Internet-Zugang auf TKG-Ebene: Wer keine Werbenachrichten vom Anbieter will, müsste sich gesondert dagegen aussprechen.

Eine Reihe von Bürgerrechtsorganisationen wie die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) oder Stop1984.com hatte jüngst demgegenüber dazu aufgerufen, im Rahmen des "Internet-Gesetzes" die Privatsphäre der Nutzer deutlich zu stärken. Die Vertreter der Zivilgesellschaft forderten unter anderem die Anerkennung eines expliziten "Telemediennutzungsgeheimnisses", da die Anwender in elektronischen Medien mit jedem Klick Datenspuren hinterließen und deutlich einfacher als in der physischen Welt auszuspionieren seien. Insbesondere machten sie sich für eine Stärkung der -- auch vom TMG prinzipiell geforderten -- anonymen Nutzungsmöglichkeiten von Tele- und Mediendiensten stark.

Eigentliches Anliegen des Gesetzgeber ist es, die bislang in zahlreichen Einzelgesetzen geregelten Bestimmungen zur Haftungsverantwortlichkeit von Providern und zum Datenschutz in Tele- und Mediendiensten zusammenzuführen. Zahlreiche Abgrenzungsprobleme des von sich aus unscharfen Konstrukts der Telemedien zur Telekommunikation und zum Rundfunk löst der Entwurf aber nicht. Einzelne Dienste "wie die Übertragung von E-Mail, der Internet-Zugang und die Internet-Telefonie" sollen vielmehr künftig sowohl dem TMG als auch dem TKG "unterfallen".

Unpräzise verläuft auch die Grenze zu "journalistisch-redaktionell gestalteten Telemedien", welche die Länder im Rundfunkstaatsvertrag in einem neuen Unterabschnitt regeln wollen (PDF). Laut TMG-Entwurf sollen auch Internet-Radios, Live-Streamings und Webcasting als Rundfunk gelten. Deren Anbieter müssten dann eine Zulassung nach Landesrecht stellen, während Telemedien an sich zulassungsfrei bleiben. Für Telemedien mit redaktioneller Ausgestaltung sind zudem besondere Auflagen zur Prüfung der verbreiteten Inhalte vorgesehen. Wer "vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild" wiedergibt, muss einen namentlich genannten verantwortlichen Ansprechpartner angeben. Eine Anhörung zu dem Gesetzesvorhaben findet am Freitag im Wirtschaftsministerium statt. (Stefan Krempl) / (anw)