Heftige Proteste gegen geplante französische Urheberrechtsverschärfung

Knapp 120.000 Organisationen und Nutzer haben eine Petition gegen den Gesetzesentwurf unterzeichnet, Entwickler freier Software und Befürworter einer offenen Wissensallmende laufen Sturm gegen die Vorlage.

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Am heutigen Dienstag startet die Debatte im französischen Parlament über einen umstrittenen Gesetzesentwurf der Regierung in Paris, mit dem Frankreich die EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht umsetzen will. Der Vorschlag geriet Anfang Dezember insbesondere auf Grund von Änderungsanträgen aus Industriekreisen in die Schlagzeilen. Mit ihnen soll Software für den Dateitransfer verboten werden, die Rechtsverletzungen nicht durch eingebaute Kopierblockaden mit Hilfe von Techniken zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) verhindert. Seitdem haben knapp 120.000 Organisationen und Nutzer eine Petition des Info-Zentrums EUCD.info unterzeichnet. Darin fordern sei die Rücknahme des Entwurfs für die Urheberrechtsnovelle (DADVSI) und eine gründliche Diskussion des Vorhabens.

Die Proteste gegen die Inhalte des Gesetzesvorhabens und die plötzliche Eile bei der Verabschiedung kommen von allen Seiten. Allein die Unterhaltungsindustrie, Branchenverbände wie die Business Software Alliance (BSA) oder Verwertungsgesellschaften zeigen sich mit dem Verlauf ihrer Vorarbeiten zufrieden. Gerade bei den Entwicklern freier Software herrschen dagegen Existenzängste vor. "Ich fürchte, dass wir unsere Zelte hier abbrechen müssen", erklärte Dams Nadé, Mitentwickler des Open-Source-Projekts rpm.livna.org, gegenüber heise online. Bisher werde die Domain, über die das Team unter anderem Multimedia-Player für die Linux-Distribution Fedora Core bereithält, in Paris gehostet. Was bei Verabschiedung des Gesetzes durch die Abgeordneten damit passiere, sei unklar. Die Site in einen anderen Teil der "freien Welt" zu verlagern, reiche wohl nicht aus, da Franzosen sich überhaupt nicht mehr an derlei Projekten beteiligen dürften.

"Um den Tod der Privatkopie sicherzustellen, schreibt der Gesetzesentwurf den Einbau von DRM zwingend für alle digitalen Medien und Netzwerkprotokolle vor", erläutert Nadé seine Ängste. "Jede direkte oder indirekte Möglichkeit, DRM zu umgehen, würde streng verboten." Die Folgen für Sicherheitsforscher, Journalisten, öffentliche Bibliotheken und freie Software wären verheerend. Das Abspielen kopiergeschützter DVDs unter Linux etwa würde mit dem Gesetz illegal. Das gelte auch für künftige kopiergeschützte Medienformate. "Wenn man das noch mit den Plänen zur Integration von TCPA-Chips in die PC-Hardware kombiniert, muss man davon ausgehen, dass Linux eines Tages in Frankreich für illegal erklärt wird", spekuliert Nadé. Sollten sich Verwertungsgesellschaften mit ihrem Ruf nach einer Änderung der Lizenzen für freie Software durchsetzen, würde der Entwickler dies als "schwere Zensur" und unwürdig für ein Land empfinden, das sich die Freiheit zu einem Verfassungsgrundsatz auserkoren hat.

Schon vor Bekanntgabe der Änderungsanträge hatte der Computerwissenschaftler und Autor Philippe Aigrain bei einer Anhörung im Herbst vor der Verabschiedung des Gesetzes gewarnt. Die freiwillige Schaffung einer Wissensallmende mit Hilfe tausender Beteiligter im Internet, die eine Basis der kulturellen Entwicklung darstelle, werde durch das Vorhaben bedroht, führte der Unterstützer der "Creative Commons"-Initiative aus. Vor allem dürfe die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke nicht "einem Urteil anheim gestellt werden, das in ein technisches Gerät eingebaut ist". Zumal, wenn die Parameter unter dem Druck "spezifischer kommerzieller Interessen" festgelegt worden seien. Dahinter stehe allein die Angst, dass künftig jeder selbst bestimmen könne, wann er wo und wie sich unterhalten lassen, spielen oder selbst Werke komponieren oder aufnehmen will.

Der französische Kultusminister Renaud Donnedieu de Vabres hat die Pläne derweil verteidigt. Der Entwurf bringt seiner Meinung zwei Werte miteinander in Einklang: die legitime Vergütung der Urheber und die Teilhabe möglichst vieler Bürger an Kultur und Wissen. Die Privatkopie werde gerade erst durch das Gesetz garantiert, indem der Entwurf zunächst einmal die Entstehung neuer Werke sichere. Der Schutz technischer Schutzmaßnahmen erlaube der Wirtschaft, neue Geschäftsmodelle wie den Online-Vertrieb zu Gunsten des Verbrauchers einzuführen, sieht der Minister die Sache positiv. Die von einem Änderungsantrag vorgesehene gesetzliche Verankerung der "abgestuften Antwort" auf Rechtsverletzungen in Tauschbörsen vermeide ferner eine vorschnelle Abstempelung von Nutzern als Verbrecher.

Auf Drängen der Unterhaltungsindustrie praktizieren Provider in Frankreich ein Verfahren, in denen auffällig werdende Filesharer beim Verdacht auf Urheberrechtsverstöße automatisch per E-Mail auf ihre möglichen Vergehen hingewiesen werden. Ändern die ins Visier genommenen Nutzer ihr Verhalten nicht, kann dies bis zum Abzwacken der Netzverbindung führen. Der entsprechende Antrag zur Kodifizierung dieser Praxis sieht nun vor, dass Privatkopierer bei Missachtung der Warnung 150 Euro bis 33.000 Euro Strafe im Wiederholungsfall zahlen müssen. Bei Verstößen im gewerblichen Umfeld drohen Bußgelder bis zu 300.000 Euro. Ein neu zu etablierender "Mediationsrat" soll als Aufsichtsbehörde über die Ausführung dieses Ansatzes zur Bekämpfung von Raubkopien wachen. Daten- und Verbraucherschützer kritisieren die Praxis als unverhältnismäßig und wehren sich gegen Bestrebungen der EU-Kommission, eine solche Prozedur EU-weit zu implementieren.

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(Stefan Krempl) / (jk)