Provider: "Fass läuft über" durch sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco sieht die Zugangsanbieter mit der geplanten Pflicht zur sechsmonatigen Protokollierung von Verbindungs- und Standortdaten an der Belastungsgrenze angelangt.

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Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco sieht die Zugangsanbieter mit der geplanten Pflicht zur sechsmonatigen Protokollierung von Verbindungs- und Standortdaten an der Belastungsgrenze angelangt. "Irgendwann läuft das Fass einmal über", betonte der Rechtsexperte der Providervereinigung, Oliver Süme, am heutigen Mittwoch bei einem Pressegespräch in Berlin. Schon seit Jahren sei die Telekommunikationsüberwachung mit hohen finanziellen Belastungen verbunden, wobei hoheitliche Aufgaben der Strafverfolger an die Wirtschaft übertragen würden. Jetzt werde hierzulande von der Politik nicht einmal über eine Kostenerstattung gesprochen, obwohl diese in den Brüsseler Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehen seien und die Anforderungen an die Provider deutlich wachsen würden. "Der Staat muss die Musik bezahlen, die er bei den Hilfssheriffs bestellt hat", forderte Süme.

Die genauen Kosten für die Vorratsdatenspeicherung kann der eco noch nicht nennen. Diese würden erst mit der Ausführung der technischen Umsetzung deutlich, erläuterte eco-Technikvorstand Klaus Landefeld. Viel hänge von den Fragen ab, wie und wann die Daten geliefert werden müssten, also ob etwa innerhalb von ein paar Stunden, auch abends und am Wochenende oder im Lauf einer Woche. Dies sei für den Aufbau der Systeme zur Datenerfassung aber essenziell. Es gebe auch noch keine Aussage, "wie sicher die Speicherung sein muss und wer im laufenden Betrieb Zugriff haben darf". Die eigentliche Speicherung sei "sehr teuer", stelle aber nicht den größten Teil der Kosten dar. Der liege vielmehr "in der Organisation der Daten außenrum", in den Anforderungen an die Systeme, "die aus dem Datenhaufen wieder etwas erarbeiten können".

Es gebe bislang keine Infrastrukturen zur Bewältigung der Vorratsdatenspeicherung, führte eco-Justiziarin Hannah Seiffert weiter aus. Die Systeme müssten "komplett neu" aufgebaut werden. Noch sei streitig, ob die Provider die Daten in ihren bisherigen Speichereinheiten ablegen dürften oder grundsätzlich separate Datenbanken aufbauen müssten. "Es entsteht ein enormer Datenspeicheraufwand, der technisch nicht trivial ist", ergänzte Süme. Die Auflagen seien "mit Rechtsunsicherheiten, erheblichen Aufwänden und Kosten verbunden". Insgesamt stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, da mit der Speicherung der Verbindungsdaten die Abfragen der Strafverfolger auch deutlich steigen würde. Zudem wüchsen die Begehrlichkeiten etwa bei der Musikindustrie. Die Kostenerstattung ist Seiffert zufolge so auch als Hürde für die Anfragezahl der Ermittler zu sehen.

Landefeld unterstrich zudem die Paradigmenumkehr: "Die Vorratsdatenspeicherung unterscheidet sich von aller Überwachung bisher." Sie sei nicht mehr auf die Ausleitung von Kommunikation für einen speziellen Anschluss ausgerichtet, sondern jetzt solle mehrere Monate im Nachhinein nachvollzogen werden, wer was mit wem gemacht hat. "Die Unschuldsvermutung gibt es gar nicht mehr", monierte der Techniker. Generell sei die Maßnahme darauf aus, diejenigen Daten zentral zu erfassen, die im Internetverkehr ursprünglich gerade nicht aufgezeichnet werden sollten. Nun seien die Ermittler etwa auch darauf aus zu erfahren, wann etwa E-Mails abgefragt werden. Schwerverbrecher könnten sich der Überwachung aber einfach entziehen: "Terroristen müssten nur ihren eigenen E-Mail-Server betreiben, und schon sind sie außen vor", gab Landefeld zu bedenken. Man geht offensichtlich davon aus, dass die Planer von Anschlägen öffentliche Dienste innerhalb der EU nutzen würden. Betroffen sei vor allem die breite Masse der Bürger, die große öffentliche Server wie GMX, T-Online oder AOL nutze.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und bei der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)