Die zentrale Steuerdatei und der "konstruierte Erregungszustand"

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat die anhaltende scharfe Kritik von Datenschützern und Oppositionspolitikern an der geplanten Ausweitung der Steuerndatenbank für alle Bundesbürger zurückgewiesen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 166 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat die anhaltende scharfe Kritik von Datenschützern, Wirtschaftsverbänden und Oppositionspolitikern an der von der Bundesregierung geplanten Ausweitung der zentralen Datenbank über alle Bundesbürger im Zuge der Einführung einer einheitlichen Steuernummer zurückgewiesen. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) bekomme keine anderen Daten als die, die heute den Finanzämtern vorlägen, sagte er am. Zudem werde darauf geachtet, dass nicht Missbrauch mit den gesammelten Informationen betrieben werden könne. Datenschützer seien auch schon "vor Monaten" einbezogen worden. Insofern hat Steinbrück "den Eindruck, das ist ein bisschen konstruierter Erregungszustand in der Sommerpause."

Auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, hält die Warnungen vor der zentralen Steuerzahlerdatei für übertrieben. Die damit einhergehende Abschaffung der Papier-Lohnsteuerkarte von 2011 an und die im Juli gestartete Vergabe lebenslanger Steuernummern sei ein echter Fortschritt, sagte er den Dortmunder Ruhr Nachrichten. Ein Vergleich mit den Mautdaten hinsichtlich einer drohenden Zweckentfremdung der sensiblen Daten, wie ihn der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar anstellte, ist für den Steuerexperten "Quatsch". Da seien neue sensible Daten erhoben worden, die neben dem eigentlichen Zweck, der Mauterhebung, auch genutzt werden könnten, um Bewegungsprofile zu erstellen. Die Daten, um die es bei der Lohnsteuer geht, würden dagegen bereits alle in den Meldeämtern existieren und seien den Steuerbehörden bekannt. Die neue Qualität des digitalen Informationsaustauschs sowie der Vernetzungs- und Zugriffsmöglichkeiten in der Datenbank spielt für Ondracek damit keine Rolle.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix erneuerte dagegen die Proteste der Hüter der Privatsphäre. Er monierte in der Frankfurter Rundschau unter anderem, dass Steuerpflichtige nur auf Antrag erfahren, was über sie gespeichert wird. Das sei ein "schwerer Verstoß gegen den Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung". Dass künftig "hochsensible, hochpersönliche Angaben" wie Familienstand und Religionszugehörigkeit an einer Stelle gespeichert würden, sei gefährlich. Dix sprach von einem "Honigtopf", der Begehrlichkeiten anderer Behörden nach sich ziehen werde. Martin Kutscha, Rechtsprofessor an der Fachhochschule für Verwaltung und Recht in Berlin, fürchtet zudem mit anderen Datenschützern, dass die Regierung "durch die Hintertür ein einheitliches Personenkennzeichen einführt".

Der Rechtsexperte der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, hat die Bedenken seiner Partei gegen die Zentraldatei und die Durchnummerierung der Bevölkerung derweil verschärft. Generell sei die Idee einer Modernisierung der Lohnsteuerverwaltung zwar zu befürworten, erklärte er im Deutschlandradio. Aber "der Vorschlag einer neuen nationalen Großdatei ist ein Überfall, der bisher parlamentarisch und demokratisch nicht legitimiert und diskutiert ist und der dringend noch im Herbst einer Überprüfung bedarf". Die Gefahr einer solchen riesigen Datenbank sei vor allem, "dass sich dort ungeheure Datenmengen ansammeln, die dann in einem sehr einfachen, blitzschnellen Verfahren auch für andere Zwecke verwendet werden können".

Die Gegner der Identifikationsnummer und der damit verknüpften Datenbank, zu denen im Bundestag etwa auch die FDP gehört, können sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung aus dem Jahre 1983 berufen. Damit begründete dem Karlsruhe das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung. Darin lehnen die Verfassungsrichter eine Maßnahme zur "Einführung eines einheitlichen, für alle Register und Dateien geltenden Personenkennzeichens oder dessen Substituts" ab. Ein solches wäre nach Ansicht der Verfassungshüter "gerade ein entscheidender Schritt, den einzelnen Bürger in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren".

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)