22C3: Biometrie live

Die Biometrie war auf dem 22C3-Kongress auch in diesem Jahr wieder ein heißes Thema. Ein kleines Experiment an den Anwesenden machte deutlich, wie leicht sich selbst Überwachungsgegner zur Fingerabdruckkontrolle nötigen lassen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit mehreren Vorträgen zur Biometrie, zum neuen ePass, zur Überwindung biometrischer Systeme und zur Geschichte der Biometrie im Genre der Science Fiction befasst sich der 22C3 hautnah mit einer Wissenschaft, der immer größere Bedeutung zukommt. Ein kleines Experiment des CCC-Experten Jan Krissler zeigte anschaulich, wie problemlos die Technik auch von Gegnern der Überwachung akzeptiert wird. Er stellte einen Fingeabdrucksensor am Eingang auf und sagte den Neuankömmlingen, sie müssten ihren Fingerabdruck registrieren lassen. Knapp 40 Prozent der Kongressbesucher akzeptierten dies ohne Murren und Protest.

Ohne Protest, aber mit Murren über die Bildanforderungen wird derzeit der ePass von der Bevölkerung akzeptiert, berichtete Krissler in seinem Vortrag zur Biometrie im ePass. Wären in den ersten Tagen seit der Ausgabe des neuen ePasses noch 83 Prozent aller Fotos abgelehnt worden, so sei die Quote mittlerweile auf 53 Prozent gefallen. Hier vermutete der Referent, dass vor allem ältere Leute Schwierigkeiten haben, aber eben nicht laut werden.

Der dichte Vortrag informierte sowohl über die Chiptechnik als auch über die Verschlüsselung und die Zugriffsmethoden auf die biometrischen Informationen. Vor allem das Verhindern des unbeaufsichtigten Auslesens der biometrischen Informationen stieß auf das Interesse des Publikums. Die Schlussbilanz für den ePass fiel alles andere als positiv aus: Weder bringe der Pass eine Effizienzsteigerung bei den Grenzkontrollen noch tauge er als Schutz vor Terroristen. Da der Pass auch mit defektem Chip gültig bleibt, sei auch der Sicherheitsgewinn minimal. Angesichts der einmaligen Einrichtungskosten von 669 Millionen Euro und jährlich auflaufenden weiteren 610 Millionen ist der Pass offenbar vor allem ein teures Spielzeug für Geeks.

Zuvor hatte der Referent im Verein mit der Informatikerin Constanze Kurz die Bio PII und ihr niederländisches Pendant, den Evaluatierapport Biometrieproef 2b or not 2b vorgestellt. Beide Untersuchungen kommen zur Schlussfolgerung, dass die Technik weder bei der Gesichts- noch bei der Fingerabdruckerkennung ausgereift genug ist, als dass ein Einsatz im großen Maßstab sinnvoll wäre. Dies entspricht im Wesentlichen den Aussagen von Biometriespezialisten.

Daran anknüpfend arbeitete der Vortrag grundsätzliche weitere Probleme heraus: Weder sei die Langzeitstabilität biometrischer Merkmale untersucht worden noch gebe es aussagekräftige Untersuchungen zur Haltbarkeit der verwendeten RFID-Chips. Unterblieben sei auch eine Analyse, wie es mit der Datensicherheit außerhalb der Schengen-Länder aussieht beziehungsweise wie und ob diese Länder die ausgelesenen Daten zu Eigenzwecken speichern. Das Fazit der Referenten: Die unausgereifte ePass-Technologie bringe keine Vorteile, erleichtere aber den Einstieg in die flächendeckende erkennungsdienstliche Behandlung der Europäer. (Detlef Borchers) (ghi)