Leber im Reagenzglas

Österreichische Forscher bauen den Enzym-Cocktail der Leber im Labor nach. Das soll Pharmafirmen helfen, den Abbau von Medikamenten zu simulieren und Nebenwirkungen frühzeitig zu entdecken.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Österreichische Forscher bauen den Enzym-Cocktail der Leber im Labor nach. Das soll Pharmafirmen helfen, den Abbau von Medikamenten zu simulieren und Nebenwirkungen frühzeitig zu entdecken.

Ob ein Medikament unerwünschte Nebenwirkungen haben wird, ist ziemlich schwer vorherzusagen. Das hängt davon ab, wie das Mittel nach getaner Arbeit von der Leber abgebaut wird. Bisher war die Wirkweise des Organs zu komplex für realistische Laborsimulationen: Pharmaunternehmen mussten die Abbauprodukte vorhersagen, chemisch herstellen und einzeln auf ihre Schädlichkeit prüfen.

Jetzt haben österreichische Forscher vom Austrian Center of Industrial Biotechnology (Acib) zusammen mit den Industriepartner Novartis und F. Hoffmann LaRoche eine Art Leber im Reagenzglas vorgestellt, mit dem der Medikamentenabbau viel genauer als bisher nachgestellt werden kann. Dafür haben sie wichtige Bestandteile des Enzym-Cocktails, mit dem die Leber abzubauenden Verbindungen zu Leibe rückt, Zutat für Zutat nachbaut: Die Forscher haben Bakterien gentechnisch so verändert, dass diese die benötigten Enzyme herstellen.

Zu den wichtigsten Bestandteilen des Leber-Cocktails gehören fünf Enzymklassen. Von diesen stand bisher allerdings nur eine Klasse (die Cytochrom P450-Enzyme) im Fokus der Forschung. Benötigt werden aber alle, denn je nachdem welche chemische Struktur der Wirkstoff besitzt, kann er nur von bestimmten Enzymen geknackt werden. Der Mix der Acib-Wissenschaftler besteht inzwischen aus zwei Enzymgruppen, die noch fehlenden sollen nach und nach dazukommen.

In ersten Tests mit der aktuellen Zusammensetzung untersuchen die Wissenschaftler derzeit den Antidepressions-Wirkstoff Moclobemid (Handelsname: Aurorix und Manerix). Die Forscher konnten bereits zeigen, dass ihre künstliche Leber sehr nah an der echten arbeitet: Weil sich mit Hilfe der Bakterien dieselben Enzymmengen herstellen lassen wie beim natürlichen Organ, entstehen im Reagenzglas auch realistische Mengen der Abbauprodukte.

„Unser Ziel ist es, jedes einzelne Enzym aus dem menschlichen Abbau-Stoffwechsel zur Verfügung zu haben“, sagt Margit Winkler vom Acib. Dann sollen Pharmaunternehmen bereits früh in der Entwicklung ermitteln können, zu welchen Abbauprodukten die neuen Wirkstoffkandidaten zerlegt werden. (vsz)