Turbosender für mobile Netze

Eine neue Funkhardware namens "CogRadio" soll den Grundstein für eine effizientere und rasantere Nutzung der zunehmend knappen Radiofrequenzen legen.

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Von
  • David Talbot

Eine neue Funkhardware namens "CogRadio" soll den Grundstein für eine effizientere und rasantere Nutzung der zunehmend knappen Radiofrequenzen legen.

Der Äther ist längst überfüllt: In einem Haus in einer Großstadt sind nicht selten ein Dutzend WLANs, etliche Festnetztelefone und Smartphones sowie digitale Fernsehgeräte auf Sendung. Das kann auf Kosten der Übertragungsqualität gehen. Ein Beratergremium der US-Regierung drängt deshalb darauf, dass sich Mobilfunkbetreiber und Forschungsgruppen des Problems annehmen. Sie sollen Lösungen finden, mit denen sich das Radiofrequenz-Spektrum effizienter nutzen lässt. Eine sind „kognitive“ Funkstationen: Sie spüren ungenutzte Frequenzen auf und schalten bei hoher Datenlast automatisch auf freie Frequenzen um – ohne dass die Nutzer davon etwas mitbekommen.

Das Start-up Radio Technology Systems aus dem US-Bundesstaat New Jersey hat hierzu nun das „CogRadio“ vorgestellt. Es arbeitet schneller und nutzt ein weiteres Frequenzspektrum als alle bisher entwickelten Geräte. Selbst bei einer Videoübertragung nimmt der Nutzer während des Frequenzwechsels kein Ruckeln wahr.

„Das ist die bislang wendigste und brauchbarste Breitbank-Funkstation, die wir in der Forschung zur Verfügung haben“, sagt Dipankar Raychaudhuri, der das Mobilfunk-Forschungszentrum der Rutgers University, Winlab, leitet. Es war an der Entwicklung des CogRadio beteiligt.

Als erstes Gerät seiner Art kann es ein Spektrum zwischen 100 Megahertz und 7,5 Gigahertz nutzen. In dem liegen UKW-Frequenzen, TV-Frequenzen sowie Frequenzen für die drahtlose Datenübertragung in WLANs und Mobilfunknetzen. Die Umschaltzeit beträgt in der Regel 50 Mikrosekunden, in einigen Fällen sogar nur eine Mikrosekunde. Ein neuer Rekord, freut sich Peter Woliansky. Der ehemalige Mitarbeiter der berühmten Bell Labs ist der Kopf hinter dem CogRadio und Gründer von Radio Technology Systems.

Die Datenübertragungsrate liegt bei 400 Megabits pro Sekunde – das Achtfache dessen, was durchschnittliche Heim-WLANs schaffen. Mehr noch: Weil das CogRadio auf mehreren Frequenzen gleichzeitig funken kann, wäre damit die simultane Übertragung von 20 HD-Filmen möglich. Vielleicht könnte mit dem Gerät demnächst kleinere Unternehmen den großen Mobilfunkbetreibern, die bislang den Wireless-Markt beherrschen, Konkurrenz machen.

Der Preis für ein CogRadio liegt derzeit noch bei 6000 Dollar. Woliansky erwartet aber, dass die Technologie deutlich billiger wird. Dann könnte sie auch für Entwickler, die nicht in gut finanzierten Laboren arbeiten, erschwinglich werden. „Zurzeit ist es absurd schwer, eine Sendestation zu bauen und sie auch zum Laufen zu bringen“, sagt Woliansky.

Zunächst soll das CogRadio die Testumgebung für das Projekt der National Science Foundation werden, um eine Internetstruktur zu entwickeln, die auf mobilen Verbindungen und nicht auf Leitungen beruht. An der University of Colorado in Boulder, wo die Software für das CogRadio geschrieben wurde, sollen die ersten Außentests stattfinden. Während der Entwicklung durfte nur in abgeschirmten Laboren gearbeitet werden, um existierenden Datenkanäle nicht zu stören, doch die Aufsichtsbehörde FCC hat nun grünes Licht für die Tests gegeben.

Forscher des Virginia Polytechnic Institute wollen auf der Basis von CogRadio außerdem neue Breitband-Sender für Polizei, Feuerwehr und andere Notdienste entwickeln. Daneben sind weitere Anwendungen denkbar. Das Gerät könnte etwa im Regelbetrieb Mobilfunkgespräche auf WLAN-Frequenzen umlegen und gar Glasfaserkabel als Internet-Leitungen ersetzen. Hierfür ließe sich das TV-Spektrum um 400 Megahertz herum nutzen.

Bis Hardware wie das CogRadio so klein ist, dass sie auch in Smartphones passt, wird noch einige Zeit vergehen. „Es ist zwar ein wichtiger Meilenstein für kognitive Hochleistungs-Funkstationen, aber auf die Industrie wartet bei Chipkonstruktion, Schnittstellen und anderen Dingen noch eine Menge Arbeit“, sagt Raychaudhuri.

Der Druck ist da: Nach Schätzungen der Bell Labs wird sich der mobile Datenverkehr bis 2016 um das 25-fache erhöhen. Cisco geht immerhin von einer Steigerung um das 18-fache aus. Und die FCC hat bereits angekündigt, dass ab kommendem Jahr keine neuen Radiofrequenzen mehr zu vergeben sind. (nbo)