Elektronische Gesundheitskarte: 100.000er-Tests abgesagt

Die Bundesregierung will die elektronische Gesundheitskarte (eGK) offenbar ohne vorherige Großtests mit Echtdaten in die Massenproduktion geben. Bislang wird das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten nur offline und mit simulierten Daten getestet.

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Von
  • Detlef Borchers

Nachdem über die Sommerferien in einigen Testregionen die 10.000er-Tests der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) begonnen haben, wird jetzt das Tempo forciert. In einem Pressegespräch hat der für die eGK zuständige Staatssekretär Klaus Theo Schröder bekannt gegeben, dass nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums keine 100.000er Test mehr notwendig seien. Aus den 10.000er-Test habe man sehr gute Zwischenergebnisse erhalten. Daher sei man davon überzeugt, dass direkt mit dem Rollout beziehungsweise der industriellen Massenproduktion der Komponenten begonnen werden kann, die die endgültige Zulassung durch die Projektgesellschaft gematik bekommen haben. Weil die Technik weitgehend stabil funktioniere, seien für die Kartenlesegeräte keine 100.000er Tests nötig. Auf diese Weise könne der allgemeine Rollout der Komponenten im zweiten Quartal 2008 erfolgen und die eGK wesentlich früher als geplant eingeführt werden.

Nach dem derzeit laufenden 10.000er des Release 1, bei dem das Zusammenspiel von Heilberufsausweis, Gesundheitskarte, Konnektor und Praxisverwaltungssystem offline und mit simulierten Daten der Versicherten getestet wird, sollte der 100.000er-Test vor allem untersuchen, wie das System mit Echtdaten läuft. Erst im 100.000er Test sollten also echte Versichertenstammdaten gelesen und echte eRezepte geschrieben und in der Apotheke ausgegeben und abgerechnet werden. Dieser Schritt ist nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums offenbar nicht mehr notwendig. Stattdessen möchte das Ministerium gleich mit der Regionalplanung für den Rollout der mehr als 80 Millionen Karten sowie der Konnektoren und Kartenterminals für Krankenhäuser, Praxen und Apotheken beginnen.

Nach einer Aufstellung der Projektgesellschaft gematik als Zertifikationsinstanz für alle Komponenten der eGK sind 11 Kartenhersteller für die Produktion der eGK und zwei für die Produktion des Heilberufeausweises zugelassen worden. Bei den Kartenterminals und bei den Konnektoren haben jeweils drei Geräte die Zulassung erhalten. Allerdings haben noch längst nicht alle Softwareanbieter für Praxen, Apotheken und Krankenhäuser die Zulassung als Primärsytem erhalten. Besser sieht es bei den Zertifikatsdiensteanbietern aus, nachdem auch die zur Apobank gehörende DGN Services von der Bundesnetzagentur akkreditiert wurde.

Die Ankündigung, den 100.000er-Test zu übergehen, muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass im September die Verhandlungen zwischen den Krankenkassen, Krankenhäusern, Ärzten und Apothekern über die Finanzierung der Komponenten beginnen, die für die Gesundheitskarte benötigt werden. Nach einer neueren Kostenberechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein belaufen sich die Kosten für ein Kartenlesegerät auf rund 350 Euro, die für den Konnektor auf 800 bis 2.000 Euro. Die Softwareanbieter der Primärsysteme veranschlagen eine monatliche Wartungspauschale von 50 bis 150 Euro für die Einführung der eGK. Auf der Hardwareseite sollen ohne die bereits existierende EDV für eine durchschnittliche Arztpraxis Kosten von 3.500 bis 10.000 Euro entstehen. In ihnen ist die Schulung des Personals zur "PIN-Assistentin" nicht enthalten. Nach bisherigen Rechnungsmodellen soll eine Praxis etwa 3.000 Euro Zuschuss für die Hardware und 3.500 Euro Zuschuss für Schulungen erhalten. Völlig ungeklärt ist die Frage der Transaktionsgebühren, also der Bonuszahlung, die ein Arzt erhält, wenn er ein elektronisches Rezept ausstellt.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't – Hintergrund mit Links zur aktuellen und bisherigen Berichterstattung über die elektronische Gesundheitskarte und die Reform des Gesundheitswesens:

(Detlef Borchers) / (pmz)