Gorilla-Glas wird flexibel

Der US-Konzern Corning hat ein neues Material vorgestellt, das biegsame Touchscreens ermöglichen soll.

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Der US-Konzern Corning hat ein neues Material vorgestellt, das biegsame Touchscreens ermöglichen soll.

Das kratz- und rissfeste Gorilla-Glas des US-Konzerns Corning ist zum Markenzeichen bei vielen tragbaren Geräten mit berührungsempfindlichem Bildschirm geworden: Es steckt in Smartphones und Tablets von Apple, Samsung und zahlreichen anderen bekannten Firmen und schützt deren Bildschirm auch bei rauerer und intensiver Nutzung.

Nach dem im Frühjahr vorgestellten Gorilla-Glas 2, das 20 Prozent dünner ist und trotzdem genauso widerstandsfähig sein soll wie das Original, hat der Hersteller nun einen flexiblen Nachfolger vorgestellt. Das neue Material hört auf den Namen Willow-Glas – bei der Namensgebung standen offenbar biegsame Weidenzweige (auf Englisch "Willow") Pate.

Willow-Glas ist trotz seiner Dünnheit äußerst biegsam.

(Bild: Corning)

Wie sich die neue Rezeptur gegenüber Gorilla-Glas verändert hat, will Corning bislang offiziell zwar nicht verraten. Klar ist aber schon, dass das Willow-Glas genauso hart sein soll wie sein Vorgänger, dafür jedoch mit 0,1 Millimetern nur noch so dünn wie ein Blatt Papier. Dies hat den Vorteil, dass man in Verbindung mit passender biegsamer Elektronik ganz neue Touchscreens entwickeln könnte, die sich beispielsweise um das ganze Gehäuse eines Tablets winden. Außerdem soll so der Bau von noch leichteren Smartphones möglich werden.

In der Massenproduktion soll das Willow-Glas dank seiner Flexibilität ähnlich wie Folien direkt von der Rolle kommen und damit schneller in der Geräteproduktion einsetzbar sein. Das "Roll-to-Roll"-Verfahren erinnert dabei an den Zeitungsdruck. Aktuelle Touchscreen-Abdeckungen müssen dagegen noch in Bögen angeliefert und zunächst zugeschnitten werden, was Zeit und Geld kostet. Das Material hält außerdem Fertigungstemperaturen von bis zu 500 Grad Celsius aus.

Corning stellt derzeit Kunden Willow-Glas-Proben zum Testen zur Verfügung. Später soll es nicht nur in Bildschirmen zum Einsatz kommen, sondern könnte auch die Oberflächen von Solarzellen oder Beleuchtungselemente abdecken und schützen.

Die Biegsamkeit erlaubt eine optimierte "Roll-to-Roll"-Produktion.

(Bild: Corning)

"Bildschirme gibt es mittlerweile fast überall und die Hersteller versuchen, mobile Geräte ebenso wie größere Displays dünner so machen", sagt Willow-Glas-Programmleiter Dipak Chowdhury. "Unser Glas liefert das Substrat dafür, um die Gerätequalität auch in dünneren und leichteren Formfaktoren sicherzustellen." Das Material soll dabei trotz seiner geringen Dicke wie jedes andere Glas auch Komponenten hermetisch umschließen. Die optischen, thermischen Eigenschaften seien ebenso gut wie bei Gorilla-Glas, auch die Oberfläche ähnlich glatt.

In der IT-Szene spekuliert man bereits, dass Apple sich für Willow-Glas interessieren könnte – beispielsweise für die (über)nächste iPad-Generation. Der Einsatz könnte auch in Verbindung mit sogenannten In-Cell-Displays erfolgen, bei denen die berührungsempfindliche kapazitive Sensorschicht und das bildgebende LCD-Layer kombiniert werden, was eine Schicht spart. Schon dies allein macht den Bildschirm bereits dünner, mit Willow-Glas würde nun auch die Außenschicht, mit der der Kunde dauernd mit seinen Fingern interagiert, noch kompakter. Eventuell wäre sogar Platz für einen sogenannten Haptic Layer, der dem Nutzer taktiles Feedback entweder mechanisch oder über elektrische Impulse gibt – dann fühlt sich die Tablet-Bedienung auch nicht mehr an, als würde man den lieben langen Tag auf einer Glasplatte herumwischen.

Willow-Glas soll ähnlich haltbar sein wie Gorilla-Glas.

(Bild: Corning)

Bei Corning hofft man auf solche Innovationen. Das Unternehmen musste aufgrund gesunkener Verkäufe von LCD-Bildschirmen bei seinen Industrieabnehmern zuletzt um knapp 40 Prozent gefallene Einnahmen hinnehmen. Trotzdem sei es gelungen, das Display-Technologies-Segment zu stabilisieren.

Dennoch wollen sich die Amerikaner künftig ihren Partnern aus der Geräteindustrie annähern: Mit Samsung baut Corning derzeit in China gemeinsam eine Fabrik auf. Dies ist auch hilfreich, um die hohen LCD-Einfuhrzölle zu umgehen - künftig kommen aus der Fabrik in Suzhou komplette Teile. Ob Willow-Glas eines Tages darunter sein wird, ist unklar. (bsc)