Urheberrechtsdebatte: Abomodelle gegen Kulturflatrate

Die Musiklabels hätten mit ihrem klassischen Geschäft keine große Zukunft, schätzten Teilnehmer auf einer Diskussion zur Novellierung des Urheberrechts und zu neuen Wegen in der Vergütung der Künstler.

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Von
  • Monika Ermert

Zum Start des "Stuttgarter Filmwinters" und vor der weiteren Behandlung der Novellierung des Urheberrechts diskutierten Gäste des Chaos Computer Club Stuttgart und des Wand5 e. V. über "Kulturflatrate versus Abogebühr". Fünf Euro sollen Internet Service Provider für jeden DSL-Zugang zur Abgeltung von Urheberrechtsansprüchen erheben, für weniger Bandbreite soll es billiger werden. Im Gegenzug soll der private Tausch von Musik im Netz unbeschränkt zulässig sein. Das ist der Vorschlag der Initiative Fairsharing. "Wir wollen nicht, dass jeder herunterladen kann und die Künstler nichts bekommen", sagte Attac-Mitglied und Fairsharing-Unterstützer Julian Finn von Entropia e. V. Ein freiwilliges Abo schlug dagegen Paul Woog vom Popbüro vor, einer Fördereinrichtung für regionale Bands unter dem Dach der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart.

Die 413 Millionen Euro aus Fairsharing-Gebühr, die sich nach Berechnungen der Befürworter angesichts der aktuellen DSL-Versorgung der deutschen Bevölkerung erwirtschaften lassen, würden den Rückgang der Umsätze der Musikbranche nur zum Teil wettmachen. Die Musiklabels hätten mit ihrem klassischen Geschäft aber ohnehin keine echte Zukunft, schätzt Finn. Finn und Woog zitierten Zahlen, nach denen die Umsätze von 2,7 Milliarden Euro 1998 auf 1,5 Milliarden im vergangenen Jahr zurückgingen. Bei Umsatzeinbrüchen von 30 Prozent, wie sie etwa Sony BMG zu verzeichnen habe, sei klar, dass im kommenden Jahr eine Menge Mitarbeiter ihren Stuhl räumen müssten, meinte Woog. Die Kriegskassen der Musikindustrie seien ziemlich leer, allerdings habe man notwendige Innovationen nicht geschafft.

Trotzdem ist Woog gegen die Fairsharing-Idee."Eine Kulturflatrate bedeutet den Tod der Labels. Sie haben dann ja kein Produkt mehr." In Frankreich liefen die Labels daher gerade gegen eine solche Kulturflatrate Sturm: Sieben Euro Flatrate sollen Ansprüche von Künstlern abgelten, der private Musiktausch soll damit legal werden. Woog warb dagegen für eine andere Idee, eine freiwillige Abogebühr. Die Abogebühr würde Künstlern ermöglichen, auch zu entscheiden, ihre Musik ganz frei ins Netz zu stellen. Von den 1200 Bands, die das Popbüro im Internet listet, seien viele GEMA-frei und würden ihre Songs nur zu gerne übers Netz anbieten. "Das Problem ist, niemand will sie hören." Die Macht der von Marketingmaschinerien bestimmten Charts mache das Geschäft für unbekannte Künstler und auch kleine Labels hart. Ein wenig, meinte Woog, würde man sich da manchmal aufgeklärtere Kundschaft wünschen. "Man überlegt sich auch mehr, wenn man vor den Biokarotten steht", zog er den Vergleich. "Ich würde daher einfach ein wenig Recherche empfehlen, es gibt hervorragende Musik aus der ganzen Welt, die unabhängig produziert wird."

Über die Abolösung ließe sich vielleicht auch das Problem lösen, dass man hierzulande praktisch kaum etwas von der Musikentwicklung in Afrika, Asien oder Australien mitbekomme. "Es wäre doch schön, wenn ein bißchen mehr Geld dorthin fließt." Das Abo könne so in eine Basisgebühr und zusätzliche Pakete oder nutzungsbezogene Gebühren gesplittet werden, lautet seine Idee. Ein Aboverfahren hätte schließlich den Vorzug, wie Woog ausführte, dass kein Musikhasser die Bedürfnisse der Heavyuser mit bezahlen müsste. Allerdings müsste auf jeden Fall noch "eine Menge mehr Gehirnschmalz in die Datenschutzfragen gesteckt werden", sagte Kurt Jaeger vom Stuttgarter Provider LF-Net. In abgeschwächter Form gilt das auch für die Fairshairing-Idee, denn auch dabei soll die Ausschüttung der Gebühren an Abrufzahlen gebunden werden. Die Abrufzahlen sollen allerdings nicht zentral beim Provider erhoben werden, betonte Finn.

CCCS-Mitglied Andreas Thienemann warf mit Blick auf zentralisierte Lösungen einen kritischen Blick auf die erfolgreichste legale Musikbörse iTunes. Vor allem die "Haltbarkeit" der wegen DRM-Schutz nur begrenzt kopierbaren Musikfiles macht ihm Sorgen. Auch die Inkompatibilität mit freier Software gefällt Thienemann nicht. "DRM-Stücke halten kaum länger als fünf Jahre", meint er. Generell gelte: Je komplexer die DRM-Lösungen würden, desto mehr Schwierigkeiten entstünden mit der Portierung. Was passiere etwa, wenn der Windows-Server verschwunden sei, auf dem das Zugangsrecht des Nutzers verzeichnet sei? Eine immer genauere Überwachung der Nutzungsgewohnheiten der Kunden ist aus Sicht der CCCS-Mitglieder nicht akzeptabel. Zum Glück hätten auch die Analysten der Wallstreet prognostiziert, dass 2006 kein gutes Jahr für DRM-Technologien werde, meinte Finn dazu.

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (jk)