Europas größter eBay-Händler ist pleite [Update]

Für 2005 hatte Qentis 200.000 eBay-Transaktionen mit einem Gesamtumsatz von 21 Millionen Euro angestrebt. Bereits 2003 war Qentis mit 3,6 Millionen Umsatz der umsatzstärkste eBay-Händler Europas.

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Die Qentis Holding GmbH, Europas größter eBay-Verkäufer, ist zahlungsunfähig. Für 2005 hatte die Firma 200.000 eBay-Transaktionen mit einem Gesamtumsatz von 21 Millionen Euro angestrebt. 2002, dem ersten Jahr der Tätigkeit, waren es 250.000 Euro gewesen, aber bereits 2003 war Qentis mit 3,6 Millionen der umsatzstärkste eBay-Händler Europas. Die Handelsplattform hatte ihren "Powerseller" wiederholt als besonderes Erfolgsbeispiel hervorgehoben und Geschäftsführer Michael Marcovici zum Referenten an der eBay University ernannt. Neben dem Hauptsitz in Wien hat Qentis Niederlassungen in Deutschland, Italien, Frankreich, den USA und Hongkong. Das Unternehmen kaufte nicht nur Waren am Spotmarkt, sondern ließ immer mehr Produkte in Fernost unter verschiedenen Eigenmarken anfertigen. Um den entsprechend hohen Kapitalbedarf für die Vorfinanzierung über vier bis sechs Monate zu decken, war im Mai eine siebenjährige Mezzaninfinanzierung über 500.000 Euro durch die Wiener Mezzanin Finanzierungs AG gewährt worden. Damals gab Qentis an, "die ganze Aufbauphase hinweg Gewinne geschrieben" zu haben und Verhandlungen mit der Mezzanin und anderen, potenziellen Investoren über weitere drei Millionen Euro zu führen.

Nun müssen neben Investoren und Lieferanten vor allem viele Kunden um ihr Geld bangen, denn Vorauszahlung war bei Qentis die Regel. Über 50 Mitarbeiter dürften ihren Arbeitsplatz verlieren. Die eBay-Shops und die meisten Accounts der Qentis Holding sind am Mittwoch gesperrt worden. Bei eBay.de war Qentis vor allem unter dem Namen tichnak aufgetreten. Während unter qentis.com nichts mehr zu finden ist, findet sich unter www.tichnak.de ein kurzer Text: "Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die Firma Qentis Holding GmbH am 18. Jänner 2005 [im Original so vermerkt, gemeint ist wohl 2006, Anm. d. Red.] einen Insolvenzantrag einbringen musste." Eine Ende 2005 "geplatzte Finanzierung" sei dafür verantwortlich. Dabei sind die beiden Geschäftsführer und Mehrheitseigentümer der Qentis Holding, Marcovici und Davies Guttmann, auch Geschäftsführer der Qentis Trading Services GmbH. Diese im November 2004 gegründete Firma sollte bei privaten Investoren Kapital aufnehmen (ab 50.000 Euro), wobei eine Rendite von 15 bis 20 Prozent in Aussicht gestellt wurde – ein Konzept, das offenbar nicht aufgegangen ist.

Erst im August 2005 war Qentis in Wien in ein größeres Lager umgezogen. Bei einem Abverkauf an der alten Adresse im 2. Bezirk wurden lagernde Waren teilweise deutlich unter dem Marktpreis verkauft, was nur kurzfristig Bargeld in die Kasse gespült haben dürfte. Noch diesen Montag hatte die Firma eine Stellenanzeige für "Customer Service Agents" geschaltet. Offen ist, ob auch die Qentis Trading Services GmbH und/oder die Tochterfirmen der Qentis-Holding von der Insolvenz betroffen sind. Als Töchter sind die auf Garantiehaftungen und -abwicklung spezialisierte Smartextras Zusatzprodukte GmbH sowie die Street Fashion Media GmbH verzeichnet.

"Oberste Priorität" haben der Mitteilung zufolge nun Bestrebungen, "den Schaden für die Kunden so gering wie möglich zu halten." Allerdings müssten sich die Betroffenen gedulden. Außerdem wird auf den Käuferschutz von eBay und PayPal von bis zu 200 Euro hingewiesen. Tatsächlich ist der eBay- Standardkäuferschutz eine Kulanzleistung von eBay, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Abhängig vom Wert der gekauften, bezahlten und nicht erhaltenen Ware können bei Einhaltung aller Fristen und Formalitäten (maximal 60 Tage) bis zu 175 Euro beantragt werden.

[Update]:
Der PayPal-Käuferschutz wird bis zu 500 Euro gehen, wobei bestimmte Güter wie zum Beispiel Fahrzeuge ausgenommen sind. Bis Mitte vergangenen jahres verlangte die eBay-Tochter PayPal mindestens 98 Prozent positive eBay-Bewertungen des Verkäufers, dieses ist aber mittlerweile geändert worden. Nur bei Angeboten auf anderen eBay-Websites als ebay.de, ebay.at und ebay.ch verlangt die eBay-Tochter PayPal mindestens 98 Prozent positive eBay-Bewertungen des Verkäufers. "Bei der für diesen Zweck verwendeten Prozentberechnung werden Bewertungen von Mehrfachnutzern zu Grunde gelegt; der Wert muss daher über dem Prozentsatz der bei eBay angezeigten Bewertungen liegen", heißt es dann in den Bestimmungen. Auf Grund zahlreicher negativer Bewertungen in der letzten Zeit sind aber schon die angezeigten eBay-Bewertungen der bis zuletzt aktiven Qentis-Accounts auf unter 98 Prozent (97,8 bis 94,5) gefallen. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)