Geht's auch sauber?

Riesige Schiefergas-Vorkommen könnten auch in Europa die Energiepreise drastisch senken. Die Förderung des Gases gilt jedoch als dreckiges Geschäft. Umweltfreundliche Verfahren sollen den Streit beilegen.

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Von
  • Jan Oliver Löfken

Riesige Schiefergas-Vorkommen könnten auch in Europa die Energiepreise drastisch senken. Die Förderung des Gases gilt jedoch als dreckiges Geschäft. Umweltfreundliche Verfahren sollen den Streit beilegen.

Tief in Europas Böden schlummert ein reicher Energieschatz. Auf 13.000 Milliarden Kubikmeter Erdgas schätzt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover in ihrer jüngsten Studie die Vorkommen an so genanntem Schiefergas allein in Deutschland. Wenn nur zehn Prozent davon gefördert werden könnte, würde dies ausreichen, um Deutschlands Gas-Bedarf mehr als zehn Jahre zu decken.

Doch weil das Gas in 1.000 bis 5.000 Meter Tiefe fest im Wirtsgestein gebunden ist, müssten diese Gesteine mit einem "Fracking" genannten Verfahren aufgebrochen werden. Dafür pumpen die Bohrtechniker unter hohem Druck Millionen Liter Wasser mit Zusätzen aus Sand und giftigen Chemikalien in die Gesteinsklüfte. Polymere machen dieses Wasser dickflüssig, Biozide verhindern Bakterienbefall und Tenside reduzieren den Reibungswiderstand beim Verpressen der Flüssigkeit. Umweltschützer befürchten, dass diese Stoffe ins Grundwasser gelangen könnten. Nach zahlreichen Bürgerprotesten stockt die Erkundung von Schiefergasvorkommen in Europa auf breiter Front.

Obwohl die Experten von Öl- und Gasunternehmen nicht müde werden, die Ungefährlichkeit zu betonen, sucht die Branche fieberhaft nach alternativen Verfahren. "Von ehemals sieben giftigen Stoffen sind wir schon runter auf vier", versicherte Gernot Kalkoffen, Europachef des Unternehmens, in einem Interview der Wirtschaftswoche. Seiner Einschätzung nach kann Exxon Mobil schon im nächsten Jahr gänzlich giftfreie Spüllösungen einsetzen. Wie genau das funktionieren soll, will der Konzern allerdings vorerst nicht verraten.

Gerhard Thonhauser vom Institut für Erdöl- und Erdgasgewinnung an der Montanuniversität Leoben geht dagegen ganz offen mit seiner Idee um: "Unser Ansatz ist es, sämtliche Chemikalien wegzulassen – auch die nichttoxischen", sagt der Geowissenschaftler. Er will ein Gemisch aus Wasser, Sand und Maisstärke unter Hochdruck in die gasführenden Schichten pumpen. Aus den dabei aufgebrochenen Poren und Rissen könnte das Schiefergas austreten und durch das Bohrloch zur Oberfläche gelangen. Die zähflüssige Stärke-Sand-Mischung soll diese Risse so gut stabilisieren, dass sie sich nicht vorzeitig wieder verschließen. Ultraviolettes Licht könnte das Wasser entkeimen, um störendes Algen- und Bakterienwachstum im Bohrloch zu verhindern. Theoretische Analysen und Experimente unter Laborbedingungen zeigten bereits, dass dieser ungiftige Ansatz durchaus Potenzial hat.

Giftfreie Verfahren hielt die Energieindustrie bis vor kurzem noch für unnötig. "Nach den von ExxonMobil zugänglich gemachten Daten wurden pro Bohrung ca. 25 bis 30 chemische Substanzen eingesetzt", heißt es in einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR. Neben wenig problematischen Substanzen wie anorganischen Salzen oder schnell abbaubaren Natriumhypochlorit würden "organische Stoffe wie Tenside, Erdölderivate und Biozide mit höherem Toxizitäts- und Umweltgefährdungspotenzial" verwendet, mit schwankenden Mengen zwischen wenigen Kilogramm (Bioziden) und mehreren Tonnen bei Tensiden.

Ob Thonhausers Methode in der Praxis wirtschaftlich funktioniert, kann der Forscher allerdings noch nicht sagen. "Da wir nicht wissen, wie effizient diese Frac-Methode sein kann, brauchen wir Probebohrungen", räumt er ein. Für verlässlichere Voruntersuchungen bräuchte man zumindest Gesteinsproben in Form von Bohrkernen aus den gasführenden Schichten. Weder ist geklärt, wieviel Wasser, Sand und Stärke man in den Untergrund pumpen muss, um die Gesteinsrisse offen zu halten. Noch lässt sich sagen, wie sich der Zustand der zähen Flüssigkeit im Boden ändern könnte. "Schlagartige Änderungen in einem Frac sind durchaus vorstellbar", sagt Thonhauser.

Um die Wissenslücken zu stopfen, war eine Pilotbohrung zusammen mit dem österreichischen Energiekonzern OMV im Weinviertel nahe Wien geplant. Doch anhaltende Bürgerproteste und Skepsis bei den politischen Entscheidern stoppten das Projekt vorläufig. Ob es im kommenden Jahr nach einer erfolgreichen Umweltverträglichkeitsprüfung wieder aufgenommen wird, ist derzeit noch offen. Doch wenn man in Österreich nicht weiterkomme, werde man es woanders versuchen, sagt Thonhauser. So könnte das Verfahren in Polen oder in der Ukraine getestet werden, wo man sich dank reicher Schiefergasvorkommen eine größere Unabhängigkeit von russischen Gasimporten verspricht. Unklar bleibt auch, ob das Stärke-Fracking für andere geologische Formationen als in Österreich geeignet ist. "Aber es gibt es starkes Interesse in der gesamten Community", sagt Thonhauser. (bsc)