Rocken übers Netz

Die Software Soundjack soll ein weitgehend verzögerungsfreies Musizieren über größere Distanzen ermöglichen.

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Die Software Soundjack soll ein weitgehend verzögerungsfreies Musizieren über größere Distanzen ermöglichen.

Das Internet erlaubt seit langem neuartige Formen der direkten Kommunikation – von der simplen Schriftform einer E-Mail bis hin zum multimedialen Videochat. Alexander Carot, Professor für Medieninformatik an der Hochschule Anhalt in Köthen und selbst begeisterter Bassist, hat eine Software entwickelt, mit der auch eine musikalische Kommunikation über das Netz möglich werden soll: Das Programm Soundjack erlaubt das gemeinsame Musizieren per Internet.

Das Werkzeug, an dem Carot bereits seit dem Jahr 2005 arbeitet, erlaubt Jamsessions mit Musikern, die bis zu 1000 Kilometer voneinander entfernt sind – dafür gleicht die Software die regelmäßig auftretenden Latenzen und Netzwerkprobleme aus. Alle Teilnehmer erhalten das Gesamtsignal zurückgespielt, so dass man sogar gemeinsame Aufnahmen anfertigen kann.

Soundjack-Liveauftritt: Mit dem Werkzeug muss man nicht im Studio bleiben.

(Bild: Alexander Carot)

Zur Verwendung der Software muss ein Nutzer nur sein Musikinstrument über Mikrofon oder Verstärker an den Rechner anbinden. Im Live-Betrieb sind mehrere Modi möglich: Entweder werden alle Tonsignale über einen zentralen Server in Frankfurt geschickt oder man verwendet eine Direktverbindung. Wird die Verzögerung zu groß, lässt sich dies eventuell durch eine veränderte Spielweise anpassen, sagt Carot. "Die Toleranz für die möglicherweise auftretende Latenz kann von Spieler zu Spieler variieren." Alternativ gibt es noch diverse Einstellmöglichkeiten der Stream-Parameter, mit denen die Audioübertragung erfolgt – Paketgrößen und Pufferspeicher lassen sich ebenso justieren wie das Verhalten bei kurzen Ausreißern, den Dropouts.

Soundjack ist als kostenloses Programm für Windows- und Mac-Systeme erhältlich, an einer Version für das Betriebssystem Linux arbeitet der Medieninformatiker gerade. Das Werkzeug erlaubt beim Jammen parallel auch die textliche Kommunikation: Dazu wurde ein eigener Chatroom eingerichtet.

Soundjack-Oberfläche: Die Software steht für Windows, Mac und demnächst auch für Linux bereit.

(Bild: Alexander Carot)

Mit dem Software-Projekt beschäftigt sich auch Carots Dissertation zum Thema "Musikalische Telepräsenz". Das im Mai 2009 vorgelegte Werk will die Frage beantworten, wie man dem eigentlich nicht für Echtzeitdaten gedachten Netzwerk Internet beibringen kann, dennoch die notwendige Übertragungsqualität sicherzustellen.

Während Internet-Telefonie und Videoconferencing durchaus Paketverluste und Verzögerungen von mehreren 100 Millisekunden vertragen können, ohne dass es den Nutzer sonderlich stört, wird das beim Musikmachen zu einem großes Problem. "Geht man von realistischen Spielbedingungen aus, so ergeben sich für diese Anwendung wesentlich zeitkritischere Anforderungen, die Latenzen unterhalb von 30 ms bedingen", so Carot in seiner Arbeit.

Auch schnelle Leitungen leiden unter Verzögerungen im ms-Bereich.

(Bild: Alexander Carot)

Um dies zu erreichen, entwickelte der Medieninformatiker neuartige technische Lösungen, die eine zusätzliche Latenzverringerung und eine weitere Verbesserung der musikalischen Interaktionsbedingungen zur Folge haben sollen. Dazu gehört neben einer ständigen Qualitätsüberwachung auch eine bessere Synchronisation der einzelnen Soundkarten in den verwendeten PCs. Carot zufolge reicht das aus, um die gewünschte Qualität auch über ADSL-Anschlüsse zu erreichen – ein spezielles Bandbreitenmanagement wie es etwa die "Quality of Service"-Technik darstellt, setzt er nicht voraus.

Transatlantische Jamsessions dürften aber dennoch ein Traum bleiben, nach 1000 Kilometern ist Schluss: "In diesem Kontext muss man das Internet nicht länger als ein ortsunabhängiges Medium begreifen, wie es bei konventionellen Netzdiensten wie Web-Browsing, E-Mail oder auch Internet-Telefonie der Fall ist." Abhilfe schaffen könnten vielleicht in einigen Jahren schnellere Rechner. Carot denkt in seiner Dissertation darüber nach, die fehlenden oder zu langsam eintreffenden Datenpakete aus dem Gesamtsignal zu extrapolieren. Dies sorgt allerdings mit aktueller Hardware für eine weitere Verzögerung, die das Endergebnis nicht verbessert. Carot will deshalb an neuen Algorithmen forschen, die dies unter der kritischen Marke von einer Millisekunde hinbekommen. (bsc)