Österreichs Polizei soll auch IP-Daten ohne Richterbeschluss erhalten

Die Koalitionsregierung aus ÖVP und SPÖ, die zusammen über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat verfügt, will in der Nacht zum Freitag eine Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes beschließen. Kritiker bezeichnen die Änderungen als "DDR-Methoden".

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Außer Daten zu Inhabern von Telefonanschlüssen inklusive des Aufenthaltsorts von Mobiltelefonen soll die österreichische Polizei auch Zugriff auf IP-Adressen und die Daten deren Nutzer erhalten. Eine inhaltliche Begründung gegenüber dem Provider oder ein Richterbeschluss sind nicht mehr vorgesehen. Wie berichtet, plant die Koalitionsregierung aus ÖVP und SPÖ, die zusammen über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat verfügt, eine Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes. Diese soll in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Nationalrat beschlossen werden.

Bereits im Oktober hatte der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz Alarm geschlagen: Innenminister Günther Platter (ÖVP) wolle mit einer Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) das Abhören von Mobilfunktelefonaten ohne richterliche Kontrolle erlauben. Die Mobilfunkanbieter sollen gezwungen werden, den Sicherheitsbehörden Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) von Anschlüssen zu nennen. Den Behörden soll zugleich erlaubt werden, so genannte IMSI-Catcher zum Einsatz zu bringen, mit denen jegliche Kommunikation der Mobiltelefone abgehört und mitgeschnitten werden kann. Der angeführte Grund für die Änderung waren Fälle wie die Rettung einsamer, verunglückter Wanderer – diesem Zweck sind der Einsatz von IMSI-Catchern und das Mitschneiden von Telefonaten aber nicht dienlich.

Das Ministerium relativierte damals die Kritik mit dem Hinweis darauf, dass der Text der Regierungsvorlage bereits überholt sei. Die neue Version war jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Erst am heutigen Donnerstag ist die von der Koalition beabsichtigte endgültige Variante bekannt geworden. Die ARGE Daten veröffentlichte einen Abänderungsantrag von SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten. Der Zugriff auf Standortdaten und IMSI ist inhaltlich unverändert vorgesehen. Zusätzlich sollen jedoch auch Daten über die Nutzer bestimmter IP-Adressen ohne Richterbeschluss herausgegeben werden. Und der in der Regierungsvorlage vorgesehene Aufwandsersatz für die Telekomanbieter ist weggefallen, sie sollen ihre Leistung nun kostenlos erbringen. Gleichzeitig haben sie keine Handhabe, die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens zu überprüfen. Sie müssen die Informationen über ihre Kunden preisgeben.

"Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste [...] und sonstigen Diensteanbietern [...] Auskunft zu verlangen über 1. Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses, 2. Internetprotokolladresse (IP-Adresse) zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt ihrer Übermittlung sowie 3. Namen und Anschrift eines Benutzers, dem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, wenn sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung eines Anschlusses nach Z 1 kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluss geführtes Gespräch durch Bezeichnung eines möglichst genauen Zeitraumes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen", soll der neue §53a Absatz 3a Sicherheitspolizeigesetz lauten. Die Abfrage der Handy-Daten wurde in den neuen Absatz 3b verschoben: "Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden zur Hilfeleistung oder Abwehr dieser Gefahr berechtigt, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) der von dem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zu verlangen sowie technische Mittel zu ihrer Lokalisierung zum Einsatz zu bringen."

"Durch die geplante praktisch unbegrenzte Zugriffsmöglichkeit ist die Polizei erstmals in der Lage persönliche und private Internet-Kommunikation ohne Gerichtsbeschluss zu analysieren und auszuwerten", warnt die ARGE Daten. Pilz bezeichnete die kurzfristige Abänderung als "Sauerei" und sprach von "DDR-Methoden". Zudem deckte er Weiteres auf: Zwar sollen über Opfer gesammelte Daten nach maximal einem Jahr gelöscht werden. Die Löschungsbestimmung über Daten sogenannter Gefährder ist aber gestrichen worden, so dass nun statt drei Jahren offenbar eine unbegrenzte Speicherdauer vorgesehen ist. Außerdem muss der dem Innenministerium zugeordnete Rechtsschutzbeauftragte nicht mehr, wie ursprünglich geplant, über Standortbestimmungen informiert werden. Diese nachträgliche Befassung des Rechtsschutzbeauftragten war aber wesentlich für die wohlwollende Äußerung des österreichischen Datenschutzrates zur Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes. (Daniel AJ Sokolov) / (pmz)