Mit Google am Pool der coolen People

Man könne nicht mehr viel verbergen, wenn man den digitalen Lebensstil pflege, der viele Annehmlichkeiten berge - auch das eine Erkenntnis, die dessen Protagonisten auf dem Digital Lifestyle Day zu hören bekamen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit einem wesentlich besseren Programm als zuvor versöhnte der zweite Tag des Digital Lifestyle Day ein bisschen die Besucher, die nicht nur das beliebte Networking auf dem von Hubert Burda veranstalteten Treffen der Internet-Branche und der Medienhäuser betreiben wollen. Gleich die ersten beiden Panel gaben den jungen Unternehmern Gelegenheit zur Präsentation ihrer Start-ups, an die am ersten Tag laufend appelliert wurde, doch bitteschön etwas zu unternehmen. Dabei schnitten die so genannten "Metromedien", die "social conscious location based software", deutlich besser ab als "Cool Tech from a Hot Country" (Israel).

Metromedien wie Socialight oder das in Deutschland gestartete Plazes.com sind hip. Die Digitalnomaden, die im Hotel nicht wissen, was sie am Abend machen wollen, befragen ihre Platzhaltermaschinen und finden im Nu Gleichgesinnte. Der Flaneur, der mit dem richtigen (Nokia-)Mobiltelefon durch das Labyrinth der Städte wandert, bekommt von Socialight laufend Empfehlungen anderer zugeraunt: Hier gibt es einen tollen Kaffee, dort hat Toddy seinen Wagen um den Baum gewickelt. Nur natürlich, dass viel Werbung mitgesendet werden kann, was die Plagger ("Places Tagger") anscheinend kaum stört, wenn sie diese "StickyShadows" verfassen. Glücklich sind die Marketiers auch mit den Spieldesignern der Firma area/code, die ganze Städte als Spielpläne nehmen, auf denen zum Beispiel PacManhattan gespielt werden kann. Leider ist dies in Deutschland nicht möglich, beklagte Firmengründer Kevin Slavin im Gespräch mit heise online, "weil ihr so verwinkelte Städte habt." Stolz berichtete Slavin von dem nunmehr jährlich stattfindenden Comqwest, eine Art digitaler Schnitzeljagd: Für eine Verkaufsaktion, mit der die Telefongesellschaft Qwest den Absatz von Handys unter Kindern ankurbelte, wurden 625 Kinder in Tucson mit 125 vorprogrammierten Mobiltelefonen ausgestattet. Ihre Aufgabe: Als "Gangs" mussten sie mit den Telefonen möglichst viele Semacodes knippsen, jene Digitalbriefmarken, die ein Computer identifizieren kann. Diese wurden zu einer Datenbank geschickt. Für die erjagten Codes gab es Punkte, für die siegreiche Gang Telefone.

Den Höhepunkt der Digital Days bildete zweifellos eine kleine Plauderei über "The Next Big Thing", zu der US-Journalist David Kickpatrick die weiblichen Superstars Marissa Mayer von Google und Esther Dyson von CNet (und einflussreiche Investorin in Firmen wie Flickr, del.icio.us, Meetip und Midentity) begrüßen konnte. Es fehlte eigentlich nur die eBay-Chefin Meg Whitman, doch der in Deutschland eher unbekannte argentinische Investor Martin Varsavsky machte mit seiner unbekümmerten Art das Manko mehr als wett: Ungeniert beschwerte sich Varsavsky über die Paparazzi-Tour von Google Maps, weil die spanischen Finanzbehörden über die Software Wind davon bekamen, dass er illegal einen Pool auf seinem Anwesen in Mallorca gebaut hatte. Marissa Mayer entgegnete mit Anekdoten und Moderator Kickpatrick beschwichtigte: Man könne nicht mehr viel verbergen, wenn man den digitalen Lebensstil pflegt, der viele Annehmlichkeiten berge. Die 30-jährige Marissa Mayer, die zum Schluss des Panels für ihr Lebenswerk als "Queen of Ideas" mit dem Aenne-Burda-Preis für mutige Geschäftsfrauen ausgezeichnet wurde, erhielt den größten Beifall der gesamten Konferenz. Nicht für den Preis, sondern für den Widerstand von Google gegen die Begehrlichkeiten des US-Justizministeriums. Sie war übrigens die einzige, die eine Vorstellung vom Next Big Thing präsentierte: Ein Googlephone, das auch von Analphabeten verstanden wird und sie zum Surfen im Internet anhält. "Millionen Menschen in der dritten Welt können nicht lesen und schreiben. Sie haben aber ein Mobiltelefon."

Ganz zum Ende der Konferenz durften die Wissenschaftler zu Worte kommen, begleitet von einem treppensteigenden Asimo. Die wackeren KI-Forscher präsentierten eine heitere Weltsicht, in der Darwins Gesetze auch für Maschinen gelten: Sie haben noch eine lange Evolution vor sich, ehe von intelligenten Robotern gesprochen werden kann, befand Asimo-Vater Edgar Körner vom Offenbacher Honda Research Institute. Schließlich blieb es Randall Rothenberg von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton überlassen, den Digital Lifestyle Day zusammenzufassen. Seine wichtigste Erkenntnis: "Die Kosten für die Produktion von Medieninhalten gehen tendenziell gegen Null. Blogs, Podcasts und Vlogs zeigen, dass gute Inhalte kaum etwas kosten." Medienfirmen bräuchten nur die kreativsten dieser für lau gelieferten Inhalte aufnehmen und unter ihrem Markennamen zu verbreiten.

Im zweiten Jahr hat sich der Digital Lifestyle Day als große Veranstaltung mit mehr als 800 Teilnehmern etablieren können. Die Ausdehnung auf zwei Tage hat dem Programm dabei nicht gut getan: Viele Werbeauftritte verwässerten den Doppeltag. Für die Neuauflage wünscht man den Veranstaltern ein besseres Technikkonzept und Helfer, die besser mit den Computern umgehen können als mit den schicken Nokia-Telefonen, die alle am Bändsel trugen: Bis auf zwei Ausnahmen hatte jeder Referent Schwierigkeiten mit seinem Laptop. Reihenweise standen Lifestyle-Wunderkinder ratlos auf der Bühne, weil sie nicht wussten, wie man die Bildschirmauflösung ändert, wo das Beamer-Kabel angeschlossen werden muss oder wie man ohne Maus Powerpoint zähmt. Ein überraschendes Ergebnis, das man den Pionieren des digitalen Lebens nicht zugetraut hätte. (Detlef Borchers) / (jk)