Schäuble und CSU weisen Kritik am "Bundestrojaner" zurück

Der Bundesinnenminister findet "keinen Ausdruck" mehr für die Welle der Ablehnung seiner Pläne für heimliche Online-Durchsuchungen, während ihm Unionspolitiker erneut den Rücken stärken.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat sich angesichts der breiten Welle der Ablehnung seiner Pläne für heimliche Online-Durchsuchungen weitgehend sprachlos gezeigt. Besonders enttäuscht ist der CDU-Politiker, dass auch der Koalitionspartner SPD nicht mit Kritik an den Erläuterungen aus seinem Hause zum möglichen Vorgehen bei der Ausforschung "informationstechnischer Systeme" spart. Sein Ministerium habe lediglich einen umfangreichen Fragenkatalog der Sozialdemokraten beantwortet, sagte Schäuble am heutigen Donnerstag bei der Vorstellung des polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem @rtus mit Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) in Kiel. Er könne nicht akzeptieren, dass man daraus Vorwürfe ableite, betonte Schäuble. Er habe dafür "keinen Ausdruck".

Mit Stegner wollte der Bundesinnenminister bei dem gemeinsamen Termin keine Debatte führen. Sein schleswig-holsteinischer Kollege hatte sich zuvor weiter skeptisch gegenüber den Erläuterungen zu Online-Razzien aus Berlin gezeigt. Auch der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sieht damit zahlreiche neue offene Fragen verbunden. Schäubles Staatsekretär August Hanning verteidigte heimliche Online-Durchsuchungen dagegen als "dringend erforderlich". Ängste vor einer flächendeckenden Überwachung wies er im Bayerischen Rundfunk als "völlig überzogen" zurück. Die Bürger könnten "ganz beruhigt sein".

Auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann unterstützt weiter den Kurs Schäubles. "Es kann ja nicht sein, dass man in die Wohnung des Verdächtigen hineingeht und versucht, am PC etwas umzusetzen", verwarf der CDU-Politiker zuvor diskutierte Ansätze zur Platzierung des "Bundestrojaners" auf Zielrechnern terroristischer "Gefährder" im Deutschlandfunk. Ein solches Vorgehen sei sehr viel schwieriger und betreffe die Intimsphäre noch mehr. Und wenn man in den beabsichtigten "wenigen Fällen" von Online-Razzien "dann das über die Mails macht", dann klingt das für Schünemann "sinnvoll und auch technisch machbar".

Eine Verunsicherung der Bevölkerung sieht der niedersächsische Minister nicht gegeben: "Es geht ja auch um Terrorismusverdacht, und da kann man sich nicht vorstellen, dass man dann überhaupt keine Behördenpost über Mailverkehr öffnet. Das ist eine theoretische Diskussion, die jetzt geführt wird, weil man es einfach vielleicht nicht will, und das kann nicht der Hinderungsgrund sein." Zugleich äußerte Schünemann die Befürchtung, dass sich die SPD – ähnlich wie bei der nach den gescheiterten Kofferbomben-Anschlägen erfolgten Einigung auf die umstrittene Anti-Terror-Datei – "erst bewegt, wenn etwas Schreckliches passiert".

"Keinen Dissens" mit Schäuble und der CDU habe auch die CSU, betonte der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Hans-Peter Uhl. Ebenso wie Unions-Fraktionvize Wolfgang Bosbach glaubt auch der CSU-Politiker nicht, dass das Vertrauen der Bürger in den Staat durch verdeckte Online-Durchsuchungen beeinträchtigt werden könnte. Vielmehr bezeichnete er es als "unverantwortlich, Menschen mit Computern zu verängstigen". Die breite Bevölkerung wäre ihm zufolge "nachweisbar nicht betroffen. Weder heute noch morgen." Kein Mensch denke an "Online-Schleppnetzdurchsuchungen" oder den Einsatz der aufwendigen Maßnahme zum Aufspüren jugendlicher Urheberrechtsverletzer. Eingebaut seien in den Entwurf des Bundesinnenministeriums für Netzbespitzelungen "hunderttausend Sicherheiten", die einen möglichen Missbrauch verhindern sollten.

Bosbach verteidigte das Ansinnen, in Notfällen sogar getürkte Behördenmails für das Aufspielen der Spyware auf Zielrechnern in Stellung zu bringen. Eine Online-Durchsuchung könne man schließlich "nicht mit Hammer, Zange und Schweißbrenner machen". Aber wenn Datenschützer verlangen würden, "wir müssen draufschreiben 'Absender Bundeskriminalamt', können wir es gleich sein lassen", hielt er Kritikern im Nachrichtensender n-tv entgegen. Morgen will sich eine Arbeitsgruppe der Koalition erneut mit dem Streit-Thema beschäftigen. Dabei soll es erstmals um juristische Fragen gehen.

Für Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Linken im Bundestag, steht derweil "die grundsätzliche Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland" in der wieder aufkochenden Sicherheitsdebatte auf dem Spiel. "Es droht ein systematischer Umbau der Gesellschaft, weg vom demokratischen Rechtsstaat, hin zum präventiven Sicherheitsstaat", warnte sie. "Mit seinem Vorschlag, Behörden-E-Mails zu 'verwanzen', macht Innenminister Schäuble die Diskussion um Online-Durchsuchungen vollends zur Farce", wundert sich zudem Grünen-Chefin Claudia Roth über die Vorstöße des Innenressorts. Gefährlich ist ihr zufolge "das fortwährende Täuschungsmanöver" des CDU-Politikers. "Er erweckt den Eindruck, als besäße der deutsche Rechtsstaat keine Möglichkeiten, der organisierten Kriminalität einen Riegel vorzuschieben. Dabei gibt es mit Lauschangriff, Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahmung von Festplatten eine Vielzahl von Instrumenten, um Straftäter zu überwachen."

Einen ausführlichen Einblick in die neuen Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien bietet c't Hintergrund in dem Bericht

Die heimliche Online-Durchsuchung von Computern stößt bei vielen Datenschützern und Juristen auf Skepsis. Sie melden grundsätzliche Bedenken an und warnen vor eventuell angestrebten Grundgesetzänderungen. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) (pmz)