Die Tricks der Mobilfunkanbieter
Schlechte Netzabdeckung und Probleme bei der Wiedergabe von Multimedia-Dateien können dazu führen, dass Nutzer mehr für die Smartphone-Datennutzung zahlen, als sie eigentlich müssten. US-Forscher haben dies nun erstmals detailliert untersucht.
- Tom Simonite
Schlechte Netzabdeckung und Probleme bei der Wiedergabe von Multimedia-Dateien können dazu führen, dass Nutzer mehr für die Smartphone-Datennutzung zahlen, als sie eigentlich müssten. US-Forscher haben dies nun erstmals detailliert untersucht.
Die meisten Mobilfunkanbieter rechnen Internet-Daten, die auf unsere Smartphones strömen, immer noch pro Kilo-, Mega- und Gigabyte ab. Am Ende des Monats schicken sie ihren Kunden dann auf Wunsch eine lange Rechnung, aus der sich das verbrauchte Informationsvolumen ablesen lassen soll. Doch herauszufinden, ob diese Tarifierung auch stimmt, ist erstaunlich problematisch. Dies zeigt eine neue Studie der University of California in Los Angeles (UCLA), die das Abrechnungsverhalten der Anbieter überprüfte.
Das Problem betrifft immer mehr Menschen – denn so gut wie kein Mobilnetzbetreiber rechnet Smartphone-Daten pauschal ab, sondern liefert, wenn nicht Kilobyte für Kilobyte bezahlt wird, höchstens ein bestimmtes Volumen. Überschreitet man dieses, muss man entweder draufzahlen oder ertragen, dass die Übertragungsgeschwindigkeit auf ein Schneckentempo gedrosselt wird.
Die Informatikerin Chunyi Peng zeigte nun anhand der Daten von zwei großen US-Carriern, die zusammen 50 Prozent aller Nutzer in dem Land versorgen, dass bei der Abrechnung oft einiges daneben geht. Dazu wurde auf mehreren Android-Geräten eine Logging-Anwendung installiert und die so gewonnenen hochgenauen Daten mit den Rechnungen verglichen.
Heraus kam, dass Standarddaten zwar normalerweise korrekt abgerechnet werden, es bei bestimmten Dienstearten aber häufig vorkommt, dass Nutzer zu viel bezahlen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Abdeckung schlecht oder unzuverlässig ist und Nutzer häufig Video- und Audio-Dateien über Streaming-Verfahren auf ihr Handy holen – Letzteres eine zunehmend beliebte Anwendung.
Im Durchschnitt zählten die getesteten Mobilfunkanbieter bei typischer Gerätenutzung laut der Untersuchung zwischen 5 und 7 Prozent zu viel. Und das kann richtig teuer werden: In den USA bezahlt man bei den Anbietern AT&T und Verizon beispielsweise 15 Euro mehr, sobald man ein neues Gigabyte oberhalb des inkludierten Volumens anbricht.
Das Hauptproblem scheint die Berechnungsweise zu sein, die die Carrier verwenden. Ein Kilobyte gilt immer dann als verbraucht, wenn es das Herz des Netzwerks verlässt und sich über das Glasfasernetz und die nächstgelegene Basisstation zum Kunden aufmacht. Das heißt auch, dass Daten immer gezählt werden – egal ob sie das Smartphone nun erreichen oder nicht. Nutzt ein Kunde in einem Bus beispielsweise YouTube, um sich einen Video-Stream anzusehen und das Fahrzeug durchfährt einen Tunnel ohne Netzabdeckung, gilt das Volumen bereits als verbraucht, ohne dass auch nur ein einziges Bild ankommt.
Das Problem betrifft Video- und Audio-Streaming besonders, weil diese Anwendungen Protokolle verwenden, bei denen der Empfänger eingetroffene Daten nicht explizit bestätigen muss. Auch wird ein solcher Datenstrom nicht einfach eingestellt, wenn die Verbindung empfängerseitig unterbrochen wurde. Der Server schickt ein Video dann eine gewisse Zeit lang einfach weiter an den Kunden, obwohl dieser es gar nicht mehr erhält. Ein "Time Out" erfolgt erst später oder schlimmstenfalls gar nicht.
Bei größeren Clips macht das viel aus. Mit einer eigens entwickelten Anwendung gelang es den UCLA-Forschern, Kosten für Daten in Höhe von sage und schreibe 450 Megabyte zu generieren, die nie bei ihnen ankamen. "Wir wollten herausfinden, wie schlimm es werden könnte, und brachen den Versuch dann ab. Es scheint da kein wirkliches Limit zu geben", sagt Peng.
Allerdings scheint es auch Mittel und Wege zu geben, mit denen sich der Datenverbrauch vor den Mobilfunkanbietern verstecken lässt. Die Abrechnungssysteme der getesteten Netze ignorierten Domain-Name-System-Daten (DNS), mit denen die Adressauflösung im Netz erfolgt. Tarnt man reguläre Internet-Pakete als DNS-Anfragen, ist es anscheinend möglich, kostenlos zu surfen, wie Peng herausfand. Sie entwickelte zusammen mit ihren Kollegen eine App, mit der es möglich war, immerhin 200 Megabyte zu verbrauchen, ohne dass sie mitgezählt wurden. Es dürfte im Interesse der Netzbetreiber liegen, diese Lücke zu schließen.
Peng glaubt, dass es relativ einfach wäre, den Datenverbrauch besser zu messen als bislang. Dazu müsste aber wohl eine Software im Smartphone laufen, die angekommene Daten regelmäßig quittiert. Das Argument der Carrier, sie hätten ja Kosten, weil sich die Internet-Pakete auf die Reise gemacht haben, findet Peng unfair. "Aus der Perspektive des Kunden ist das nicht zu verstehen. Er konnte die Daten ja nicht nutzen."
Volumenlimits und Datendrosseln bleiben generell stark umstritten. Netzbürgerrechtler und Verbraucherschützer argumentieren, dass es den Mobilfunkanbietern zunehmend darum geht, ihre Profite zu erhöhen, statt mit solchen Verfahren wie behauptet nur dafür zu sorgen, dass die Netze nicht überlastet werden. Was fehlt, ist auch eine ausreichende Transparenz – Pengs Studie zeigt dies deutlich. Momentan ist ihr Team dabei, den betroffenen Carriern zu erklären, was hier konkret falsch läuft. Zusätzlich wollen die UCLA-Forscher auch noch eine App entwickeln, mit der Nutzer selbst prüfen können, ob sie womöglich abgezockt werden. (bsc)