Die besondere Verantwortung des Chefs

Mitarbeiter orientieren sich immer an ihrem Vorgesetzten – im Guten wie im Schlechten. Wer versucht, sich der Vorbildfunktion zu entziehen, tut dem Unternehmen keinen Gefallen.

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Von
  • Marzena Sicking

Warum es nicht ausreicht, nur Aufgaben zu verteilen und ein wenig zu motivieren, wenn man als gute Führungskraft wahrgenommen werden will, erklärt Management-Trainer Karl Heinz Lorenz.

Wenn man Manager fragt, was eine gute Führungskraft ausmacht, dann werden meist Organisation des Teams und Verteilung der Arbeit, Förderung der Mitarbeiter und die Motivation des Teams genannt. Doch zu den Kernaufgaben jeder Führungskraft gehört auch die Vorbildfunktion. Denn für die Mitarbeiter bietet das Verhalten des direkten Vorgesetzten und der anderen Führungskräfte eine Orientierung – im Guten wie im Schlechten. Mitarbeiter beobachten das Verhalten ihrer Chefs ganz genau. Sie bewerten es, lassen sich davon inspirieren oder arbeiten auch dagegen, wenn sie mit dem, was sie hier sehen, nicht einverstanden sind.

(Bild: Lorenz-Seminare)

Karl Heinz Lorenz (50), Diplom Betriebswirt (DH), Berater, Managementtrainer und Hochschuldozent, ist Inhaber von LORENZ-SEMINARE Personality- & Competence-Training, Weidenthal und Autor von "Typisch Kunde!", erschienen im Lorenz Verlag Elmstein.

Der Vorgesetzte ist also immer auch eine Orientierungsgröße, selbst wenn er das gar nicht sein möchte. Doch seine Aufgabe drängt ihn automatisch in diese Rolle hinein. Deshalb muss er genau darauf achten, welche Einstellung, Werte und Haltung er vermittelt und was sein Erscheinungsbild und seine Handlungen ausstrahlen. In der Praxis scheint dies aber noch nicht zu funktionieren, denn bei einer aktuellen Befragung des ZDF vertraten 78 Prozent die Meinung, Manager "erfüllen moralische Anforderungen nicht". Leistungsträger werden also nicht nur an ihrer reinen Arbeitsleistung gemessen.

Natürlich will nicht jeder Vorgesetzte auch ein Vorbild sein. Doch wenn er sich verweigert und diese Funktion nicht ausfüllen kann oder will oder wenn entscheidende Posten gar nicht besetzt werden, kann das schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben. Denn so ein Vakuum führt zur Desorientierung, Resignation und Demotivation der Mitarbeiter.

Deshalb sollten Führungskräfte nicht nur mit ihren Mitarbeitern Jahresgespräche führen, sondern auch mit sich selbst. Wichtig ist vor allem ein gezielter Abgleich zwischen Selbstwahrnehmung und Außenwirkung. Denn leider gibt es hier häufig eine große Diskrepanz: Während der Manager sich selbst auf die Schulter klopft, betrachten die Mitarbeiter seine Leistung keinesfalls als hervorragend.

Immerhin ist dank zahlreicher entsprechender Umfragen klar, was aus Sicht der Mitarbeiter eine gute Führungskraft ausmacht bzw. was sich die Mitarbeiter von einer solchen wünschen. Nämlich: Offenheit und gute Kommunikation, Loyalität und Rückhalt, Authentizität und Glaubwürdigkeit, Aufmerksamkeit und Zeit für Gespräche, faire Reviews, gerechte Entlohnung, Perspektiven, Lob und Anerkennung, positiven Druck, konstruktive Kritik und ein ordentliches Fachwissen.

Der Vorgesetzte muss prüfen, was davon er wirklich leistet und welche seiner Stärken und Schwächen von seinen Mitarbeitern wahrgenommen und als typisch für ihn betrachtet werden. Um zu erfahren, was und welcher Führungsstil bei den Mitarbeitern ankommt, sollten entsprechende Performance Review Systeme oder Feedbacks etabliert werden.

Einer der typischen Fehler ist übrigens, dass Vorgesetzte in der Regel zu wenig Zeit für ihre Mitarbeiter haben. Sie sind so mit Schreibtischarbeit und Auswertungen für die nächste Führungsebene beschäftigt, dass sie nicht genug Zeit zum eigentlichen Führen einplanen.

Die Unternehmensleitung selbst kann ihren Führungskräften ebenfalls unter die Arme greifen. Denn oftmals wird zwar eine Firmenphilosophie festgeschrieben, aber nicht, wie diese in der Praxis umzusetzen ist. Wer seinen Führungskräften nicht nur eine Unternehmenskultur, sondern auch Führungsleitlinien mit auf den Weg gibt, hilft ihnen bei der täglichen Führungsarbeit. Ganz nebenbei wird auch die gewünschte Unternehmenskultur umgesetzt. Idealerweise sollten diese Leitlinien nicht nur als theoretische Orientierungsgrößen mitgegeben, sondern auch in Führungstrainings vertieft werden.

Natürlich ist es aufwendig, solche Leitlinien zu erarbeiten und entsprechende Trainings umzusetzen. Doch dass sich diese Investition lohnt, zeigt sich nicht nur im durchschnittlichen Arbeitsalltag, sondern gerade in schwierigen Phasen und Veränderungssituationen. Führungskräfte, die in solchen Momenten als souveräne Persönlichkeit auftreten, bieten ihren Mitarbeitern mit ihrem vorbildlichem Verhalten und ihrer positiven Einstellung die nötige Orientierung, Sicherheit und Motivation. (map)
(masi)