Verstecktes Raumsehen

Um 3D-Filme auch in 2D genießbar zu machen, haben deutsche und französische Forscher eine neue Anzeigetechnik entwickelt.

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Um 3D-Filme auch in 2D genießbar zu machen, haben deutsche und französische Forscher eine neue Anzeigetechnik entwickelt.

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat ein neuartiges Verfahren entworfen, mit dem sich 3D-Aufnahmen in 2D-Darstellungen so verstecken lassen, dass dies das menschliche Auge nicht stören. Bisher sind 3D-Aufnahmen ohne die sogenannten Shutter- oder Anaglyphen-Brillen nur als zwei verschwommene Einzelbilder sichtbar; die Filmfirmen müssen also stets zwei Versionen eines Streifens vertreiben, um beide Märkte abzudecken.

3D-Filme sind ein wichtiger Trend im Entertainment- und Unterhaltungselektroniksektor: Mittlerweile wird ein Gutteil der Blockbuster aus Hollywood in dem Verfahren gedreht, während immer mehr Kunden zuhause über einen 3D-Fernseher verfügen und nach Inhaltenachschub gieren. Allerdings kann nicht jeder Mensch die Unterhaltungstechnik ähnlich genießen: Manche Personengruppen bekommen von dem 3D-Effekt Kopfschmerzen oder erleiden eine Form von Bewegungskrankheit, die sogenannte Kinetose.

Gegenüberstellung: Am Rechner testen MPI-Forscher, wie mit ihrem Verfahren kodierte 3D-Bilder wirken.

(Bild: MPI)

Das "Backward-compatible Stereo 3D"-Verfahren, das in Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Informatik, der Universität des Saarlandes und Telecom ParisTech entstanden ist, reduziert nun die Unterschiede zwischen den Einzelbildern. Zwei Nutzer können so den gleichen Film sehen und je nach Wunsch 3D-Effekte oder ein normales 2D-Bild betrachten – es kommt nur darauf an, ob sie eine 3D-Brille tragen oder nicht.

Die Technologie der Forscher versteckt die 3D-Informationen in 2D-Bildern mit Hilfe mehrerer eigens entwickelter Algorithmen, darunter Verfahren, die die sogenannte Cornsweet-Illusion verwenden. Dabei werden vom menschlichen Gehirn Flächen als unterschiedlich hell wahrgenommen, obwohl sie es nicht sind. Analog dazu erzeugten die Forscher mit ihrem Algorithmus die Illusion zusätzlicher Tiefenstufen – und zwar nur noch an den Kanten von Objekten sowie innerhalb von kaum sichtbaren Schatten. Auf diese Weise werden die sonst störenden Artefakte des dreidimensionalen Bildes mit bloßem Auge fast nicht mehr wahrgenommen. Zuschauer mit einer passenden Stereo-Brille sehen dagegen wie gewohnt den 3D-Tiefeneffekt.

Standarddarstellung: Ohne Brille sind 3D-Filme eher ungeniesbar.

(Bild: MPI)

Bei der Entstehung des Verfahrens beschäftigten sich die Forscher zunächst intensiv mit dem visuellen System des Menschen – und der Frage, wie Auge und Gehirn 3D-Bilder überhaupt wahrnehmen. Dabei stellten sie fest, dass die menschliche Seherfahrung auch hier durch bestimmte Grenzwerte eingeschränkt sei: Unterhalb dieser Grenzwerte habe die sogenannte binokulare Disparität, bei der das Auge jedes Objekt aus leicht unterschiedlichen Winkeln betrachtet, keine Auswirkungen auf den visuellen Gesamteindruck mehr.

Wann die ersten kompatiblen Inhalte für "Backward-compatible Stereo 3D" verfügbar sein werden, steht noch nicht fest. Die kanadische Firma TandemLaunch Technologies hat das Verfahren aber bereits lizensiert und arbeitet an einer industriellen Umsetzung, die es Firmen erlauben soll, beliebige 3D-Inhalte aufzubereiten. Dabei wird eine Kombination aus Soft- und Hardware eingesetzt.

Versteckter Raumeffekt: "Backward-compatible Stereo 3D" integriert 3D-Bilder nahezu unsichtbar in 2D-Aufnahmen.

(Bild: MPI)

"Die rückwärts kompatible Stereo-3D-Technik wird es uns ermöglichen, Inhalte zu produzieren, die für einen Zuschauer ohne 3D-Equipment richtig wiedergegeben werden, und 3D-Eindrücke vermitteln, wenn dieses Equipment eingesetzt wird", sagt TandemLaunch-Chef Helge Seetzen. Er glaube, dass die Technologie das Fernsehen, wie wir es heute kennen, "völlig verändern" könne. Hauptargument ist dabei die erleichterte Produktion und Wiedergabe der Inhalte.

TandemLaunch soll für das Max-Planck-Institut und seine Partner bei der Vermarktung des Verfahrens eine Lücke schließen: Die Firma nehme die Technik in ihrer Frühphase auf und werde sie zu einem marktfertigen Produkt weiterentwickeln, das dann von der Industrie eingesetzt werden könne, so MPI-Lizenzmanager Bernd Ctortecka. Welche Unterhaltungselektronikkonzerne und Filmstudios an "Backward-compatible Stereo 3D" interessiert sind, wurde bislang noch nicht bekanntgegeben. (bsc)