Kritik am Karlsruher Beschluss zur Handy-Ortung

Bürgerrechtler beklagen, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Freigabe des IMSI-Catchers das informationelle Selbstbestimmungsrecht untergrabe. Andererseits fehlt der Fahndung mit "stillen SMS" nun die Grundlage.

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Bürgerrechtler beklagen, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem "Freispruch" für den umstrittenen IMSI-Catcher das in früheren Urteilen immer wieder hochgehaltene informationelle Selbstbestimmungsrecht untergraben habe. "Die Einschätzung, dass der IMSI-Catcher nur technische Daten ermittle und nicht die Kommunikationsteilnehmer betreffe, ist nicht aufrecht zu erhalten", konstatiert Rosemarie Will, Verfahrensbevollmächtigte bei der Humanistischen Union (HU), die gegen die rechtliche Grundlage zum Einsatz des Handy-Fahndungsgeräts Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte.

Grundrechtlich geschützt seien ausdrücklich nicht nur die Inhalte, sondern auch die Umstände der Kommunikation, so Will. Dazu würden etwa die Identität der Beteiligten und der Ort sowie die Art des Kommunikationsvorganges zählen – genau die drei Merkmale, die mit einem IMSI-Catcher ermittelt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hatte am gestrigen Freitag seine Entscheidung bekannt gegeben, wonach das im Rahmen der Anti-Terrorpakete legalisierte Werkzeug zur Überwachung von Mobiltelefonen bislang weder gegen das Fernmeldegeheimnis noch gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht verstößt. Solange nur Maschinen miteinander kommunizieren, also etwa Funksignale von sich geben und damit ihren Aufenthaltsort verraten, gibt es dafür nach Ansicht der Verfassungsrichter keinen Datenschutz.

"Wie bei jedem traditionellen Kommunikationsvorgang müssen auch Handynutzer bei ihrer Identifizierung und Lokalisierung grundrechtlich geschützt sein", hält Will dagegen. Die Verfassungsrichter hätten zwar gesehen, dass die vom IMSI-Catcher erhobenen Daten einen klaren Bezug zum Kommunikationsverhalten der Mobiltelefonierer aufweisen würden. Sie seien aber auf halbem Weg stehen geblieben und hätten eine Überprüfung der Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts auf einen späteren Zeitpunkt bei einer zunehmenden Nutzung des Fahndungsgerätes verschoben und so den bislang bestehenden lückenlosen Grundrechtsschutz aufgeweicht.

Nach Ansicht der Bürgerrechtsvereinigung wird die Auseinandersetzung um den Einsatz des IMSI-Catchers weiter gehen müssen. Schon um dem "zu befürchtenden inflationären Einsatz des Überwachungswerkzeugs vorzubeugen", wolle man sich weiter für eine rechtspolitische Klärung einsetzen. Schließlich habe die Bundesregierung im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes bereits den erweiterten Einsatz des IMSI-Catchers angekündigt.

Trotz Kritik von offizieller Seite schicken Ermittler in den Bundesländern außerdem weiterhin Verdächtigen geheime Kurzmitteilungen aufs Handy, um ihren Aufenthaltsort herauszufinden und Bewegungsprofile zu erstellen. Bei diesen so genannten stillen SMS wird eine für den Nutzer unsichtbare Meldung allein zu dem Zweck generiert, Verbindungsdaten beim Netzbetreiber zu erzeugen. Diese kann die Polizei dann unverzüglich abfragen und so eine Funkzellenpeilung vornehmen.

Dieser von Datenschützern seit langem kritisch beäugten Praxis haben die Verfassungsrichter nun nach Ansicht von Rechtsexperten indirekt die rechtliche Grundlage entzogen. Die Roten Roben hatten festgestellt, dass Datenaustausch ausschließlich technischer Geräte keine Kommunikation im Sinne des Grundgesetzes darstellt. Auch eine stille SMS ist laut Juristen demnach kein Kommunikationsakt und kann damit nicht als Basis für eine Ortung herangezogen werden. Zu diesem Zweck muss dann also künftig allein der IMSI-Catcher ran, bei dem auch gänzlich Unverdächtige zunächst in den Fangnetzen der Ermittler hängen bleiben. (Stefan Krempl) / (hob)