Unfreiwillige Schwarzhörer

Zum Leidwesen zahlloser Freiberufler und anderer Selbstständiger gelten auch beruflich genutzte internetfähige PCs in Deutschland als Rundfunkempfangsgeräte und unterliegen damit grundsätzlich der Gebührenpflicht. Die Befreiungsregelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags machen es jedoch in vielen Fällen unnötig, zusätzliche Rundfunkgebühren zu zahlen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Seit 2007 gilt die Rundfunkgebührenpflicht in Deutschland auch für internetfähige PCs. Sie werden vom Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV, PDF ) als „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“ angesehen. Dies betrifft allerdings nicht nur Computer in Privathaushalten, sondern auch in Unternehmen und bei Freiberuflern – selbst dann, wenn die Rechner nur für übliche Bürozwecke genutzt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) 2010 in mehreren Urteilen bestätigt.

Private PC-Nutzer haben in aller Regel wenig von der Gebührenpflicht für ihre Computer gemerkt. Diese kosten nämlich keine zusätzlichen Gebühren, wenn ihre Besitzer bereits für andere Radio- und Fernsehgeräte zahlen.

Fernsehen auf Büro-PCs?

Bei vielen Unternehmen hat die Gebührenpflicht hingegen besondere Empörung ausgelöst. Ihr Argument: Mit internetfähigen PCs in Firmen wird normalerweise nicht das öffentlichrechtliche Programm angebot in Anspruch genommen. Wenn ein durchschnitt licher Arbeitnehmer seinen Büro-PC zum Fernsehen einsetzen würde, müsste er mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Ausnahmen von der Gebührenpflicht sind allerdings möglich. Sie gelten für Unternehmer, die ihr Geschäft im örtlichen Zusammenhang mit ihrer Privatwohnung betreiben und für ihr dort stehendes Fernsehgerät bereits Rundfunkgebühren bezahlen. Die Befreiung von Zweitgeräten nach § 5 RGebStV kann nämlich außer im privaten Bereich auch für einige berufliche Nutzer greifen.

Kurzer Weg

Ein Webdesigner und Herausgeber eines Online-Skimagazins unterhielt seine Privatwohnung und seine Arbeitsstätte im selben Gebäude. Im Erdgeschoss lag sein Büro. Dort nutzte er einen ans Internet angeschlossenen PC. Im ersten Stock betrieb er in seiner Privatwohnung ein Radio und ein Fernsehgerät. Dafür zahlte er Rundfunkgebühren.

Der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) gegenüber erklärte er, dass er für seinen PC keine Extra-Gebühren zahlen wolle, da er das Gerät allein zur Veröffentlichung seiner Publikationen, zur Recherche, zum Online-Banking, zu Kommunikationszwecken sowie zu allem verwende, was mit seinem beruflichen Wirken zu tun habe. Gleichwohl bestand die GEZ darauf, dass auch dieser PC ein gebührenpflichtiges Empfangsgerät sei. Der Webdesigner erhob dagegen erfolglos Widerspruch.

Das Verwaltungsgericht Koblenz gab allerdings seiner Anfechtungsklage statt, und auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stärkte ihm den Rücken. Seine Argumentation mit der realen Nutzung des Rechners konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Das Gericht hob vielmehr darauf ab, dass der fragliche PC zwar ein taugliches Empfangsgerät, aber wegen seiner Nähe zu den bereits angemeldeten Geräten von der Gebührenpflicht befreit sei – und zwar gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV.

In diesem Paragrafen heißt es: „Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden. Werden ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind, zum Empfang bereitgehalten, ist für die Gesamtheit dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zu entrichten.“

Die Auslegung des Wörtchens „dort“ ist allerdings nicht selbstverständlich: Bezieht es sich auf den „nicht ausschließlich privaten Bereich“? Dann dürfte nur die Gebührenzahlung für bereits in diesem Bereich betriebene Geräte auf die Gebührenpflicht des PC angerechnet werden und nicht die für die privaten Geräte. Dieser Meinung war der Vertreter des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Prozess: Eine „Vermischung“ von rein privaten und „nicht ausschließlich privaten“ Bereichen sei nicht zulässig.

Wenn sich „dort“ hingegen auf das gesamte Grundstück bezieht, sorgen die Gebühren, die für die Geräte im privaten Bereich gezahlt wurden, sehr wohl für eine Befreiung des Büro-PCs.

Wo ist „dort“?

Da die Rundfunkanstalten Rechtsmittel gegen die Entscheidung des OVerwG einlegten, landete der Fall vor dem BVerwG in Leipzig. Dieses entschied sprachlich feinsinnig: „Das Adverb ‚dort’ verweist auf eine Ortsangabe zurück, und zwar im üblichen Sprachgebrauch auf den im textlichen Zusammenhang zuletzt erwähnten Ort. Das ist hier das Grundstück, das in demselben mit ‚wenn’ eingeleiteten Nebensatz den Standort beider Geräte beschreibt.“ Damit hat sich das Gericht der Meinung der Vorinstanzen angeschlossen.

Die Leipziger Richter haben die Regelung ausgelegt. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte haben sie festgestellt, dass es sich bei der Formulierung „Im nicht ausschließlich privaten Bereich“ nicht um eine Ortsangabe im Sinne von „Standort“ handele. Dieser werde allein durch die Zuordnung zu einem gemeinsamen oder zusammenhängenden Grundstück bestimmt.

Der „nicht ausschließlich private Bereich“ sei vielmehr als Zuordnung zu einer bestimmten Nutzung zu verstehen – was auch Smartphones und andere bewegliche IT-Geräte einschließt.

Wie sieht es aber aus, wenn auch im privaten Bereich kein herkömmlicher Radio- und/oder Fernsehempfänger, sondern auch bloß ein „neuartiges Empfangsgerät“ vorhanden ist, sprich: ein privater PC, der mit dem Internet verbunden werden kann? Auf diese Frage geht das Urteil nicht explizit ein; sie spielte für den Rechtsstreit, um den es ging, keine Rolle. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die Rundfunkgebühr dann eben für einen PC anfällt.

Die abschließende Regelung in § 5 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des ab 1.1.2013 in Kraft tretenden 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags (RÄStV) gibt hier Verständnishilfe – sie erfolgt im Kontext der Befreiung von „nicht ausschließlich privat“ genutzten Zweitgeräten von der Gebührenpflicht:

Es „ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden“.

Diese angeordnete Berechnung nur einer Gebühr für die Gesamtheit aller Empfangsgeräte muss sich auch auf eine Mischung von allein privat und „nicht ausschließlich privat“ genutzten neuartigen Empfangsgeräten beziehen. Dies bestätigt die Formulierung im BVerwG-Urteil bei Randnummer 33, dass der genannte zweite Satz „bei Bereithaltung ausschließlich neu artiger Rundfunkempfangsgeräte auf einem Grundstück die Abgabepflicht auf eine einzige Rundfunkgebühr beschränkt“.

Digitale Ohrverstopfung

Man könnte auf die Idee kommen, die Gebührenpflicht technisch auszuhebeln, indem man den Empfang von Internet-Radio und TV-Streams auf dem PC durch Adressfilter oder andere softwareseitige Maßnahmen verhindert. Damit würde man juristisch unerschlossenes Terrain betreten. Früher galten TV-Geräte, denen das Empfangsteil entnommen worden war und die dadurch nur noch als Monitore für Videospiele oder DVD-Player dienten, nicht mehr als „zum Empfang bereitgehalten“ und fielen damit aus der Gebührenpflicht heraus.

Ab 1. Januar 2013 wird es ohnehin nicht mehr in derselben Weise wie bisher um die Gebührenbefreiung von Geräten gehen, denn die Tage der gerätebezogenen Rundfunkgebühren sind gezählt: Der bereits erwähnte 15. RÄStV, der zum 17. Dezember 2011 von allen deutschen Bundesländern ratifiziert wurde, stellt das Finanzierungsmodell der Rundfunkanstalten auf eine sogenannte Haushaltsabgabe um. Die Gebühren werden dann bezogen auf den Haushalt und die Betriebsstätte erhoben. Gemäß Art. 2 dieses Änderungsvertrags wird der bisherige Rundfunkgebührenstaatsvertrag zum 1.1.2013 aufgehoben. An seine Stelle tritt dann gemäß Art. 1 ein neuer Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.

Die Frage, ob für eine radio- und fernsehfreie Betriebsstätte mit Büro-PC auch Rundfunkgebühren zu zahlen sind, wenn sie sich auf demselben Grundstück befindet wie ein Privathaushalt, der Gebühren zahlt, wird sich dann auf neue Weise, wenn auch unter sehr ähnlichen Gesichtspunkten wie bisher stellen.

Dr. M. Michael König ist Fachanwalt für IT-Recht in Frankfurt am Main.
Dieser Beitrag erschien erstmals in c't Ausgabe 21/2012 auf Seite 140ff. (gs)