Musikindustrie macht Rückzieher bei weiterem Filesharing-Prozess

RIAA hat sich aus einem weiteren Filesharing-Prozess zurückgezogen, als die Gegenseite schlagkräftige Beweise sehen wollte.

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Der US-Verband der Musikindustrie RIAA zieht sich aus einem weiteren Filesharing-Prozess zurück. Im Fall Elektra vs. Wilke hatte das Label Elektra stellvertretend für andere Unternehmen gegen einen "Paule Wilke" geklagt, er habe urheberrechtlich geschützte Musik über P2P-Netze bezogen und verteilt.

Grundlage der Anklage waren – wie in zahlreichen anderen von der RIAA koordinierten Prozessen gegen US-Bürger – Daten des Dienstleisters Media Sentry. Das Unternehmen schickt Dummy-Files in Filesharing-Netze und kommt so an die IP-Adressen der Nutzer, von denen sie dann eine Gesamtliste der verfügbaren Titel abzurufen versucht. Zu den Daten, die der RIAA dann als Grundlage der Anklage dienen, gehören die IP-Adressen, ein mit dem zugehörigen Telefonanschluss verbundener Name sowie eine Liste von Songs, die über diese Adressen getauscht wurden.

Das ist nicht genug für eine Anklage, bemängeln Experten schon seit Langem. Trotzdem verfängt die Taktik der Musikindustrie: Lieber vergleichen sich die Angeklagten für eine vierstellige Summe (in Wilkes Fall soll das Angebot der RIAA bei 3750 US-Dollar gelegen haben), als einen teuren Prozess zu riskieren. Dass das nicht immer die beste Wahl ist, zeigen die Verfahren, in denen sich die Angeklagten wehren und die RIAA einen Rückzieher macht. Paul Wilke ließ sich beraten. Er sagt, er sei unschuldig. Seine Anwältin Daliah Saper will nicht, dass ihr Mandant als Beifang der mit "Schleppnetz-Taktik" im Trüben fischenden Musikindustrie endet. Sie will Beweise sehen, und beantragte "Summary Judgement".

Diesen Verfahrensweg kann eine Partei wählen, wenn sie sich ihrer Sache sicher ist und die Fakten auf dem Tisch liegen. Um den Prozess abzukürzen und dem Steuerzahler eine kostspielige Verhandlung zu ersparen, soll der Richter anhand der vorgelegten Beweise entscheiden. Wilke brachte zu seiner Verteidigung vor, er sei nicht "Paule Wilke", habe nie ein P2P-Programm benutzt und auch keinen Titel der von der RIAA vorgelegten Liste auf seinem Rechner. Die Musik, die sich auf seinem Computer befände, sei legal von gekauften CDs gezogen.

Die RIAA wurde von der Abkürzung, die die Gegenseite hier nehmen wollte und auch auf Wohlwollen des Richters stieß, offenbar auf dem falschen Fuß erwischt. Sie habe nicht genug Beweise, um den Antrag auf Summary Judgement zu erwidern, hieß es plötzlich, und brauche deshalb noch mehr Zeit, um neue Beweise zu sammeln. Die sollten auch vom Computer des Angeklagten kommen, zu dem bisher nur ein von Wilke selbst beauftragter Spezialist Zugang hatte, der keine P2P-Software auf dem PC feststellen konnte.

Ohne die Antwort des Richters abzuwarten, haben sich die Parteien inzwischen geeinigt. Dem Gericht liegt ein gemeinsam eingebrachter Antrag auf rechtskräftige Abweisung der Klage (PDF-Dokument) vor. Beide Parteien wollen ihre jeweiligen Rechtskosten tragen. Ob darüber hinaus Geld geflossen ist, wurde nicht bekannt. Die klagende Partei, RIAA und der Provider SBC hätten freundschaftlich mitgewirkt, diesen Streitfall zu beenden, erklärte Wilkes Verteidigung auf Nachfrage ihres Kollegen Ray Beckerman. (vbr)