Die E-Mails der Mitarbeiter

Auch für den E-Mail-Account im Job gelten strenge Datenschutzregeln. Arbeitgeber dürfen nicht ohne weiteres in die elektronische Post ihrer Mitarbeiter schauen.

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Von
  • Marzena Sicking

Erlaubt oder toleriert ein Arbeitgeber die private Nutzung des beruflichen E-Mail-Accounts, sperrt er sich selbst automatisch aus: er darf dann nicht mehr ohne weiteres in das Postfach oder gar die E-Mails selbst schauen. Doch muss er hinnehmen, dass Geschäftspost wochenlang unbeantwortet bleibt, wenn der Mitarbeiter erkankt? Und bedeutet ein Verbot der privaten Nutzung uneingeschränkten Zugriff für ihn? Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema gibt Rechtsanwalt Alexander Bredereck.

Darf ein Arbeitgeber die E-Mails des Mitarbeiters grundsätzlich einsehen?

Bredereck: Wenn der Arbeitnehmer zulässigerweise auch private E-Mails versendet, bzw. empfängt, darf der Arbeitgeber im Regelfall nicht ohne weiteres auf den Account des Arbeitnehmers zugreifen. In dringenden Fällen lässt die Rechtsprechung hier aber eng begrenzte Ausnahmen zu.

Wie sieht es aus, falls der Arbeitgeber die private Nutzung des Firmen-Accounts verboten hat?

Bredereck: Hat der Arbeitgeber die private Internetnutzung insgesamt (wirksam) verboten, darf er davon ausgehen, dass sich der Arbeitnehmer an diese Anweisung hält und dementsprechend nur geschäftliche Post im Account des Arbeitnehmers vorhanden ist. Entsprechend darf er dann auch in Abwesenheit des Arbeitnehmers in die E-Mails-Einsicht nehmen.

Was passiert, wenn ein Arbeitgeber die private Nutzung verbietet, der Mitarbeiter sich aber nicht daran hält. Darf der Arbeitgeber dann auch die privaten E-Mails lesen?

Bredereck: Wenn der Arbeitgeber einen begründeten Verdacht für Verstoß des Arbeitnehmers gegen die Verpflichtung oder gegen sonstige vertragliche Pflichten hat, darf er die Mails kontrollieren. Eine generelle, systematische Überwachung ist aber unzulässig, da sie mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar ist. Stichprobenartige Kontrollen z.B. zur Überwachung von Korruptionsschutzbestimmungen werden überwiegend als zulässig erachtet.

Alexander Bredereck, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

(Bild: Alexander Bredereck)

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen. Kontakt und weitere Informationen: Fachanwalt@Arbeitsrechtler-in.de

Muss der Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Folgen fürchten, wenn er private Mails verschickt und empfängt, obwohl das verboten ist?

Bredereck: Das kommt natürlich auf den Arbeitgeber an. In jedem Fall stellt dieses Verhalten einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag. Dem Arbeitgeber steht das gesamte Instrumentarium arbeitsrechtlicher Sanktionen offen.

Kann der Arbeitgeber deswegen sogar kündigen?

Bredereck: Natürlich. Je nach Schwere des Verstoßes wird zunächst eine Abmahnung erforderlich sein. Das muss aber nicht so sein. In der Regel ergibt sich der Arbeitsvertragsverstoß des Arbeitnehmers unter verschiedenen Gesichtspunkten. Zum einen verstößt er gegen das Verbot der privaten Internetnutzung. Soweit die Nutzung sehr zeitintensiv während der Arbeitszeit erfolgt, steht möglicher Weise auch noch ein Arbeitszeitbetrug im Raum. Geht der Arbeitnehmer zudem noch Sicherheitsrisiken ein, in dem z.B. virenverseuchte Dateien heruntergeladen werden, riskiert er seinen Arbeitsplatz. In derart schweren Fällen kann eine fristlose Kündigung sogar ohne vorherige Abmahnung zulässig sein (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Mai 2007, Az: 2 AZR 200/06 und Urteil vom 27. April 2006, Az: 2 AZR 386/05)

Kann der Arbeitgeber auch kündigen, wenn die private Nutzung erlaubt ist?

Bredereck: Ja. Lässt der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit seine Aufgaben liegen, um private E-Mails zu schicken oder zu surfen, kann der Arbeitgeber auch kündigen, obwohl er die private Internetnutzung grundsätzlich gestattet hat. Denn die Erlaubnis bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber damit auch die Nutzung während der regulären Arbeitszeit erlaubt. Vielmehr ist durch die Erlaubnis die private Nutzung lediglich in Pausen oder vor bzw. nach der Arbeitszeit gedeckt. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer suggeriert, er habe gearbeitet, während er tatsächlich private E-Mails versendete, riskiert er eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs.

Nehmen wir an, die private Nutzung ist erlaubt, der Arbeitgeber schaut - warum auch immer - in den Account und findet eine Mail vor, in der sich der Mitarbeiter bei einem Freund über das Unternehmen und diverse Kunden auslässt. Darf der Arbeitgeber ihn dafür belangen?

Bredereck: Grundsätzlich ja, die Frage ist nur, ob derart "illegal" erworbene Informationen vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden. Entsprechende Argumentationen der Arbeitnehmer sind vor Gericht allerdings regelmäßig nicht erfolgreich. Außerdem sollte man bedenken, dass Kündigungsschutzprozesse selten damit enden, dass das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird. In der Regel wirkt sich die Wirksamkeit, bzw. Unwirksamkeit der Kündigung nur auf die Höhe der Abfindung aus.

Die meisten Arbeitgeber kämen ja auch gar nicht auf die Idee, die E-Mails Ihrer Mitarbeiter zu lesen-solange alles rund läuft. Aber wie sieht es in speziellen Situationen aus, beispielsweise, wenn der Mitarbeiter einen längeren Urlaub antritt?

Bredereck: Geht ein Mitarbeiter in den Urlaub wird es, insbesondere bei größeren Unternehmen, in der Praxis meist so gehandhabt, dass die Urlaubsvertretung des Mitarbeiters auf dessen E-Mails Zugriff hat. Diese Praxis ist insbesondere bei erlaubter Privatnutzung rechtlich zweifelhaft.

Wie sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer keine Vertretung hat? Muss die Post so lange unbeantwortet bleiben?

Bredereck: Zum einen möchte der Arbeitnehmer nicht, dass seine privaten E-Mails zur Kenntnis genommen werden und zum anderen hat der Arbeitgeber großes Interesse daran, dass der Arbeitsablauf aufrechterhalten wird. Zumindest wenn das Verschulden eine Situation nicht beim Arbeitgeber liegt, dürfte das Interesse des Arbeitgebers überwiegen, mit der Folge dass er sich Zugriff verschaffen kann.

Bei einem geplanten Urlaub kann man also auch die Urlaubsvertretung für die Kommunikation einplanen. Doch wie sieht es aus, wenn der Mitarbeiter die Möglichkeit nicht mehr hat, weil er überraschend erkrankt?

Bredereck: In einem von Landesarbeitsgericht Berlin entschiedenen Fall (LAG Berlin, Urteil vom 16.2.2011, Az. 4 Sa 2132/10) hatte der Arbeitgeber bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers mehrfach erfolglos versucht diesen zu erreichen und dann im Beisein des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsrats das Postfach geöffnet. In diesem Fall hatte im Betrieb aber die Anweisung bestanden, private Mails ausdrücklich als solche zu kennzeichnen und der Arbeitgeber hatte nur auf die dienstlichen Mails zugreifen wollen. Letztlich kommt es jeweils auf den Einzelfall an.

Eine besonders heikle Situation tritt ein, wenn der Mitarbeiter freigestellt worden ist. Darf der Arbeitnehmer in so einem Fall einfach auf dessen Account zugreifen?

Bredereck: In diesem Fall kommt es zunächst darauf an, um was für eine Freistellung es sich handelt. Ist eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden, ist es nicht eindeutig, ob der Mitarbeiter seine Arbeit wieder aufnimmt. Demnach darf hier nicht ohne weiteres auf den E-Mail- Account zugegriffen werden. Es gelten die allgemeinen Regeln. Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bzw. einer unwiderrufliche Freistellung kann die Rechtslage anders sein, weil der Arbeitgeber hier ein dringendes Bedürfnis hat den Fortgang der Tätigkeit zu sichern. Arbeitgeber sollen allerdings vorsichtig sein. Die relativ entspannte Handhabung der Thematik durch die Arbeitsgerichte bedeutet nicht, dass nicht möglicher Weise strafrechtliche Tatbestände verwirklicht werden. Gerade ein Mitarbeiter, der wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nichts mehr zu verlieren hat, könnte sich mit einer Strafanzeige "bedanken".

Die meisten Arbeitnehmer sind immer erreichbar, rufen ihre Mails also nicht nur im Büro ab. Darf der Arbeitgeber einem freigestellten Mitarbeiter den mobilen Zugang zu seinem Account einfach sperren?

Bredereck: Auch hier muss vorab zwischen einer widerruflichen und einer unwiderruflichen Freistellung unterschieden werden. Im letzteren Fall darf der Arbeitgeber absichtliche Schädigungen seitens des gekündigten Mitarbeiters befürchten und somit auch den Zugang zum E-Mail-Account sperren lassen.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die ideale Lösung für das Thema aus?

Bredereck: Arbeitgebern rate ich regelmäßig zu einem generellen Verbot der Privatnutzung des Internets. Alle anderen Regelungen führen letztlich für den Arbeitgeber zu einer schwer kalkulierbaren Situation. Die Rechtslage ist äußerst unübersichtlich. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Regelungen geschaffen, die in der Praxis weitgehend ignoriert werden, deren Nichtbeachtung im Einzelfall aber zu großen Problemen führen kann.

Wie kann sich der Arbeitgeber absichern, wenn er die Privatnutzung bereits gestattet hat oder gestatten will?

Bredereck: Ideale Lösungen sehe ich hier nicht. Gelegentlich wird geraten, im Arbeitsvertrag den arbeitgeberseitigen Zugriff auf die privaten E-Mails ausdrücklich zu gestatten. Eine derartige Regelung im Arbeitsvertrag begegnet allerdings rechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Klauselkontrolle nach §§ 305 BGB. Schließlich vereinbaren die Parteien hier eine von gesetzlichen Normen abweichende Handhabung. Sinnvolle Vertretungsregelungen sind sicher ebenso hilfreich, wie die Anweisung private E-Mails ausdrücklich als solche zu kennzeichnen. In Betrieben mit Betriebsrat kann die Internetnutzung sinnvollerweise im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Wenn der Arbeitgeber tatsächlich in Abwesenheit des Arbeitnehmers auf dessen Account zugreifen muss, sollte er Dritte (Betriebsrat, Datenschutzbeauftragter oder sonstige Zeugen) hinzuziehen.

Wie sollten sich Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang verhalten?

Bredereck: Um ihren Arbeitgeber sich zu riskieren, sollten Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit möglichst nicht privat nutzen. Das gilt auch dann, wenn grundsätzlich eine private Nutzung gestattet ist. Wer in seinem Dienstaccount keine unverfänglichen privaten E-Mails empfängt, muss später auch nicht befürchten, dass diese vom Arbeitgeber zu seinen Ungunsten verwandt werden. Äußerungen über den Arbeitgeber im Internet sollten generell unterbleiben, auch wenn sie wohlmeinend sind. Arbeitsvertragliche Schweigepflichten sind regelmäßig sehr weit formuliert. (gs)
(masi)