Grüne wollen Gesellschaftsvertrag fürs digitale Zeitalter entwickeln

Auf ihrem 2. netzpolitischen Kongress wollen die Grünen Eckpunkte sammeln, um in einer engeren Verknüpfung von On- und Offline "die großen ökonomischen und ökologischen Probleme mit dem Netz zu lösen".

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Die Grünen haben sich viel vorgenommen für ihren 2. netzpolitischen Kongress am Samstag im Bundestag. Dort wollen sie Eckpunkte sammeln, um in einer engeren Verknüpfung von On- und Offline "die großen ökonomischen und ökologischen Probleme mit dem Netz zu lösen", wie Renate Künast erklärte. "Wir reden über einen Gesellschaftsvertrag für das digitale Zeitalter", sagte die Fraktionsvorsitzende angelehnt an den französischen Gesellschaftstheoretiker Jean-Jacques Rousseau. Im Gespräch mit Experten wie dem US-Rechtsprofessor Lawrence Lessig und der Netzgemeinde soll in insgesamt 18 Workshops zwischen 9 und 21 Uhr geklärt werden, "welche Potenziale das Internet hat".

Vieles habe sich mit der digitalen Revolution bereits verändert, etwa wie Wissen geteilt werde oder das Verhältnis der Bürger zum Staat beziehungsweise zur Wirtschaft, erklärte Künast. "Das 'Sein' eines Menschen kann auch online sein." Es müsse darum gehen, den elementaren Wandel aus dem Geist des Netzes "mit den großen Problemen zu verbinden, die in diesem Zeitalter existieren". Dazu zählte sie unter anderem die demographische Entwicklung, den Klimawandel und eine gewisse "Unruhe in der Gesellschaft".

Als "klassische Themen", in denen die Grünen selbst bereits Position bezogen hätten und die sie in den neuen Sozialkontrakt einbringen wollten, bezeichnete Künast das Urheberrecht. Die Interessen müssten dort neu ausgeglichen werden. Ein Buch in der Hand sei etwas anderes als eine Datei auf dem Computer. Ein gleicher Zugang für jedermann zu den drei besonders wichtigen Infrastrukturen Energie, Transport und Breitband sei ein weiteres Kernelement grüner Netzpolitik. Das "Feierabendproblem" mit der ständigen Erreichbarkeit gehöre genauso dazu wie die ökosoziale Frage, wie die Geräte hergestellt werden. Freiheit und Open Data rechnete Künast weiter dazu neben geschlechtsspezifischer Nutzung der Technik.

Der Schutz der Privatsphäre, der momentan aufgrund der EU-Reformpläne die netzpolitischen Diskussionen beherrscht, fehlte nicht in der Aufzählung. Künast zeigte sich überzeugt, dass "guter Datenschutz gute Märkte macht", was einen Vorteil für die europäische Wirtschaft darstelle. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sei daher gefordert, die EU-Initiative weiterzutreiben auch zugunsten der Nutzer. Die Bundesregierung werde in Brüssel dagegen bei dem Reformvorhaben als "der absolute Bremser" angesehen.

Schwarz-Gelb habe das Thema des digitalen Wandels nicht erkannt und die Datenschutzreform werde vom Innenministerium eher boykottiert, kritisierte Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen. Zumindest für den europäischen Raum müsse hier eine einheitliche Ebene geschaffen werden, "die nach oben offen ist". Sonst könnten sich Konzerne wie Facebook weiter auf den Standpunkt stellen, dass für sie nur das schwach ausgeprägte irische Datenschutzrecht gelte.

Zu den 18 Eckpunkten für den geplanten Vertrag, von dem sich die Grünen wichtige Weichenstellungen für ihre parlamentarische Arbeit versprechen, zählt von Notz "Breitband als Teil der Daseinsvorsorge" sowie alternative Vergütungsmodelle. Die von der Fraktion bereits seit Langem ins Spiel gebrachte Kulturflatrate werde gerade erneut wissenschaftlich untersucht, berichtete von Notz. Parallel fände er es gut, wenn es nach dem Ende der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft zumindest vorübergehend einen Ausschuss gäbe, der das Thema führend im Parlament umsetze. Letztlich müsse sich das Internet aber von sich aus durch alle Bereiche der Arbeit der Volksvertreter ziehen. (anw)