Windows Phone 8 mobilisiert nicht nur .NET-Entwickler

Microsoft setzt mit Windows Phone 8 ein deutliches Signal für Entwickler und Anwender – das Unternehmen möchte den Rückstand auf die Konkurrenz von Apple und Google aufholen. Das mobile Betriebssystem ist jedoch eng an den Erfolg oder Misserfolg von Windows 8 gekoppelt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 30 Kommentare lesen
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Tam Hanna
Inhaltsverzeichnis

Microsoft setzt mit Windows Phone 8 ein deutliches Signal für Entwickler und Anwender – das Unternehmen möchte den Rückstand auf die Konkurrenz von Apple und Google aufholen. Das mobile Betriebssystem ist jedoch eng an den Erfolg oder Misserfolg von Windows 8 gekoppelt.

Egal wie Microsoft Windows Phone 7 auch dreht, wendet und vermarktet, vergleicht man das mobile Betriebssystem mit seinem Vorgänger, ist es nicht schwierig, den Sieger zu ermitteln. Das ist übrigens nicht nur die Meinung des Artikelautors, auch Tomi Ahonens Untersuchungen zu den Marktanteilen im Mobilsektor sprachen über lange Zeit dieselbe Sprache. Das ist nicht weiter verwunderlich. Während Windows-Mobile-Geräte computerartig aufgebaut waren und sich deshalb wie ein Computer verhielten (Stottern bei Überlastung), sahen sich die neuen Maschinen als "Mediaplayer" mit bescheidenen Zusatzfunktionen.

Diese unterschiedliche Herangehensweise trug dazu bei, dass das Betriebssystem bei Umsteigern nicht wirklich populär war. Wer unter Windows Mobile aufwuchs, konnte mit Windows Phone 7 (WP7) nichts anfangen – auf Symbian-Seite kursiert die berühmte Liste der "100 lacking Lumia features", auf die Nokia leider mit dem künstlichen Deaktivieren von Funktionen in Symbian Belle reagierte.

Dabei war all das nicht notwendig. Wer einen Blick unter die Haube von WP7 wirft, bemerkt, dass sich nicht allzu viel geändert hat. Als Kernel dient nach wie vor das von Windows Mobile bekannte Windows CE, die Explorer-Shell wurde durch eine neue Oberfläche ersetzt. Ein weiterer Unterschied besteht in der Runtime – WP7 ist für Drittanbieter nur in Managed Code programmierbar. Da OEMs unter C++ programmieren dürfen, ist das eine willkürliche Beschränkung.

Konvergenz ist im Mobilmarkt allgegenwärtig. Zum Beispiel vereinten sich Handy und PDA zum Smartphone. Dabei treten Kannibalisierungseffekte auf: PCs gerieten durch Notebooks in Bedrängnis. Diese bekamen von Netbooks Druck, die Computerchen werden ihrerseits wiederum durch Tablets attackiert. Microsoft möchte diesem Trend durch die Vereinheitlichung seiner Angebote entgegentreten. Für den Endanwender bedeutet das, dass sich alle Microsoft-Produkte ähnlich verhalten, ähnlich aussehen und miteinander interagieren – die XBox 360 bekam ihr "Kachel-Upgrade" schon vor einigen Monaten.

Ein derartiges Ökosystem entwickelt bei intelligenter Implementierung eine enorme Anziehungskraft. Nicht umsonst erweitert Apple seinen iTunes-Store permanent um neue Features, die auf allen Endgeräten funktionieren. Die ersten Käufer eines WP7-Geräts bekamen von ihrem Netzbetreiber eine kostenlose XBox 360 – und so weiter und so fort. Der Hintergedanke dabei ist, den Benutzer durch seine Käufe an die Plattform zu binden. Wer einmal einige hundert Euro in Spiele und Anwendungen investiert hat, bleibt auch nach der dritten absichtlichen Fehlerreparatur (zähneknirschend) beim Betriebssystem.

Windows Phone 8 unterscheidet sich konzeptionell von seinem Vorgänger. Statt des seit Jahren bekannten Windows-CE-Kernels kommt in WP8 erstmals der vom PC und/oder Server bekannte NT-Kernel zum Einsatz. Das hat den Vorteil, dass die Entwicklung von Treibern um einiges einfacher ist. Quasi als Nebeneffekt fällt die extrem strenge Hardwarereglementierung weg. WP8 kommt mit NFC (Near Field Communication), ordentlichen Dateisystemen (NTFS) und mehrkernigen Prozessoren zurecht. Allerdings sollten Entwickler und Endanwender von dieser gemeinsamen Basis nicht allzu viel erwarten. Das Übernehmen beliebiger Programme vom Desktop auf das Smartphone geht nach wie vor nicht – eine Rekompilierung bleibt erforderlich.

Auch sind die Module nicht eins zu eins identisch. WinRT am Desktop bietet viel mehr Funktionen als die Version fürs Mobiltelefon. Es ist also wie zu Zeiten von .NET und .NET Compact Framework davon auszugehen, dass sich nicht jedes Modul ohne Änderungen übernehmen lässt.

Die für die Lizenznehmer wichtigste WP8-Neuerung besteht darin, dass die Hardware ab sofort nicht mehr zwangsweise eine nicht mehr zeitgemäße Auflösung von 800 x 480 Pixeln bieten muss. Stattdessen kennt WP8 die zwei weiteren Bildschirmformate WXGA (768 x 1280) und 720p (720 x 1280), die das Bauen konkurrenzfähiger Telefone ermöglichen. Diese Erweiterung wird auf Herstellerseite dankbar angenommen. Sowohl das Lumia 920, das HTC Windows Phone 8X (man beachte den Namen) und das Samsung ATIV S enthalten große Bildschirme in einem der neuen Formate. Im HTC Windows Phone 8S und Lumia 820 muss man mit 800 x 480 Pixeln auskommen – der Doppelkern-Prozessor ist aber auch dort fix verbaut.