Apple-Stores: Vorbild für den stationären IT-Fachhandel?

Erfolgreiche Firmen machen alles richtig. Kein Wunder daher, dass auch die Apple-Stores von vielen als Vorbild für den stationären IT-Fachhandel betrachtet werden. Doch jetzt gibt es erste Stimmen, die behaupten, dass Apple die besten Zeiten schon wieder hinter sich habe. Und andere meinen, dass sich zwar ein Hersteller, nicht aber ein Händler kostspielige Lifestyle-Läden leisten könne.

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Von
  • Damian Sicking

Liebe IT-Fachhändler,

Handelsblatt vom 25. Oktober 2012

in der vergangenen Woche stand ich mal wieder unter Adrenalin-Hochwasser. Ich hatte mich nämlich breit schlagen lassen, die Moderation des Tech-Data-Kongresses zu übernehmen, der im Rahmen der Hausmesse "Forum“ Premiere hatte. Gott sei Dank lief alles prima, es gab interessante und lebhafte Gespräche und Diskussionen. Vor allem die Gesprächsrunde mit dem Titel "Der stationäre IT-Fachhandel – ein Auslaufmodell?" war gut besucht. Und trotz meiner Anspannung und Konzentration musste ich dann im Verlaufe der Diskussion doch schmunzeln. Und das kam so.

Gastgeber Michael Dressen stellte die These auf, dass der stationäre Fachhandel eine gute Zukunft habe, wenn er sich präsentiere wie die Apple-Shops. Darauf entgegnete notebooksbilliger.de-Chef Arnd von Wedemeyer, dass sich so ein Konzept nur ein Hersteller, aber kein Händler leisten könne, weil kein Kunde dies honoriere. Er erntete Widerspruch von Gravis-Chef Archibald Horlitz (Gravis-Homepage: „Wer Lifestyle will, geht zu Gravis“). Dann flogen die Bälle hin und her zwischen den Diskussionsteilnehmern (außerdem noch Fujitsu-Vice-President Hans-Dieter Wysuwa, EP-Geschäftsführer Karl Trautmann und Cyberport-Geschäftsführer Fritz Oidtmann). Irgendwann meldete sich Lenovo-Vice-President Stefan Engel zu Wort und erklärte zum Staunen des Podiums und auch des Publikums, der Hype um Apple sei vorbei, ab jetzt gehe es mit dem Unternehmen wieder bergab. Da wendete sich einer der Teilnehmer an Gastgeber Michael Dressen und raunte ihm zu: "Liest der Engel dieselben Zeitungen wie wir?“ Da musste ich dann doch schmunzeln.

Gut, wir wissen nicht, welche Zeitungen Lenovo-Manager Stefan Engel für gewöhnlich liest, aber an jenem Donnerstagmorgen war es vermutlich das Handelsblatt. Denn die Wirtschaftszeitung aus Düsseldorf brachte in der Ausgabe einen großen Artikel mit der Überschrift "Die Euphorie über Apple ist verflogen“ (da ich den Artikel auf der Handelsblatt-Homepage nicht gefunden habe, habe ich davon ein Foto gemacht und hier zu meinem Artikel gestellt). Aus Anlass der Vorstellung des iPad Mini behauptet die Autorin dieses Beitrags, dass viele Apple-Kunden zunehmend genervt seien von den immer kürzeren Produktzyklen des US-Herstellers. Als Beleg für diese Behauptung zitiert sie einen gewissen Patrick, der twitterte: "Super, kauf dir bloß kein Apple-Produkt, könnte morgen schon veraltet sein." Beispiel: Erst im Frühling dieses Jahres brachte Apple das iPad der dritten Generation auf den Markt; doch schon Anfang November wird es vom neuen iPad 4 als neuem Flaggschiff abgelöst.

So, und dann kommt es erst so richtig, und das dürfte Lenovo-Manager Stefan Engel mit großer Zufriedenheit gelesen haben. Handelsblatt-Autorin Catrin Bialek schreibt:

„Die unbändige Sympathie der Kunden für Apple scheint nachzulassen. `Im Agenturumfeld arbeiten viele einst ergebene Apple-Fans – bei denen bemerke ich eine allgemeine Apple-Müdigkeit´, sagt Florian Gmeinwieser, Geschäftsführer der zur Serviceplan-Gruppe gehörenden Digitalagentur Plan.Net. Die jungen Kreativen, die in seiner Agentur arbeiten, würden Konkurrenzmarken wie Samsung oder HTC bevorzugen. `Die Jungen sagen: Apple ist was für alte Leute.´ (…) Die jungen Leute wollten sich abgrenzen und könnten dadurch nicht dieselben Geräte verwenden wie ihre Eltern.“

Soweit das Zitat aus dem Handelsblatt-Artikel vom Donnerstag vergangener Woche. Zu dieser negativen Berichterstattung passen Meldungen ebenfalls von vergangener Woche über "schwache Quartalszahlen" von Apple. "Schwache Quartalszahlen" deshalb hier in Anführungszeichen, weil der Umsatz "lediglich" um 27 und der Gewinn "nur" um 24 Prozent über dem vergleichbaren Vorjahresquartal lag; aber die Analysten hatten mehr erwartet und deshalb waren sie enttäuscht.

Dazu ein paar kurze Bemerkungen von mir. So sehr sich Wettbewerber wie Lenovo-Manager Stefan Engel wünschen, dass die Vormachtstellung von Apple in einigen Marktsegmenten beendet wird, für einen Abgesang ist es sicher noch viel zu früh. Aber dennoch: Der Absturz kann schnell gehen, wenn man plötzlich die Gunst seiner Fans verliert. Aktuelles Beispiel außerhalb der Branche: Puma. Der Sportartikel und Fashion-Hersteller verliert derzeit rasant an Sympathie bei seinen Kunden und schlittert momentan fast ungebremst in die Krise. Dabei war Puma noch vor kurzem eines der hippsten Lifestyle-Label im Fashion-Bereich. Überhaupt gibt es zwischen Puma und Apple einige interessante Parallelen: Beide waren vor 15 bis 20 Jahren kurz vorm Exitus und erlebten anschließend dank zweier eigenwilliger Firmenchefs (Steve Jobs bei Apple, Jochen Zeitz bei Puma) eine sagenhafte Wiederbelebung.

So viel zu Apple. Ob der Hersteller aus Kalifornien bei der Frage nach der Zukunft des stationären IT-Fachhandels in Deutschland irgendwie hilfreich sein kann…, also ich weiß nicht. Wir haben uns an dieser Stelle ja schon mehrmals mit der Frage beschäftigt, ob und wie der stationäre Handel eine Zukunft hat. Seitdem hat sich seine Lage nicht gerade verbessert. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang: Auf meine Abschlussfrage an die Teilnehmer der Diskussionsrunde auf dem Tech-Data-Kongress, wer von ihnen seinen Kindern empfehlen würde, sich mit einem stationären IT-Fachhandelsgeschäft selbstständig zu machen, hoben nur drei der sieben Branchenexperten die Hand.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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