Bundesregierung rechtfertigt EU-Überwachungsprojekt CleanIT

Das von der EU finanzierte Vorhaben beschränke sich auf "gewalttätige oder -befürwortende Formen des Terrorismus und Extremismus", betont das Innenministerium. Es gebe keine Vorstellungen über Formate, die automatisch aufgespürt werden sollten.

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Die Bundesregierung hat sich hinter das in die Kritik geratene Überwachungsprojekt CleanIT gestellt. Das Vorhaben beschränke sich auf "gewalttätige oder -befürwortende Formen des Terrorismus und Extremismus", betont das federführende Bundesinnenministerium in einer jetzt veröffentlichten Antwort (PDF-Datei) auf eine Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. "Vollständig legale Inhalte sind ausdrücklich nicht Gegenstand der Beratungen." Auch Computerkriminalität im Allgemeinen, strafrechtlich nicht relevante, diskriminierende Hass-Äußerungen im Internet, "illegale Software" oder "Kinderpornographie" blieben außen vor.

Das Innenressort bezieht sich damit offenbar auf den im August publizierten jüngsten Entwurf für einen Maßnahmenkatalog. Dieser ist tatsächlich stärker auf die Terrorbekämpfung ausgerichtet. Eine erste Zusammenfassung des Projektverlaufs, die im Januar bekannt wurde, umriss dagegen ein Meldesystem für sehr weit gefasste "illegale oder unerwünschte" Online-Inhalte. Ausdrücklich war etwa auch von Urheberrechtsverletzungen und Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs die Rede.

Es gebe keine Vorstellungen der beteiligten Sicherheitsbehörden über Medienformate, die automatisiert aufgespürt werden könnten, heißt es in der Antwort. Die Projektpartner, zu denen außer den niederländischen Initiatoren auf öffentlicher Seite Vertreter von Justiz- und Innenministerien Deutschlands, Großbritanniens, Belgiens und Spaniens gehören, wollen nicht ausschließen, dass automatische Erkennungssysteme für verdächtige Inhalte eingesetzt werden. Eine "Materialsammlung", die die Bürgerrechtsorganisation "European Digital Rights" (EDRi) jüngst ins Netz stellte, legte sogar nahe, dass "Upload-Filter" verwendet werden sollen.

Aus der Antwort der Regierung geht weiter hervor, dass dem Projekt insgesamt 407.134 Euro bereit stehen, wovon 80 Prozent von der EU getragen werden. Deutschland habe als Partner einmalig einen Anteil von 10.000 Euro zugeschossen. Für weitere Informationen, wie künftige Ausgaben vergeben, zweckgebunden und bewilligt werden sollen, seien die Niederlande verantwortlich, sie seien der Bundesregierung nicht bekannt. Als deutsche Behörden seien bisher das Innenressort, Mitarbeiter des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes sowie an einer Konferenz in Berlin im Juni ein Vertreter der Aufsichtsbehörde jugendschutz.net an Gesprächen beteiligt gewesen.

Über Firmen, die an den bisherigen Projekttreffen teilgenommen haben, schweigt das Ministerium. Die Liste von Tagungsteilnehmern sei als vertraulich eingestuft worden und könne nur bei der Geheimschutzstelle des Bundestags von Berechtigten eingesehen werden. Sie werde nicht veröffentlicht, um vertrauliche internationale Beratungen zu gewährleisten.

Die Öffentlichkeit kann sich laut Innenministerium jederzeit über den Sachstand der Initiative auf deren Webseite informieren oder Fragen und Anregungen etwa an die Verantwortlichen in den Niederlanden richten. Die Regierung erklärt, keinen Klarnamenzwang im Internet über die bisherigen gesetzlichen Regelungen etwa zur Impressumspflicht im Telemediengesetz hinaus einführen zu wollen. Prinzipiell sei nicht jede Verpflichtung, die Anonymität im Netz aufzuheben, völkerrechtswidrig. Auch Filtertechniken widersprächen nicht "an sich" den Grundrechten.

Hunko sorgt sich, dass der eingerichtete "Stammtisch zur Internetüberwachung" das hiesige Trennungsgebot der Arbeit von Polizeien und Geheimdiensten aushebele. CleanIT sei eingerichtet worden, um den Bedarf von Filter- und Überwachungstechnik für Sicherheitsbehörden zu ermitteln. Nur so sei verständlich, weshalb auch das Büro des europäischen "Anti-Terror-Koordinators" Gilles de Kerchove teilnahm. Dieser fordere unter anderem grenzüberschreitende heimliche Online-Durchsuchungen.

Hunko meint, das CleanIT unterfüttere eine Form der "Politikwäsche", bei der Vorhaben, die im eigenen Land nicht durchsetzbar sind, auf die internationale Ebene geschoben werden. Vor allem die Geheimniskrämerei mache Projekte wie CleanIT gefährlich. Die Öffentlichkeit müsse wissen, wer beim nächsten, voraussichtlich abschließenden Treffen im November in Wien die Inhalte vorgibt. (anw)