3D-Druck: Mehr als nur ein Hype?

Was vor rund 25 Jahren als Rapid Prototyping in der Großindustrie anfing, erreicht nun die Heimanwender und Design-Werkstätten: Kleine computergesteuerte Maschinen, vor allem die immer populäreren 3D-Drucker könnten industrielle Fertigung revolutionieren. Oder doch nicht? Eine Debatte.

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Von
  • Christopher Mims

Was vor rund 25 Jahren als Rapid Prototyping in der Großindustrie anfing, erreicht nun die Heimanwender und Design-Werkstätten: Kleine computergesteuerte Maschinen, oft als Open Hardware konzipiert, eröffnen die Möglichkeit, dezentral Unikate oder Kleinserien zu produzieren. Mit dem 1100 Dollar teuren 3D-Drucker Thing-o-Matic können Verbraucher erstmals eine Technik nach Hause holen, die sich bislang nur Unternehmen leisten konnten. Der Hersteller Makerbot Industries hat kürzlich gar den ersten Shop für 3D-Drucker in New York eröffnet. Werden diese neuen Fertigungsmaschinen für jeden die industrielle Produktion revolutionieren, ja am Ende auf den Kopf stellen?

Nein! sagt Christopher Mims.

Gerade unter Computernerds ist eine Haltung verbreitet, die von den Erfahrungen mit Rechnern und Elektronik geprägt ist: Eigentlich sind unsere Möglichkeiten unbegrenzt, doch sie werden vorsätzlich vom Chaos der physischen Welt zurückgehalten. Diese Haltung hat die Heilserwartungen der Singularitätsverfechter oder die Pamphlete über die Verheißungen der Virtuellen Realität in den neunziger Jahren geprägt. Jetzt hat sie einen neuen Gegenstand: den 3D-Druck.

3D-Drucker sind inzwischen sogar für Hobbybastler erschwinglich. Schon erklären die Betreiber von The Pirate Bay „Physibles“ zur nächsten Front im Kampf gegen das Urheberrecht. Selbst besonnene Köpfe wie Clive Thompson und Tim Maly malen bereits das Ende des Gütertransports an die Wand: Wir sollten uns schon mal mit den Science-fiction-Phantasien von Cory Doctorow vertraut machen, die eine Welt zeichnen, in der jedes beliebige Objekt aus Energie und Rohstoffen synthetisiert werden kann.

Diese Vorstellung ist nicht nur voreilig, sie ist absurd. Genau wie vorher die Virtuelle Realität wird der 3D-Druck als eine Technologie beschrieben, die einer steil ansteigenden Trendkurve folgt – vorangetrieben durch Fortschritte an bereits vorhandenen Systemen. Sicher, einiges von dem, was gerade etwa im Rapid Prototyping passiert, ist ziemlich cool.

Doch wer glaubt, der 3D-Druck werde sich in absehbarer Zeit zu einer reifen Technologie mausern, die alle Waren herstellen kann, verkennt völlig die Komplexität der industriellen Fertigung. Mehr noch, er verkennt die Schwierigkeiten, die mit der Verarbeitung von Materie einhergehen.

Nehmen wir den Mechanismus eines 3D-Druckers. Die meisten Geräte legen auf einer Plattform Schichten aus geschmolzenem Plastik ab. Das ist eine tolle Sache, wenn man billiges Plastikspielzeug mit einer begrenzten räumlichen Auflösung drucken will, etwa einen Mii – einen Avatar aus den Spielen der Nintendo-Konsole Wii – oder ein individuelles iPhone-Gehäuse. 3D-Druck ist jedoch nicht dasselbe wie das Brennen von Keramik, das Schmelzen von Metall oder die Herstellung von Glas aus Sand und Kalk. Es gibt etliche Gründe – hinsichtlich der Umwelt, der Gesundheit oder der Haltbarkeit –, Dinge aus derartigen Materialien nicht durch solche aus Plastik zu ersetzen.

Die Verfechter des 3D-Drucks verkennen auch, dass viele Alltagsgegenstände aus natürlichen Stoffen gemacht werden – aus guten Gründen. Holz etwa ist, auf das Gewicht bezogen, fester als Stahl. Auch der Trend, Verpackungen aus Papier, Bambus oder sogar Pilzen herzustellen, weil sie stabil und billig sind, spricht dafür, dass in Zukunft eher mehr als weniger aus solchen Materialien hergestellt wird.

Die Sehnsucht, traditionelle Fertigungsverfahren durch 3D-Druck zu ersetzen, ist vor allem eines: eine Ideologie. Alle Waren mit Hilfe einer Kiste in einem Winkel unserer Wohnung herzustellen, hat durchaus einige verlockende Implikationen, von der Mass Customization bis zum „Ende des Konsumismus“. Wer würde bei solchen Aussichten nicht zu einem wahren Gläubigen?

Doch auf jeden Hype folgt unausweichlich die Ernüchterung, oder zumindest die Gleichgültigkeit. Es wäre traurig, wenn der 3D-Druck in ein besonders tiefes Tal des „Gartner Hype Cycles“ stürzen würde. Er hat sicher viele interessante Anwendungen. Diejenigen mit den größten Auswirkungen werden jedoch in herkömmlichen Fabriken stattfinden, in denen Rapid Prototyping bereits viel verändert hat.

Ja! sagt Tim Maly.

Das Druckgewerbe war früher einmal eine Schwerindustrie. Die Lettern wurde in Gießereien hergestellt. Hatte man genug Lettern für ein Buch gegossen, hatte man eine ordentliche – und ziemlich schwere – Menge Metall beisammen. Neue Lettern zu erstellen, erforderte umfangreiche Investitionen. Heute wählt man Schriftarten aus Online-Menüs aus, und Desktop-Drucker können jede erdenklich Type wiedergeben.

Die Entwicklung verlief also von massiven metallischen Drucktypen und zentralisierten Druckerpressen hin zum heutigen Desktop-Druck. Der funktionierte in den Anfangstagen noch als Nadeldruck. Nach dem Motto: „Wir geben Ihnen eine hässliche Schrift, Sie brauchen auch Spezialpapier, aber dafür können Sie das zuhause machen.“ Viel konnte man damit nicht anfangen, nur ein paar nützliche Anwendungen gab es. Doch der Gebrauch von Nadeldruckern war groß genug, um weitere Verbesserungen der Technik anzuregen.

Heute lohnt es sich für die meisten Menschen, einen eigenen Drucker und stapelweise Papier zu haben. Beides kostet fast nichts mehr. In Büros gibt es gar eigene Papier-Lagerräume. Entsprechend hat sich das Geschäftsmodell von Druckereien verändert: Sie verkaufen nun vor allem großformatige oder hochwertige Drucke, oder sie bieten umfangreiche Seriendrucke an.

Dieser Aspekt ist wichtig, wenn wir Christopher Mims’ Feststellung betrachten, es sei "absurd“, dass aus dem 3D-Druck je eine reife Technologie werden könne.

Er hat recht, wenn er betont, dass der 3D-Druck gegenwärtig kein Ersatz für industrielle Zulieferketten ist. Es handelt sich eindeutig um eine Übergangstechnologie. Die Auflösung ist scheußlich, die Gegenstände sind nicht sehr robust, und recyceln kann man das Zeug auch nicht.

Die ersten 3D-Drucker für den Heimgebrauch mögen nur Plastik, nur Objekte einer begrenzten Qualität und Größe fertigen können – das reicht vielleicht für Schmuck oder simples Spielzeug. Doch das wird sich ändern. Viele Menschen arbeiten bereits an der Weiterentwicklung, vor allem daran, das Materialproblem zu lösen.

Gleichzeitig ist es denkbar, dass ein anderer Trend verstärkend wirkt. Einige Materialien und Formate werden sich nämlich erledigen, weil man sie nicht rasch genug handhaben kann. Die meisten Dokumente sind heute im A4-Format, weil es sich nicht lohnt, ständig mit Dutzenden anderen Papierformaten zu hantieren.

Wichtig ist auch: Man sollte 3D-Druck und Desktop-Fertigung nicht in einen Topf werfen. Denn die Desktop-Fertigung ist mehr als ein 3D-Drucker. Sie umfasst auch CNC-Fräsen, Laserschneider und Drehbänke. Eine Designwerkstatt hat Werkzeuge, um nicht nur die Fertigung, sondern auch die Endbearbeitung von ansehnlichen Prototypen vorzunehmen. Keines dieser Werkzeuge hat auch nur annähernd diese Sciencefiction-Anmutung wie der 3D-Drucker. Es handelt sich vielmehr um bewährte Technologien, die Jahr für Jahr billiger werden.

Und wenn die Kosten nur tief genug fallen, wird etwas Interessantes passieren. Ab einem gewissen Punkt rechnet es sich bei kleinen Produktionsserien nicht mehr, die Sachen in China herstellen und in Containern herbringen zu lassen. Ab einem gewissen Punkt erfordert die Fertigung von neuen Dingen auch keine großen Investitionen mehr. Die Fabrication Shops, die jetzt überall aufpoppen, wiederholen nur die Entwicklung, die Druckereien schon hinter sich haben.

(nbo)