Diktatur mit elektronischem Geld

Nordkorea liefert in diesem Monat erneut ein Beispiel, wie neue Technologien die Kontrolle über die Untertanen verbessern können. Nach Medienberichten sollen in der Hauptstadt Pjöngjang elektronische Geldkarten eingeführt worden sein.

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Von
  • Martin Kölling

Nordkorea liefert in diesem Monat erneut ein Beispiel, wie neue Technologien die Kontrolle über die Untertanen verbessern können. Nach Medienberichten sollen in der Hauptstadt Pjöngjang elektronische Geldkarten eingeführt worden sein.

Ich bin ein Freund des Bargeldes. Bezahlen mit Münzen und Scheinen ist mein stiller Protest gegen die Datensammelwut, die immer mehr Unternehmen – und möglicherweise auch dem Staat – tiefe Einblicke in mein Leben, Handeln und Denken erlaubt. Ich blättere es im Convenience Store, im Supermarkt, in der Kneipe mit einem innerlich triumphierenden "Ha, wieder einmal Eurer Kontrolle entronnen!" auf den Tresen. Elektronisches Geld, wie es sich auch hier in Japan epidemisch verbreitet, nutze ich fast nur für meine Zugtickets – aus Bequemlichkeit. Aber natürlich kaufe ich inzwischen alles mögliche online und werde damit verfolgbar. Immer diese Widersprüche.

Doch kürzlich machte mir eine Nachricht aus Nordkorea bewusst, dass Klagen über den gläsernen Bürger erstens – konsequent zu Ende gedacht – berechtigt sind, dennoch zweitens in Demokratien übertrieben wirken, weil uns bisher vielleicht wirtschaftliche Nachteile drohen, aber kaum Schaden an Leib und Leben. In Nordkorea ist dies womöglich anders: Das dortige Regime hat diesen Monat laut einem Bericht der Zeitung "Mainichi" in der Hauptstadt Pjöngjang elektronische Geldkarten eingeführt.

Laut der Meldung erhalten die Hauptstädter ihre Gehälter auf die Karte gezahlt, inklusive Versorgungsgutscheine. Außerdem soll demnach in staatlichen Geschäften nur noch mit der Karte bezahlt werden können. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass die Städter subventionierten Reis kaufen und dann mit Gewinn auf freien Märkten wieder verkaufen. Die Rückverfolgbarkeit des Geldflusses kann diesen Zweck durchaus erfüllen – das Regime ist bei Verstößen gegen die örtlichen Gesetze sehr freizügig bei der Vergabe von Plätzen in Arbeitslagern.

Auf der anderen Seite hat die disziplinierende Wirkung elektronischen Geldes in einigen Situationen auch positive gesellschaftliche Folgen. In Afrika beispielsweise verbreiten sich Geldtransfers per Mobiltelefon. Teilweise können auch Steuern und Gebühren online bezahlt werden. Dies wiederum kann die Korruption eindämmen. Lange Rede, kurzer Sinn: Neue Techniken schaffen keine Diktaturen, aber sie können Diktaturen stärken. Und für uns Bürger sollte dies eine Erinnerung sein, dass Demokratie nicht gottgegeben ist, sondern erkämpft wurde und auch heute verteidigt sein will. Zum Beispiel durch strikten Datenschutz und strikte Reglementierung der Datensammler. (bsc)