Countdown für Containerriesen

Containerschiffe sind Sinnbild der Globalisierung. Mit dem zunehmenden Welthandel werden die Frachter immer größer, die nächste Generation der Riesenschiffe ist bereits im Bau. Deutschland rüstet sich mit dem neuen JadeWeserPort für diese Zukunft.

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Von
  • Daniel Hautmann
Inhaltsverzeichnis

Containerschiffe sind Sinnbild der Globalisierung. Mit dem zunehmenden Welthandel werden die Frachter immer größer, die nächste Generation der Riesenschiffe ist bereits im Bau. Deutschland rüstet sich mit dem neuen JadeWeserPort für diese Zukunft.

Sand. So weit das Auge reicht: Sand. Am Rande Wilhelmshavens sieht es aus wie in der Wüste. Doch der Hafen, der hier aus dem körnigen Boden entsteht, ist keine Fata Morgana. Auf einem Areal, annähernd so groß wie 200 Fußballfelder, dröhnen Hammerschläge, rumpeln Bagger, und immer wieder leuchten die neongelben Sicherheitswesten der Arbeiter auf. Seit fünf Jahren arbeiten sie hier an Deutschlands modernstem Containerschiffhafen. 50 Millionen Kubikmeter Sand haben sie vom Grund des Jadebusens geschlürft und auf die seicht abfallende Uferzone gespült. Eine Milliarde Euro hat der neue JadeWeserPort gekostet, der künftig die größten Containerschiffe der Welt in Empfang nehmen soll.

Die schwimmenden Giganten werden derzeit in Südkorea gebaut. 2013 sollen die ersten ihrem Auftraggeber, der dänischen Container-Linienreederei Maersk Line, ausgeliefert werden. Die neuen Rekordhalter werden 18000 Standardcontainer (TEU für Twenty-foot Equivalent Unit) in ihrem stählernen Wanst aufnehmen können und – unter anderem im JadeWeserPort – wieder ausspucken. Weil heutige Containerschiffe generell einen Tiefgang von 14 Metern und mehr haben, brauchen sie entsprechend tiefe Häfen, um überhaupt anlegen zu können. "Wir garantieren 18 Meter Wassertiefe", sagt Terminal-Geschäftsführer Marcel Egger von Eurogate, einem Unternehmen, das zahlreiche Terminals in Europa betreibt, unter anderem den in Wilhelmshaven. "Hamburg und Bremerhaven können das nicht bieten." Ob die 18 Meter aber wirklich einen Wettbewerbsvorteil für den JadeWeserPort bedeuten, bleibt abzuwarten. Denn mit einem Tiefgang von 14,5 Metern ist die neue Klasse flacher gebaut als das derzeit größte Containerschiff der Welt, die "Emma Maersk". Die Schiffe der neuen Generation könnten somit auch Hamburg oder Bremerhaven problemlos anlaufen – vorausgesetzt, diese Häfen können ihre geplanten Fahrrinnen-Vertiefungen durchführen. Für den Hamburger Hafen ist eine Elbvertiefung bereits im Planfeststellungsverfahren verankert, auch Bremerhaven will sich mit einer Vertiefung der Weser für die großen Schiffe rüsten.

Ob der geringere Tiefgang der neuen Schiffe einen strategischen Hintergrund hat, um wieder mehr Häfen bedienen zu können, bleibt unklar – die Reederei Maersk äußerte sich hierzu auf Anfrage von Technology Review nicht. Die Angaben sind ohnehin mit Vorsicht zu genießen, meinen Fachleute. Noch im letzten Jahr nannte Maersk 16,7 Meter als Tiefgang für die neue Schiffsgeneration. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Reederei die Branche mit falschen Zahlen überrascht: Anfangs sollte auch die "Emma Maersk" angeblich nur für 11000 TEU ausgelegt sein. Als die Konkurrenz dann 14000-TEU-Frachter ankündigte, sprach Maersk plötzlich von 15500 TEU. Wundern würde es in der Branche wohl niemanden, wenn die neue Klasse größer ausfiele und doch mehr Tiefgang hätte.

Einen eindeutigen Vorteil hat der JadeWeserPort allerdings: Schiffe erreichen Wilhelmshaven einen Tag schneller als Hamburg. Zudem können sie dort effizienter abgefertigt werden: An der 1725 Meter langen Hafenkante ist Platz für vier der 400 Meter langen Riesenfrachter. Jeder Tag weniger erspart den Reedereien mindestens 25000 Euro. Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen glaubt daher, dass der JadeWeserPort Schiffe von den anderen deutschen Großhäfen abziehen wird: "Ein Teil der größten Schiffe könnte Hamburg meiden und ausweichen." Für Hamburg und Bremerhaven ist das Wilhelmshavener Großprojekt also eine ernsthafte Bedrohung. Schließlich garantieren die Häfen zahlreiche Jobs – solange der Containerstrom nicht abreißt und der Gewinn stimmt.

Und nur um den geht es. Die Einnahmen in der Frachtschifffahrt sind in den letzten Jahren eindrucksvoll gestiegen: Brachte der Transport eines Standardcontainers von Shanghai nach Rotterdam noch bis vor Kurzem rund 1000 Euro, sind es inzwischen 1650 Euro. Die neue Klasse mit 18000-TEU-Kapazität soll Maersk massive Wettbewerbsvorteile verschaffen. Konkurrenzschiffe werden maximal 16000 Kisten laden können, selbst die "Emma Maersk" schafft nur 15500 TEU. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was 18000 TEU bedeuten: Übereinander gestellt ergäben die 2,5 Meter hohen wie breiten und sechs Meter langen Container einen riesigen Turm von 45 Kilometern Höhe. Berge von Waren lassen sich in den Kisten verpacken. Eine fasst über 10000 iPads, ein Triple-E-Schiff könnte also 180 Millionen Tablets transportieren und wäre dann samt Ladung rund 70 Milliarden Euro wert.

Je effizienter das Schiff fährt, desto mehr verdient der Reeder. Effizienz ist bei den neuen Megaschiffen Programm. Die neue Klasse von Maersk trägt die Bezeichnung Triple-E: Die drei Es stehen für Economy of Scale (Wirtschaftlichkeit durch Größe), Energy Efficiency (Energieeffizienz) und Environmentally Improved (verbesserte Umweltverträglichkeit). In den beiden letztgenannten Disziplinen haben alle Reeder Nachholbedarf: Die meisten Schiffe verbrauchen unnötig viel Treibstoff, könnten zehn Prozent locker einsparen. Ausbaden muss das die Umwelt: Eine "Emma Maersk" stößt nach Angaben von Greenpeace auf ihren Fahrten zwischen China und Europa pro Jahr in etwa so viel CO2 aus wie ein mittelgroßes Kohlekraftwerk. Alle Handelsschiffe dieser Welt zusammen verursachen fünf Prozent der globalen CO2-Emissionen. Fachleute schätzen, dass der Anteil bis zum Jahr 2050 auf bis zu 18 Prozent ansteigen könnte. Maersk will mit seinen neuen Effizienz-Frachtern die CO2-Emissionen pro Container halbieren. Doch das geschieht nicht aus Umweltbewusstsein: "Die hohen Treibstoffkosten zwingen die Reeder, auf Effizienz zu setzen", sagt Pierre Sames, Vorstandsmitglied der Klassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd in Hamburg.