Die Quadratur des Kreislaufs

Mit spezieller Anlagentechnik machen Autobauer und Papierhersteller vor, wie sich in Produktionsprozessen Wasser sparen lässt.

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Von
  • Denis Dilba

Mit spezieller Anlagentechnik machen Autobauer und Papierhersteller vor, wie sich in Produktionsprozessen Wasser sparen lässt.

Wenn Martin Wolfram erzählt, dass er Wasserwirtschaft studiert hat und bei Volkswagen arbeitet, schaut er regelmäßig in fragende Gesichter. "Selbst Kollegen aus anderen Abteilungen bringen mein Stu-dienfach nicht unbedingt auf Anhieb mit unserem Unternehmen zusammen – Externe schon gar nicht", sagt der Ingenieur, der vor rund einem Jahr in der konzernübergreifenden Umweltabteilung angefangen hat.

Das Schattendasein des Wasserexperten dürfte aber bald vorbei sein: Spätestens seit VW-Chef Martin Winterkorn auf dem Genfer Autosalon Anfang März dieses Jahres die neuen Umweltziele des Konzerns präsentierte, ist klar: Die Wolfsburger wollen nicht nur ihren Autos den Durst austreiben, sondern auch ihren Produktionsstandorten. Ein Viertel weniger Wasser je Fahrzeug soll die weltweite Fertigung des Unternehmens bis 2018 verbrauchen. Einfach wird das nicht: Die Automobilbranche gilt neben der Papierindustrie schon heute als besonders fortschrittlich in diesem Bereich. Seit mehr als 20 Jahren sei der Wassereinsatz der deutschen Autoindustrie bereits rückläufig, gibt der Verband der Automobilindustrie an.

Ähnliches gilt für die Papierproduktion. Nur noch mit echter Ingenieurskunst kann der Sparkurs in den zwei Pionierbranchen weiter beschritten werden. Dennoch arbeiten Vertreter beider Industriezweige intensiv an Verfahren, um ihren Wasserverbrauch zu minimieren.

So zum Beispiel der VW-Konzern in seinem Werk in Salzgitter. Dort haben Wolframs Kollegen im letzten Jahr die Bearbeitung von Aluminiumbauteilen erstmals von "nass" auf "trocken" umgestellt. Durch eine Änderung der Bohrergeometrie konnte der bisher üppig eingesetzte Kühlschmierstoff auf Wasserbasis durch einen dünnen Ölfilm auf den Bauteilen ersetzt werden. Der Eingriff drückt den Wasserverbrauch am Standort Salzgitter um 90 Prozent, das sind 90000 Kubikmeter weniger pro Jahr.

Die effizienteste Maßnahme, um Wasser zu sparen, ist jedoch immer noch ein altbekannter Trick: der möglichst flächendeckende Einsatz von geschlossenen Wasserkreisläufen. So fasst etwa das Betriebswasser-Rückhaltebecken im VW-Werk Wolfsburg seit seiner letzten Ausbaustufe Mitte der sechziger Jahre auf einer Fläche von mehreren Fußballfeldern rund 1,7 Millionen Kubikmeter Wasser – mehr als 560 50-Meter-Schwimmbäder. Das Reservoir speist vor allem die Kühlkreisläufe für Schweißprozesse. Auch bei Volkswagens Konkurrenten, allen voran Ford und Daimler, gehört Wasserrecycling inzwischen zum Standard.

Die bisherigen Bemühungen reichen allerdings noch nicht, um VWs ehrgeizige Effizienzziele zu verwirklichen. Trotz aller Sparmaßnahmen steigt der Wasserbedarf des Weltkonzerns über all seine Standorte gemittelt seit 2009 kontinuierlich. In seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht macht das Unternehmen dafür die betriebsweite Produktionserhöhung verantwortlich und verweist darauf, dass der Wasserverbrauch pro Neufahrzeug im letzten Jahr erstmals gesunken sei.

Die Trendwende beim gesamten Wassereinsatz soll nun neben der trockenen Aluminiumverarbeitung ein neuer, besonders wassersparender Lackierprozess bringen, der seit Mai letzten Jahres in einem neu eröffneten VW-Werk im US-amerikanischen Chattanooga Verwendung findet. Bisher wurden die beim Farbauftrag anfallenden überschüssigen Lackpartikel von einem kontinuierlichen Luftstrom aus der Decke der Lackierkabine in einen feinen Wassernebel unterhalb der Karosserie geblasen. Der Lack löst sich dabei im Wasser, wird abgetrennt und entsorgt, während das Wasser weitere Partikel aufnimmt. Bei dem neuen Verfahren, entwickelt vom baden-württembergischen Hersteller Dürr, wird der Farbteilchen-Ausschuss nicht mehr von Wasser gebunden, sondern von einer Kalksteinpulver-Wolke.

Die Lackfalle aus Steinmehl spart gleich doppelt Wasser: Zum einen kann auf den Wassernebel selbst verzichtet werden, zum anderen ist es nicht mehr nötig, die feuchte Luft in der Lackierkammer immer wieder auszutauschen. Für einen optimalen Farbauftrag muss die Prozessluft am Eingang der Kabine auf knapp 25 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit gebracht werden. Nach Kontakt mit dem Nebel war sie zu nass, um weiterverwendet zu werden. Nun kann der Luftstrom dagegen zu rund 75 Prozent im System bleiben. "Die Anlage spart allein durch diese Maßnahme rund 190000 Liter Wasser am Tag", sagt VW-Mann Wolfram.

Auch Dürrs Hauptkonkurrent, der Anlagenhersteller Eisenmann, verzichtet bei seiner neuen Lackiertechnik auf den üblichen Wassernebel – und erzielt einen ähnlich hohen Spareffekt. Die überschüssigen Lackpartikel werden hier auf elektrisch geladenen Filterelementen abgeschieden. "Unsere Kunden wollen Wasser eigentlich erst in zweiter Instanz sparen, wichtiger sind eingesparte Energiekosten", sagt Oliver Bolk von Eisenmann.

Und genau dazu führt der weitgehend geschlossene Prozessluftkreislauf: Da die eingebrachte Wärme darin länger erhalten bleibt, muss der Anlagenbetreiber weniger heizen, zudem benötigen die Pumpen beim Anfeuchten des kleinen Frischluftanteils eine deutlich geringere Leistung. So drückt Eisenmann den Energiebedarf um mehr als 75 Prozent gegenüber der Wassernebel-Technologie. Die Dürr-Anlage kommt auf vergleichbare Werte. Für die künftige Umrüstung der VW-Werke kämen daher beide Hersteller infrage, so der Autobauer.

Besonders viel Erfahrung mit Sparmaßnahmen beim Wasser- und Energiehaushalt hat die noch wasserintensivere Papierindustrie. Beim Herstellen der Bögen wird eine bis zu 60 Grad heiße Suspension, die ein Prozent Fasermaterial enthält, über mächtige Siebe geleitet. Die Fasern bleiben darauf hängen, bilden ein Vlies, das auf beheizte Zylinder geleitet wird und dort trocknet.

"Würden wir unsere Prozesswässer nicht im Kreislauf führen, bräuchte man rund 200 Liter, um ein Kilogramm Papier auf der Maschine zu erzeugen", sagt Wilhelm Demharter, Leiter der Abteilung Umweltprojekte beim finnischen Papierhersteller UPM. Da jeder in den Kreislauf zurückgeführte Liter Heißwasser bares Geld wert ist, hat die Branche ihre Abwassermenge in den letzten 30 Jahren durch immer aufwendigere Filterstufen auf heute nur noch durchschnittlich zehn Liter je Kilogramm Papier gedrückt.

Zum Einsatz kommen dabei etwa sogenannte Mikroflotationsverfahren: In Puffertanks tragen winzige Gasblasen überschüssige Faserflocken im Wasser an die Oberfläche – wo sie abgeschöpft werden. Um noch kleinere Bestandteile und chemische Zusätze aus dem Wasser zu filtern, nutzen die Papierhersteller zusätzlich Hightech-Membranen, die teilweise nur noch nanometergroße Poren haben. "Der hohe Strombedarf solcher Ultra- und Nanofiltrationsverfahren ist aber nicht zu vernachlässigen, weder ökonomisch noch ökologisch", sagt Demharter. Daher nähere man sich mit den durchschnittlichen zehn Litern pro Kilogramm Papier heute einer Grenze, die zu unterschreiten sich oft nicht mehr lohnt.

"Wir schaffen teilweise auch schon drei Liter, aber eben nicht überall", sagt Demharter. Wie weit man unter die Zehn-Liter-Marke kommt, hänge heute von den Gegebenheiten am Standort der Fabrik und wirtschaftlichen Faktoren ab. Wasserkosten, die Energiepreise sowie Wertstoffverluste bei Nichtaufbereitung von Wässern bestimmten heute – neben strengen Gesetzesauflagen – in allen Industriezweigen über die Umsetzung von Wasserspar-Konzepten. Das weiß auch VW-Mann Wolfram: "Auch der technisch schönste Kreislauf muss sich am Ende immer rechnen." (bsc)