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Was war. Was wird.

Wahlen als dDoS-Attacke - oder zumindest die verzweifelten Versuche, Anhänger zu mobilisieren? Jedenfalls, Geschichts wird gemacht. Und wir sind dabei, direkt im Netz, freut sich Hal Faber. Derweil die Kretschmannisierung unserer Grünen voranschreitet.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Four more years – Geschichte wird geschrieben und wir waren dabei: "Es wäre absurd, nicht sehen zu wollen, dass dieser Sieg Obamas ein einzigartiger, historischer Durchbruch ist. Jetzt kämpft er mit sich selbst", schreibt Norman Birnbaum in der tageszeitung, die solch wuchtige Sätze lieber offline druckt. Four more years – der zweite Wahlsieg von Barak Obama hat Twitter einen neuen Rekord beschert, ganz ohne den Timeout-Wal früherer Zeiten. Damit ist der Adrenalin-Produzent reif für den Börsengang, ganz anders als Orca, die Unterstützungs-Software der Republikaner. Als es Ernst wurde und Romneys Freiwillige die Wähler animieren wollten, hielt dies Comcast, der Internet-Provider der Republikaner, für eine DDoS-Attacke. Ein kleiner, feiner Hinweis darauf, wie Wahlen in Zukunft ausgetragen werden können, wenn dem InterNetz eine allzu große Bedeutung zugesprochen wird: Anonymous kann auch bei der Jungen Union oder den Jusos sein – sofern Tools wie Orca oder Narwal tatsächlich wahlentscheidend sind.

*** Vier weitere Jahre oder 500 Mannjahre in der IT hat Obama nun Zeit, die technischen Themen anzugehen, die zu seinen Wahlversprechen engage and connect gehörten. Besonders viele IT-Themen waren es ja nicht, die Obama in seinem Wahlkampf angesprochen hat: Ganz oben stand die Förderung von MINT bzw. STEM (Science, Technology, Engineering, Math) durch die schnelle Ausbildung von 10.000 Lehrern in diesen Fächern: Bildung ist wichtig. An zweiter Stelle kommt das Versprechen von Obama, in seiner zweiten Amtszeit 98 Prozent des Landes mit Breitband-Internet zu versorgen. Auch die USA haben eine nationale Breitbandstrategie, ein Anliegen, das eng mit der Frage der Netzneutralität gekoppelt ist. Erinnert sei an die Auseinandersetzung von Netflix mit dem republikanischen Provider Comcast.

*** Als dritten Punkt hatte Obama von seinen Telepromptern die Entwicklung einer neuen Strategie gegen Cyber-Attacken gelesen, freilich ohne die alarmistische Warnung vor einem Cyber-Pearl Harbour wie sein Verteidigungsminister Leon Panetta. Sollte der Rücktritt des CIA-Chefs Petraeus tatsächlich auf eine E-Mail bei Google Mail zurückgeführt werden können, dürfte der Begriff Cyber-Kompromat die Cyber Security erweitern.

*** Julian Assange hat die Wahl Obamas kritisiert und den US-Präsidenten als Wolf im Schafspelz bezeichnet. Die Forderung Assanges nach der Freilassung von Bradley Manning ist ehrenwert, wenngleich von der Angst getrieben, dass Manning ihn mit seinem angekündigten Teilgeständnis belasten könnte. Wichtiger als diese Geschichte wäre eine Schließung des Lagers Guantanamo und die Vorführung der Insassen vor US-amerikanischen Gerichten. Hier könnte der Friedensnobelpreisträger Größe zeigen, auch in der Außenpolitik. Der Rest ist Hellseherei guter Statistiker.

*** In diesen unseren abstrusen wie typisch deutschen Tagen werden in den Städten die Weihnachtslampen dekoriert, die die Kaufeslust stimulieren sollen. Ein bisschen weltländisch wird noch der Tag der Toleranz gefeiert, aber dann geht es gefälligst los mit dem Kaufrausch. Davor aber bewundern wir noch den nächsten Schritt in der Kretschmannisierung der Grünen: Was der baden-würrtembergischen Abteilung ihr bekennenderKatholik, vertreten im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg und im Zentralrat der deutschen Katholiken, ist der Bundespartei ihre öffentlichkeitswirksame Protestantin, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Mitglied im Rat der EKD. Ich muss mich wohl wirklich an eine FDP für Besser-Esser gewöhnen, die den lieben Gott zwar manchmal einen guten Mann sein lässt, aber alle Mühen unternimmt, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Da passt es ja, dass Trittin seine Rolle als Gott-sei-bei-uns auch für das Bürgertum schon lange verloren hat. Gottvertrauen. Ja, ja.

*** Und wo wir schon bei Gottvertrauen sind: Ganz oben auf den Weihnachts-Wunschlisten der Geeks und Nerds stehen heuer nette Robotik-Gadgets und Baukästen für Do-It-Yourself Überwachungsanlagen. Nachdem Wired das Drohnenbasteln ausgiebig gefeierte hat, verlässt der Chef das Blatt und geht zu seiner eigenen Drohnenfirma. Zufälle gibts.

*** Seinen Weihnachtssack schon ausgepackt hat Kim, der Verschmitzte. Freies Internet für alle verspricht der Möchtegernneuseeländer – finanziert über die vielen Millionen, die er von der US-Regierung erklagen will. Es ist bei weitem nicht das gewagteste Geschäftsmodell, mit dem er an die Öffentlichkeit ging – wir erinnern uns an die Börsenintelligenzmaschine, die Superhacker-Justice-League mit Hasenallergie und den Aufsichtsrat für Shaker und Mover. Dass nur die wenigsten Haushalte ihre Internetverbindung direkt über ein Unterseekabel beziehen, fällt vielleicht demnächst jemandem auf.

*** Nach Jahren als anonymer Internet-Tycoon hat Kim, der Lautsprecher, nun reichlich Nachholbedarf. Und die Medien bescheren reichlich. Sie drucken und senden und onlinen alles, was er sagt – je sinnloser, desto fetter die Schlagzeilen. Ach nein, fett ist nicht nett. Also vielleicht nachfragen? Besser nicht. Ganz ohne Fakten liest es sich doch so viel besser, denkt die Wired und druckt eine seitenlange Speichelleckerei. Dass sich manche bei dem gräßlichen Lärm mehr als die Ohren zuhalten wollen, erscheint nur verständlich, aber anders als einst scheint niemand anderes aufzuhorchen.

Was wird.

Breitbandausbau, nationale Cyberstrategie, Förderung der MINT-Fächer, da war doch was? Richtig, der alljährlich vor Weihnachten stattfindende nationale IT-Gipfel mit der Bundeskanzlerin und ihrem weltspitzigen IT-Hofstaat steht vor der Tür. Unter dem nerdig geschriebenen Motto "digitalisieren_ vernetzen_ gründen" geht es am Tag der schlechten Wortspiele nicht in der Boomtown Berlin, sondern in der Kruppstadt Essen zur Sache. In einem schnieken Quartier digitalisierenvernetzengründen Minister und hochrangige Firmenvertreter, wo doch das Unperfekthaus vom Namen her besser passen würden. Denn alle hehren Gipfelpläne sind gegen die Wand gedonnert: Der Bundesrat hat das E-Government-Gesetz geschreddert (PDF-Datei), De-Mail ist mangels Firmeninteresse mausetot und der elektronische Personalausweis antwortet nicht unter Windows 8.

Beim Schreddern hat der Bundesrat darauf deutlich darauf hingewiesen, dass deutsche Sonderwege problematisch sind: "Die ausschließlich konkrete Nennung der zwei Technologien De-Mail und neuer Personalausweis zur Identifikation und Authentifikation bei der elektronischen Übermittlung von Nachrichten und Dokumenten ist problematisch, dass zukünftige technologische Entwicklungen, die das gleiche oder ein verbessertes Sicherheitsniveau bieten, grundsätzlich ausgeschlossen werden. Alle genannten Technologien sind darüber hinaus ausschließlich nationale Lösungen. Vor dem Hintergrund der Schnelllebigkeit der Sicherheitstechnologien sowie der großen Anzahl von EU-Initiativen zum Themenfeld der elektronischen Zusammenarbeit im Binnenmarkt (Interoperabilität) ist neben den genannten Technologien eine weitergehende Formulierung /.../ aufzunehmen." Europäische Dimensionen? Halt, halt, da basteln wir uns lieber eine eigene digitale Charta und eine eigene nationale Cybersicherheit. Noch Fragen? (jk)