US-Studie: Copyright-Einschränkungen beflügeln die Wirtschaft

Laut einer Analyse des Hightech-Verbands CCIA verdankt die US-Wirtschaft jährlich 4,5 Billionen US-Dollar Umsatz den "Fair Use"-Bestimmungen zur Eingrenzung des ausschließlichen Verwertungsrechts im Copyright.

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Laut einer Analyse des Hightech-Verbands Computer and Communications Industry Association (CCIA) verdankt die US-Wirtschaft jährlich 4,5 Billionen US-Dollar Umsatz den "Fair Use"-Bestimmungen zur Eingrenzung des ausschließlichen Verwertungsrechts im Copyright. Die im Interesse der Allgemeinheit aufrecht erhaltenen Freiräume im Umgang mit geschützten Werken haben gemäß der am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Studie mit dem Titel "Fair Use in the U.S. Economy" (PDF-Datei) damit im vergangenen Jahr ein Sechstel des Bruttoinlandprodukts der Vereinigten Staaten ausgemacht und die direkt mit dem Copyright erzielten Wirtschaftseinnahmen bei weitem überflügelt. Sollte der Report, der nach Angaben der CCIA auf Basis der Methodik der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erstellt wurde, einer wissenschaftlichen Prüfung standhalten, wäre er gleichsam ein Beleg für eine Umwertung der Werte in der ökonomischen Auswirkung des Materialgüterrechts.

Der US-Gesetzgeber hat 1976 mit der "Fair Use"-Doktrin das im Copyright begründete alleinige Recht der Verwerter geschützter Werke zum Wohle der Gesellschaft eingeschränkt. So ist es etwa erlaubt, Kopien für den privaten oder wissenschaftlichen Gebrauch zu erstellen. Auch ein Reverse Engineering von Software ist in gewissen Grenzen genauso gestattet wie etwa das Zitieren anderer Quellen in Nachrichtenartikeln oder Büchern. In Europa und Deutschland sind entsprechende Nutzerfreiheiten unter dem Fachbegriff "Schrankenrechte" für das Urheberrecht bekannt.

Laut den Autoren der CCIA-Studie, den Beratern Thomas Rogers und Andrew Szamosszegi von der US-Firma Capitol Consulting, sind die "Fair Use"-Regeln vor allem "ein wichtiges Fundament der Internetwirtschaft". So würde sich darauf etwa die Möglichkeit begründen, Ausschnitte von Inhalten in Suchmaschinen darzustellen und damit überhaupt erst ein wichtiges Werkzeug für Handel und Ausbildung betreiben zu können. Andere wichtige Anwendungsfälle seien das Webhosting, das Erstellen vorübergehender Kopien von Inhalten im Browsercache oder von Software zur Erleichterung der Arbeit an interoperablen Programmen sowie die Privatkopie allgemein.

Die Verfasser räumen zwar ein, dass der Copyright-Schutz einen Anreiz für die Produktion kreativer Werke und einen positiven Einfluss auf die US-Wirtschaft habe. Zugleich sollte aber nicht der Wert der "Fair use"-Bestimmungen unterschätzt werden. Neben der eigentlichen Informationswirtschaft würden davon auch andere Industrie- und Fertigungszweige erheblich profitieren. Mit 18,3 Prozent Wachstum seit 2002 sind die von "Fair Use" abhängigen Wirtschaftsbereiche laut der Untersuchung einer der am schnellsten wachsenden Bereiche der US-Industrie. Mehr als 10 Millionen Menschen sollen dort schon arbeiten. Die Pro-Kopf-Produktivität dieser Wissensarbeiter lag dem Report nach mit jährlich 128.000 US-Dollar deutlich über dem Durchschnitt für Angestellte von 90.000 US-Dollar. Auch für den Export spielen Ausnahmen vom Copyright angeblich eine wichtige Rolle. Ihr Beitrag soll von 578 Millionen US-Dollar im Jahr 2002 auf 2,6 Milliarden US-Dollar in 2006 hochgeschnellt sein.

"Während die Wirtschaft der Vereinigten Staaten zunehmend auf Wissen beruht, kann das Fair-use-Konzept nicht mehr länger abstrakt diskutiert werden", begründet CCIA-Präsident Ed Black die Motivation, die Studie in Auftrag zu geben. Sonst würden auch die Gesetzgeber falsche Schlüsse ziehen. Um die Innovation und die Produktivität weiter voranzutreiben, müsse "Fair Use" als einer der Ecksteine und Wachstumsmaschine für die USA aufrechterhalten werden. Die CCIA hat vor kurzem bereits Beschwerde gegen die in den USA gerade in Sportsendungen oder auf DVDs omnipräsenten Warnungen vor "unautorisierten" Kopien oder Reproduktionen bei der Federal Trade Commission (FTC) eingereicht. Sie sieht dabei die Nutzerrechte nicht hinreichend berücksichtigt. Die CCIA vertritt Konzerne wie Google, Microsoft oder Yahoo.

Der US-Abgeordnete Rick Boucher hat die Studie begrüßt und als Anzeichen gewertet, dass der Kongress endlich die Schrankenbestimmungen bekräftigen muss. Der Demokrat hat dazu bereits mit seinem republikanischen Kollegen John Doolittle im US-Repräsentantenhaus Anläufe gemacht, das ihrer Ansicht nach aus dem Lot geratene Copyright wieder ausgeglichener zu gestalten. Ihr Gesetzesentwurf hört auf den Titel "Freedom And Innovation Revitalizing U.S. Entrepreneurship Act", sinnigerweise abgekürzt mit "Fair Use". Die Nutzerrechte sind laut Boucher mit dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) komplett unter die Räder gekommen.

Die Copyright Alliance, eine Lobby-Dachvereinigung US-amerikanischer Firmen und Verbände aus den Copyright-Industrien, hat die Ergebnisse der Analyse dagegen angezweifelt. "Es gibt kein Fair Use ohne originale kreative Werke, Punkt", betonte ihr Chef Patrick Ross. Diesen entscheidenden Faktor habe die CCIA nicht ausreichend berücksichtigt. Laut dem Verband haben die auf dem Copyright begründeten Wirtschaftszweige in den USA in 2005 etwa 1,38 Billionen US-Dollar eingenommen. Elf Prozent des Bruttosozialproduktes der USA gehe damit auf ihr Konto. (Stefan Krempl) / (jk)