Vorstoß in die Fiberhood

Google will mit Gigabit-Netzanschlüssen ein neues Geschäftsfeld erschließen. Experten zweifeln jedoch, ob sich "Google Fiber" rechnen kann.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Talbot

Google will mit Gigabit-Netzanschlüssen ein neues Geschäftsfeld erschließen. Experten zweifeln jedoch, ob sich "Google Fiber" rechnen kann.

Bisher ist Google für Onlinedienste aller Art bekannt. Doch nun wagt sich der Konzern auf ein neues Geschäftsfeld: Netzwerkdienste. In Kansas City hat Google erstmals Glasfaserleitungen mit der atemberaubenden Datenübertragungsrate von einem Gigabit pro Sekunde installiert – 100 Mal größer als die durchschnittliche Bandbreite in den USA von 11,6 Megabit pro Sekunde.

Damit könnten die Kalifornier zugleich einen unorthodoxen Weg weisen, wie man Teile der Vereinigten Staaten neu ans Netz anschließt. Mehr noch: Ihre Netzwerkambitionen könnten eine neue Phase privater Breitband-Installationen einläuten.

Erstaunlicherweise ist gerade im Mutterland des Internet die Netzanbindung ein Flickenteppich aus häufig recht langsamen Leitungen auf der letzten Meile. Obwohl einige Metropolen äußerst schnelle Netzzugänge haben, rangieren die USA hinsichtlich der durchschnittlichen Bandbreite international auf Platz 24.

Für seine Netzwerkpläne hat Google das Stadtgebiet von Kansas City zunächst in 202 Quartiere unterteilt, so genannte Fiberhoods. Interessierte Anwohner konnten sich dort für eine Gebühr von zehn Dollar für die neuen Leitungen vorregistrieren lassen. In Fiberhoods, in denen sich – je nach Bevölkerungsdichte – fünf bis 25 Prozent für den Service angemeldet hatten, begann Google dann mit der Installation der Glasfaserverbindungen in den Straßen. Wer sich später umentschied und den Dienst doch nicht in Anspruch nehmen wollte, bekam die zuvor eingezahlten zehn Dollar allerdings nicht zurück.

Vergangene Woche hat Google nun sein Gigabit-Netz gestartet. Im Vergleich zu den Tarifen anderer, langsamerer Provider ist der superschnelle Dienst von Google ein gutes Angebot: 70 Dollar beträgt die Grundgebühr, wer auch TV-Daten abonniert, zahlt 120 Dollar. Dafür liefert Google eine Box mit zwei Terabyte Speicher, um Fernsehsendungen aufzeichnen zu können, sowie einen Nexus 7 Android-Tabletrechner als Fernbedienung. Wer sich mit fünf Megabit pro Sekunde bescheiden will, zahlt eine einmalige Gebühr von 300 Dollar an den Datenkonzern.

Es habe zwar einige Beschwerden über Wartelisten gegeben, sagt Jenna Wandres, Sprecherin von Google Fiber, aber ansonsten scheine alles zu funktionieren. „Wir freuen uns, wie viele Menschen in Hanover Hights nun die Glasfaser-Anbindung haben.“ Hanover Heights ist der Stadtteil von Kansas City, der vergangene Woche als erste Fiberhood ans Netz ging.

Experten sind allerdings skeptisch, ob sich der Service für Google wirklich rechnet. Die Installationskosten könnten nach Schätzungen zwischen 850 und 1250 Dollar pro Kunde liegen. Da sind die mindestens die 300 Dollar Gebühr für den Basisdienst ein Verlustgeschäft.

Google will noch keine Zahlen zu Kosten und Kunden nennen. Wandres versichert jedoch, die Strategie sei wirtschaftlich stimmig. „Das ist keine Betaphase, kein Experiment“, betont sie. „Wir konzentrieren uns voll auf Effizienz. Mit der sinken die Kosten.“

Googles Superanschluss könnte auch das Geschäftsleben in Kansas City stimulieren. Das Programm „Homes for Hackers“ versucht Hauseigentümer mit Google-Fiber-Anschluss zu motivieren, Entwicklern für drei Monate kostenlose Räume zur Verfügung zu stellen. Auch könnte das Fiberhood-Konzept neue Start-ups anziehen.

Russell Neuman, Medienforscher an der University of Michigan, sieht Google Fiber als echte Neuerung im Providermarkt. Ob es den umkrempeln werde, sei im Moment aber noch offen. „Leitungen zu verlegen, gehört nicht zum traditionellen Geschäft von Google. Aber vielleicht hat Google etwas in petto, wovon Verizon keine Ahnung hat“, sagt Neuman.

Große Netzdienstleister wie AT&T und Verizon verfolgen einen anderen Weg als der Datenkonzern aus Kalifornien. Sie konzentrieren sich darauf, in bereits vorhandenen Gebieten mit DSL-Anschlüssen die Datenraten zu erhöhen, und haben so in den letzten Jahren Millionen US-Haushalte mit Breitband-Internet versorgt.

Verizon etwa hat in den vergangenen acht Jahren 23 Milliarden Dollar investiert, um sein Glasfasernetz auszubauen. Der FiOS genannte Dienst hat inzwischen 18 Millionen Kunden. Die zahlen in einem Zweijahresvertrag 99 Dollar im Monat für Bandbreiten von bis 300 Megabit pro Sekunde im Download und 65 Megabit pro Sekunde im Upload.

„Unser Geschäftsmodell sieht nicht vor, in Gebiete zu expandieren, in denen wir noch keine Netzanschlüsse anbieten“, sagt Verizon-Sprecher Bill Kula. Google Fiber nennt er einen „Nischen-Community“- Ansatz. Man müsse abwarten, wie nachhaltig dieses Geschäftsmodell sei. „Die Frage ist auch, ob es nach solchen Bandbreiten über eine Nachfrage gibt“, fügt Kula hinzu.

(nbo)