Schäubles neues Anti-Terrorpaket nimmt Gestalt an

Der Bundesinnenminister hat seinen umstrittenen "Schäuble-Katalog" zur Aufrüstung des Bundeskriminalamts mit Befugnissen etwa für Online-Durchsuchungen und Rasterfahndungen in Gesetzesform gepackt.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat seinen umstrittenen "Schäuble-Katalog" jetzt in Gesetzesform gepackt. Nach Informationen der Tageszeitung Die Welt will der CDU-Politiker mit dem Referentenentwurf das Bundeskriminalamt (BKA) vor allem mit Befugnissen etwa für die heftig umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen und bundesweite Rasterfahndungen aufrüsten. Darüber hinaus plant er Erleichterungen beim großen Lauschangriff für die Ermittler. Der Entwurf liegt laut Welt inzwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vor. Die SPD-Politikerin hatte zuvor wiederholt beklagt, dass Schäuble und die CDU/CSU-Fraktion immer nur unkonkrete Forderungen zum Ausbau des Überwachungsnetzes erheben, aber keine konkreten Gesetzestexte auf den Tisch legen würden. Erst dann könne ihr Haus ernsthaft zu den Vorschlägen Stellung nehmen.

Das vom Innenminister angestrebte Gesetz ist "zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" gedacht. Es leitet sich laut Schäuble aus der im August von der großen Koalition im Rahmen er Föderalismusreform beschlossenen Grundgesetzänderung, mit der dem BKA im neuen Artikel 73 Nummer 9b erstmalig Gefahrenabwehr-Befugnisse mit Blick auf bestimmte terroristische Gefährdungslagen zugesprochen werden. Diese Präventivbevollmächtigungen will Schäuble nun mit Leben füllen – allerdings mit Punkten, die seit Wochen innerhalb von Schwarz-Rot für große Auseinandersetzungen und rhetorischen Schlagabtausch sorgen.

Über die diffizilen rechtlichen Details des Entwurfs ist noch nichts bekannt. Für die Genehmigung von Online-Durchsuchungen sieht Schäuble "hohe Hürden und Genehmigungsvorbehalte" vor, heißt es bislang nur. Experten und Datenschützer sind seit langem gespannt darauf, wie das Innenministerium eine verfassungskonforme Regelung bei den verdeckten Bespitzelungen von Festplatten in privaten Computern und in Speicherplattformen im Web hinbekommen will. Schäuble selbst wies in diesem Zusammenhang bereits mehrfach auf eine wohl nötige Grundgesetzänderung hin.

Bei Rasterfahndungen soll sich das BKA dem Bericht zufolge auf wenige Daten wie Name, Anschrift, Tag und Ort der Geburt beschränken. Bei der akustischen Wohnraumüberwachung bevorzugt die Union seit langem das Mitlaufen eines "Richterbands" zur kompletten Erfassung von Gesprächen, über deren Verwertbarkeit vor Gericht im Nachhinein entschieden werden soll. Zypries hält diesen Ansatz für nicht vereinbar mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum besonderen Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung.

Zudem ist laut Welt geplant, dass die Wiesbadener Behörde alle Standardbefugnisse der Länderpolizeien erhält. Dazu gehöre, dass verdeckte BKA-Ermittler auf richterliche Anordnung auch Wohnungen durchsuchen dürfen, die "nicht allgemein zugänglich" sind. Nach Verabschiedung des Gesetzes könne das BKA die Terrorabwehr wahrnehmen, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit der Landespolizei nicht festgestellt werden kann oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht.

Die Grünen wollen das Feld der inneren Sicherheit derweil nicht länger dem Koalitionszwist überlassen und am Dienstag ein entsprechendes Positionspapier der Bundestagsfraktion beschließen. "Darin bekennen wir uns zu einer Politik der inneren Sicherheit, die die Gefahren terroristischer Anschläge gezielt und differenziert vermindert, ohne aber unsere Grundrechtsordnung anzutasten", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der Welt. Vorarbeiten für das Papier hatte die Innenexpertin der Grünen im Bundestag, Silke Stokar, im Januar vorgestellt.

Demnach wollen sich die Grünen Maßnahmen wie der Videoüberwachung oder des verstärkten Austauschs zwischen Sicherheitsbehörden im Rahmen einer Anti-Terrordatei nicht komplett widersetzen. "Wir Grünen bekennen uns dazu, dass der Staat die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten muss", betonte Künast. Bei einer Vernetzung von Polizei und Geheimdiensten etwa müsse aber jede Behörde ihre Daten weiter verwalten. Kontaktanbahnungen dürften allein über eine Indexdatei möglich sein. Elektronische Kameraaugen wollen die Grünen zudem unter anderem nur auf Bahnsteigen, nicht aber auch auf Bahnhofsvorplätzen zulassen. Verdeckte Online-Durchsuchungen und eine Speicherung biometrischer Merkmale außerhalb des Funkchips der neuen Pässe lehnen die Grünen weiterhin ab.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)