Systemhäuser: Keine Angst vor der Cloud

Das Cloud-Konzept, Ressourcen on demand bedarfsgerecht und kostengünstig zu nutzen, greift hierzulande scheinbar nur eingeschränkt. Die "Vertrauensfrage" bringt den Handel ins Spiel, aber viele Systemhäuser gehen Cloud-Services noch zu zögerlich an.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Das Cloud-Konzept, Ressourcen on demand bedarfsgerecht zu nutzen und damit Kosten einzusparen, greift hierzulande scheinbar nur eingeschränkt. Insbesondere die Public Cloud ist gerade mittelständischen Unternehmen und kleineren Firmen immer noch suspekt. Sensible Daten und Informationen belässt man lieber in den vernetzten IT-Systemen des eigenen Unternehmens. Wo es kostengünstiger und flexibler sein darf, wird allerdings durchaus outgesourced. Ein Großteil der Firmen verlässt sich dabei noch eher auf altbekannte Outsourcing-Verträge als sich mit dem komplexen Thema "Vertrags- und Lizenzrecht in der Cloud" auseinanderzusetzen. Diese Situation bringt den Fachhandel in Zugzwang, birgt aber auch Chancen für Geschäftsmodelle, die optimal an die Bedürfnisse von Systemhäusern angepasst sind.

Sucht stets nach der am besten passenden Lösung für den Kunden: Peter Bruchmüller, Vorstandvorsitzender, GOESYS AG

(Bild: GOESYS)

Es geht offensichtlich weniger um "Cloud oder nicht Cloud", denn an vielen Stellen der IT-Infrastruktur sind wir schon lange an on-demand-Dienste gewöhnt und akzeptieren sie vergleichsweise fraglos. Von E-Mail bis Datenspeicherung und Datensicherung. Aber mit "der Cloud" ist auch die Vertrauensfrage wieder da. Das wirkt sich direkt auf den Fachhandel aus, und viele Systemhäuser fragen sich zögernd, welche konkreten Leistungen sie für ihre Kunden Cloud-basiert anbieten oder in welchen Bereichen sie damit am besten starten sollten.

Systemhäuser, wie die in Göttingen ansässige GOESYS AG, haben sich denn auch bewusst für einen stufenweisen Einstieg entschieden. Peter Bruchmüller ist Vorstandvorsitzender der GOESYS AG: "Bei uns haben Rechenzentrumsdienstleistungen schrittweise Einzug gehalten. Ein Beispiel: Aus dem konkreten Geschäftsalltag unserer Kunden in Praxen, Kanzleien oder bei Start-up-Unternehmen hat sich der Bedarf für eine große Exchange-Lösung herauskristallisiert. Ein lokaler, klassischer Exchange-Server überfordert aber die bestehende Infrastruktur und sprengt den Kostenrahmen. Als praktikable Lösung zum fixen Preis bietet sich ein gehostetes Microsoft Exchange dann einfach an. Ganz ähnliche Erfahrungen haben wir mit Microsoft SharePoint gemacht: Einer unserer Kunden, ein mittelständisches Industrieunternehmen, hat die komplette interne Kommunikation einschließlich der Produktionsstätten – was vorher kaum möglich war – über eine virtuelle Lösung koordiniert. Das 'elektronische Schwarze Brett' hat dann den Weg für weitere Lösungen frei gemacht."

In beiden Fällen war die erste Dienstleistung aus dem RZ der Einstieg für weitere. Peter Bruchmüller lässt allerdings wenig Zweifel daran, dass diese Modelle in der Praxis nur funktionieren, wenn die Abwicklung für den Partner transparent ist und er keine hohen Vorab-Investitionen tätigen muss, wie es sonst oftmals der Fall ist.

"Wir suchen für den Kunden die passende Lösung, und die kommt dann eben aus dem Rechenzentrum. Ja, es gibt natürlich Sicherheitsbedenken. Aber Fakt ist, dass praktisch jedes Rechenzentrum mit ausfallsicheren gespiegelten Servern deutlich besser geschützt ist als viele lokal betriebene Server, wie sie in den Räumen kleiner und mittelständischer Unternehmen stehen. Alle Lösungen, die wir über unseren Distributor acmeo beziehen, werden zudem standardmäßig in deutschen Rechenzentren vorgehalten. Das erleichtert uns die Argumentation", unterstreicht Bruchmüller.

Dafür kann es an anderer Stelle schnell unübersichtlich werden, wie beim Rechtemanagement oder den Billingsystemen. Vor allem bei Produkten, die nicht für die Cloud entwickelt worden sind. Systemhäuser wie die Kölner NETZORANGE IT-Dienstleistungen GmbH und die Göttinger GOESYS AG setzen deshalb primär auf "echte Cloud-Lösungen", die schon mit transparenten und flexiblen Lizenzmodellen ausgestattet sind. Der Vorteil für den Channel: das eigentliche Lizenzmanagement betreibt der Partner direkt. Der Kunde wendet sich an seinen persönlichen Ansprechpartner beim Fachhandel und nicht wie sonst im Softwarebusiness üblich an den Hersteller oder eine anonyme Website. Fast nebenbei verfestigt sich dadurch auch die Kundenbindung.

Nur gute Erfahrungen in der on-demand-Welt gesammelt: Daniel Dinter, Geschäftsführer, NETZORANGE

(Bild: NETZORANGE)

"Wir hatten speziell nach einer IT-Monitoring und -Managementlösung gesucht, die in unser Portfolio passt. Mit Lizenzmodellen on demand haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht. Wir können unsere Monitoring-Lösung auf Basis von GFI Max Remote Management nach Bedarf bereitstellen und für unsere Kunden veredeln", bestätigt Daniel Dinter, Geschäftsführer von NETZORANGE, gegenüber heise resale. "Die passende Cloud-Lösung kommt mit der entsprechenden Vertriebsunterstützung vom Distributor."

Ein Konzept für Service-Outsourcing ist für viele Endkunden sinnvoll, oftmals für wichtige Teilbereiche der Infrastruktur, selten gleich als komplette Lösung. Ist der Kunde zufrieden und entspricht die Lösung seinen Vorstellungen, folgen die nächsten Ausbauschritte gemeinsam mit dem Systemhauspartner meist organisch. Im Gegensatz zum Cloud-Hype der Jahrtausendwende (damals noch als Application Service Providing – ASP bezeichnet), den viele Systemhäuser noch als eher schmerzhaften Lernprozess in Erinnerung haben, sind die Systeme inzwischen ausgereifter und die Infrastruktur entsprechend zusammengewachsen. Trotzdem ist die Cloud keine Einbahnstraße.

Peter Bruchmüller: "Kommt eine gehostete Lösung an ihre Grenzen oder hat der Kunde Sicherheitsbedenken bei sensiblen Daten, dann ist es oft sinnvoller und unter Umständen sogar kostengünstiger einen eigenen Server zu betreiben. Und dahingehend beraten wir dann auch." Zu den Standardthemen des Göttinger Systemhauses zählt das Online-Backup. "Die Datensicherung erfolgt automatisch, verschlüsselt, gemäß Richtlinienmanagement und auf dem Sicherheitslevel, den jedes Rechenzentrum gemäß ISO-Vorgaben erfüllen muss. Aber wenn es um Datenbestände geht, die möglichst schnell wiederhergestellt werden müssen, ist das lokale Backup nicht zu schlagen, es braucht aber die entsprechende Infrastruktur", erläutert Bruchmüller.

Für bestimmte Szenarien sind die Dienstleistungen aus dem Rechenzentrum erste Wahl und Systemhäuser und Spezialdistributoren wie die in Hannover ansässige acmeo cloud-distribution schaffen dafür geeignete Voraussetzungen.

Im Spannungsfeld zwischen Standardisierung und flexibler Anpassung: Henning Meyer, Geschäftsführer, acmeo distribution

(Bild: acmeo)

Henning Meyer, Geschäftsführer der acmeo, sieht in White-Label-Lösungen denn auch eine große Chance für den Handel: "Bestimmte Wandlungsprozesse in Unternehmen kann man am besten mit Cloud-Lösungen abbilden. Wir geben dem Fachhandel Lösungen an die Hand, bei denen er beispielsweise einen Server mietet und nicht kauft." Damit begibt sich acmeo aber auch auf Pfade jenseits des klassischen IT-Großhandels. "Denn die Cloud stellt indes andere Ansprüche an die Distribution als lokale Infrastrukturlösungen. Die Prozesse müssen wiederholbar sein, gleichzeitig muss ein Systemhaus ausreichend Spielraum haben, die Dienstleistung mit seiner Expertise abzurunden", betont Meyer. "Aus unserer Monitoring- und IT-Sicherheitslösung wird durch die Leistung des Systemhauses praktisch ein neues, besonders bedarfsgerechtes Produkt."

Ein erfolgsentscheidender Aspekt bei der Umsetzung solcher on-demand-Lösungen sind aber die begleitenden Konditionen: "Die Vertragsmodelle, oft eine Krux, müssen für beide, Systemhauspartner und Endkunde, transparent sein. Dazu eignet sich bei weitem nicht jede Softwarelösung. Wir konzentrieren uns daher ausschließlich auf echte Cloud-Lösungen, und die sind zweifelsohne nicht ganz einfach im Markt zu finden", unterstreicht acmeo-Chef Meyer.

Will sich der Fachhandel dauerhaft beim Kunden profilieren und mit Dienstleistungen aus dem Rechenzentrum wirklich Geld verdienen, müssen die genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Für den Fachhandel wird viel davon abhängen, welche Strategien die Anbieter zukünftig favorisieren und wie sich Spezialdistributoren dauerhaft im Markt positionieren. Noch sind die Margen für Fachhandelspartner komfortabel. (map)
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